Überwachen, durchsuchen, isolieren
Im Kampf gegen den Drogenhandel setzt Frankreich jetzt auf Hochsicherheitsgefängnisse. Wer dort einsitzt, soll kaum noch Kontakt zur Außenwelt haben. Können solche Knäste die zunehmende Gewalt im Drogenmilieu eindämmen?
Frankreichs Justizminister Gérald Darmanin verspricht nichts weniger als einen "radikalen Wandel im Strafvollzug". Vorbild dafür sind Maßnahmen, die Italien in den 1990er-Jahren im Kampf gegen die Mafia beschlossen hatte. So sollen in diesem Jahr zwei Hochsicherheitsgefängnisse entstehen: in Vendin-le-Vieil bei Lens, das nun offiziell in Betrieb ist, und in Condé-sur-Sarthe nördlich von Le Mans.
In Vendin-le-Vieil überwachen 450 Videokameras die Insassen. In den Besuchsräumen ist kein direkter Kontakt möglich, nur über Sprechanlagen. Nach jedem Besuch werden die Gefangenen systematisch durchsucht und müssen sich dafür komplett ausziehen. Zudem gibt es Störsender für Drohnen und Mobiltelefone.
Das Ziel sei, die Insassen komplett zu isolieren, sagt Justizminister Darmanin: "Wir wissen, dass Drogenhändler, die auch in Verdacht stehen, enge Beziehungen zur organisierten Kriminalität zu pflegen, weiter Kontakt zur Außenwelt haben. Auch, wenn sie in isolierten Bereichen von Gefängnissen sitzen, organisieren sie von dort Deals und Geldwäschegeschäfte oder setzen Kopfgeld auf Staatsanwälte und Polizisten aus."
Insgesamt 100 Kriminelle sollen in Vendin-le-Vieil einsitzen, etwa die Hälfte sind nach offiziellen Angaben bereits dort hingebracht worden. Weitere 100 Personen sollen im Gefängnis Condé-sur-Sarthe inhaftiert werden, das im Oktober in Betrieb gehen soll.

Eine Zelle im Gefängnis von Vendin-le-Vieil. Die Insassen sollen keine Möglichkeit mehr haben, aus der Haft heraus noch den Drogenhandel mitzubetreiben.
Gesetz verspricht "Befreiung" vom Drogenhandel
Die Hochsicherheitsgefängnisse sind ein Baustein eines ganzen Gesetzespakets, das den Drogenhandel in Frankreich eindämmen soll. Der französische Verfassungsrat hatte die Maßnahme Mitte Juni abgesegnet unter der Bedingung, dass eine Verbindung zwischen den Kriminellen, die dort inhaftiert werden sollen, und Netzwerken organisierter Kriminalität tatsächlich nachgewiesen werden könne.
Neben den Gefängnissen sieht das Gesetz "zur Befreiung Frankreichs aus der Falle des Drogenhandels" etwa vor, eine spezialisierte Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität zu schaffen, ähnlich der nationalen Finanzstaatsanwaltschaft. Kriminellen, die mit den Behörden kooperieren, wird Strafmilderung in Aussicht gestellt. Darüber hinaus erhalten Präfekten die Möglichkeit, Geschäfte und Läden vorübergehend zu schließen, wenn der Verdacht besteht, dass dort Drogengelder gewaschen werden.
Schätzungen des französischen Wirtschaftsministeriums zufolge leben 200.000 Menschen in Frankreich vom Drogenhandel. Pro Jahr werden damit 3,5 Milliarden Euro Gewinn erzielt. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu sechs Milliarden Euro aus.
Der Drogenhandel wandelt sich
2024 hatte der französische Senat einen umfassenden Bericht zum Drogenhandel in Frankreich vorgelegt. Demnach seien die Netzwerke agiler agiler geworden und die Konkurrenz um Territorien größer.
Und auch die Zahl der Gewalttaten ist laut dem Bericht stark angestiegen: 80 bis 90 Prozent der Abrechnungen, Morde oder Mordversuche unter Straftätern erklären sich demnach durch Konflikte in Zusammenhang mit Drogenhandel.
Immer wieder berichten französische Medien über Auseinandersetzungen, Schießereien und Vergeltungsaktionen zwischen unterschiedlichen Drogenbanden, auch in kleineren Städten wie Grenoble oder Nîmes. Und immer wieder fallen dem auch Menschen zum Opfer, die mit Drogenhandel nichts zu tun haben.
Bleiben die Grundrechte gewahrt?
Wissenschaftler wie Yann Bisiou bezweifeln aber, dass die Hochsicherheitsgefängnisse am Grundproblem Drogenhandel etwas ändern. Er forscht an der Universität von Montpellier zur Drogenpolitik: "Eine der Fragen, die sich stellen, ist: Wozu genau sollen diese Hochsicherheitsgefängnisse dienen?", so Bisiou im Sender France Culture.
Es gebe zum Beispiel schon jetzt rechtliche Möglichkeiten, die Kommunikation von Gefängnisinsassen mit der Außenwelt zu verhindern, so der Forscher. Das habe auch der Staatsrat, das höchste französische Verwaltungsgericht, in seiner Vorab-Einschätzung betont: "Dieses neue Gesetz führt nur dazu, dass Drogenkriminelle an einem Ort gebündelt inhaftiert werden - unter extrem strengen Bedingungen, die einen Angriff auf Grundrechte darstellen", so Bisiou.

Justizminister Darmanin lässt sich von der Kritik nicht beirren. Er plant weitere Hochsicherheitsgefängnisse.
Regierung plant weitere Gefängnisse
Zum Beispiel sei völlig unklar, nach welchen Kriterien entschieden wird, welche Straftäter in die Hochsicherheitsgefängnisse kommen, so Bisiou weiter. Mehrere Anwälte kritisierten zudem, dass die Widerspruchsmöglichkeiten gegen eine Verlegung etwa nach Vendin-le-Vieil unzureichend seien. Auch die Tatsache, dass der Kontakt zu den Familien für die Insassen drastisch eingeschränkt sein soll, sorgt für Kritik.
Das deutlichste Beispiel sind aus Sicht von Bisiou aber die systematischen Durchsuchungen der Insassen, wenn sie Kontakt mit Personen von außen hatten und für die sich die Häftlinge ausziehen müssen: "Aus meiner Sicht ist das ein enormes Problem sowohl für die Wahrnehmung von Grund- als auch von Gefangenenrechten", sagte Bisiou.
Der Anwalt eines Drogenhändlers, der nach Vendin-le-Vieil verlegt werden soll, hat vor dem Gerichtshof der Republik bereits Klage gegen Justizminister Darmanin wegen Missachtung der Vorgaben des Verfassungsrates eingereicht. Den Minister scheint das allerdings wenig zu beeindrucken: Er will bis 2027 insgesamt "vier bis fünf" Hochsicherheitsgefängnisse schaffen.
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