Planungssicherheit zum hohen Preis
Die EU und die USA haben nach monatelangen Verhandlungen ihren Zollstreit beigelegt und einen Handelskrieg doch noch abgewendet. Doch längst nicht alle sind mit dem Deal zufrieden.
Brüssel hat durch die Einigung mit der US-Regierung im Zollstreit Planungssicherheit für europäische Unternehmen erreicht. Aber die EU bezahlt dafür einen hohen Preis. Auf die meisten aus der Europäischen Union in die USA eingeführten Waren sollen künftig Zölle in Höhe von 15 Prozent erhoben werden. Damit ist Washingtons Ankündigung, ab dem kommenden Freitag das Doppelte zu verlangen, vom Tisch. US-Präsident Donald Trump hatte mit Aufschlägen von 30 Prozent ab dem 1. August gedroht.
Entsprechend verteidigt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Deal, den in Brüssel und den Mitgliedsstaaten nicht alle begrüßen. Aber es hätte schlimmer kommen können. Auch EU-Handelskommissar Maros Sefcovic verweist auf die Alternative, die aus seiner Sicht keine ist: Ein Handelskrieg hätte nach seinen Worten den transatlantischen Austausch zum Erliegen gebracht und in Europa viele Arbeitsplätze gekostet.
Letztlich hat nur ein Mann das Sagen
Sefcovic hat in den vergangenen vier Monaten die nervenaufreibenden Verhandlungen mit der US-Regierung geleitet. Er reiste mehrfach nach Washington und musste feststellen, dass trotz scheinbarer Fortschritte in den Gesprächen wenig voranging. Er machte wie andere EU-Vertreter die Erfahrung, dass in der US-Regierung nicht die Handelsexperten das Sagen haben, sondern letztlich nur ein Mann über den Ausgang des Zollstreits entscheidet: Donald Trump.
Deshalb musste es am Sonntag Abend im Golfresort des US-Präsidenten im schottischen Turnberry zum Showdown zwischen Trump und von der Leyen kommen. Dabei blieb bis zum Beginn der Gespräche unklar, ob es am Ende ein Ergebnis geben würde.
Sicherheit gerade für deutsche Unternehmen
Die schließlich besiegelte Einigung sieht US-Einfuhrzölle von 15 Prozent auch für Pharmazeutika und Halbleiter vor - und zwar unabhängig vom Ergebnis einer noch laufenden US-Zolluntersuchung in diesen Bereichen. Das schafft Sicherheit gerade für deutsche Unternehmen. Deutschland ist mit einem Handelsvolumen von rund 250 Milliarden Euro innerhalb der EU der größte Handelspartner der USA.
Auch der deutschen Autoindustrie verschafft der Deal Vorteile gegenüber der aktuellen Lage: Die Importzölle für deutsche Fahrzeuge sollen von jetzt 27,5 auf dann ebenfalls 15 Prozent fallen. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte auf eine schnelle Lösung für die Branchen Auto, Maschinenbau, Pharma und Chemie gedrängt. Er begrüßt den Deal.
Zollfreiheit für einige Sektoren
Die EU senkt im Gegenzug die Importzölle für Autos aus den USA auf 2,5 Prozent. Darüber hinaus haben sich beide Seiten auf Zollfreiheit für einige Sektoren verständigt: Flugzeuge und Flugzeugteile, Halbleiter-Equipment sowie bestimmte Chemikalien, Generika, Agrarprodukte und kritische Rohstoffe. Die EU stellt ihrerseits die Einfuhr von Tierfutter, Fisch, Käse und Hummer zollfrei.
Vor fünf Jahren galt ein "Hummer-Deal" als Anzeichen eines sich verbessernden Klimas in den beiderseitigen Handelsbeziehungen. Auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse aus der EU erhebt Washington derzeit 50 Prozent Zoll. Dazu zählen auch Haushalts- und Fitnessgeräte oder Angelzubehör. Für bestimmte Einfuhrkontingente von Stahl und Aluminium sollen künftig niedrigere Sätze gelten. Brüssel und Washington arbeiten an einem gemeinsamen Papier zur konkreten Ausgestaltung ihrer grundsätzlichen Übereinkunft, das sie in den kommenden Tagen vorlegen wollen.
Gemischte Reaktionen auf Zollabkommen zwischen EU und USA
Christian Feld, ARD Brüssel, tagesschau, 28.07.2025 20:00 UhrHunderte Milliarden fließen in die USA
Teil des Deals ist, dass künftig Hunderte Milliarden Dollar in die Vereinigten Staaten fließen: Die EU will dafür sorgen, dass europäische Unternehmen in den kommenden drei Jahren Energie für insgesamt 750 Milliarden Dollar aus den USA kaufen - Flüssigerdgas (LNG), Öl und Kernbrennstoffe. Außerdem erklärt Brüssel die Absicht, dass europäische Firmen rund 600 Milliarden Dollar in den USA investieren.
Die US-Regierung erwartet nach eigenen Angaben insgesamt bis zu 700 Milliarden Dollar pro Jahr an Zolleinnahmen. Das Geld kann Washington gut gebrauchen - unter anderem, um die enormen Ausfälle durch Trumps umstrittenes Steuergesetz ("Big Beautiful Bill") auszugleichen.
Deal auf Augenhöhe?
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), spricht von einem Deal mit Schlagseite. Die Christdemokraten im EU-Parlament begrüßen Planbarkeit für die Industrie. Grüne und Linkspartei lehnen die Einigung ab. Das EU-Parlament muss ihr wie auch die Mitgliedsstaaten zustimmen. Früheren Anforderungen der EU-Regierungen wird die Einigung nicht gerecht.
Minister aus den Mitgliedsstaaten hatten in Brüssel erklärt, man werde nur eine Einigung auf Augenhöhe akzeptieren und wolle auf jeden Fall einen besseren Deal als den von Großbritannien erzielten. Aber mehr war nicht herauszuholen - das gibt die EU-Kommissionschefin in Schottland zu. Außerdem war nicht klar, wie lange die EU-Staaten im Zollstreit noch geschlossen gestanden hätten. Erste Risse zeigten sich schon. So ganz scheint Brüssel der transatlantischen Zoll-Harmonie noch nicht zu trauen: Nach Angaben einer EU-Beamtin könnte die Kommission ganz schnell die vorbereiteten EU-Gegenzölle einsetzen, falls doch noch etwas schiefgehen sollte.
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