AKP statt Gefängnis?
Die Bürgermeisterin der türkischen Stadt Aydın, Özlem Çerçioğlu, wechselt von der Opposition in Erdoğans AKP. Freiwillig? Wohl kaum, sagen Kritiker, und sprechen von Erpressung.
Aydın bedeutet im Türkischen hell. Und Aydın ist eine Stadt, etwa 100 Kilometer südöstlich der Ägäis-Metropole Izmir. Doch was sich nun in Aydın abspielte, dürfte als dunkles Kapitel in die Geschichte der CHP eingehen, der größten türkischen Oppositionspartei.
Bürgermeisterin Özlem Çerçioğlu erklärte ihren Austritt aus der CHP - und lief noch am selben Tag zur AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan über. Gerade pünktlich zum Festakt anlässlich des 24-jährigen Bestehens ihrer neuen Partei.
Bei dessen Liveübertragung im Fernsehen begrüßte Staats- und Parteichef Erdoğan Çerçioğlu und weitere Neuzugänge mit den Worten: "Die AKP-Familie wächst weiter. Wir heißen die Freunde, die sich uns angeschlossen haben, herzlich willkommen und schließen sie in unser Herz."
Korruptionsvorwürfe gegen CHP-Mitglieder
In der CHP will man nicht glauben, dass sich Çerçioğlu Erdoğan aus freien Stücken an die Brust wirft. Parteichef Özgür Özel warf dem Präsidenten sogar Erpressung seiner bisherigen Parteifreundin vor. Hintergrund seien Korruptionsermittlungen gegen mehrere CHP-Bürgermeister. Und zwar nur gegen CHP-Bürgermeister.
Dabei hätten vor allem AKP-Bürgermeister verdächtige Absprachen mit dem betreffenden Unternehmer Aziz İhsan Aktaş getroffen, sagt CHP-Chef Özel. Die AKP-Mitglieder aber lasse die Justiz in Ruhe.
"Sie beschuldigen alle, mit denen Aktas zusammengearbeitet hat - sofern sie CHP-Mitglieder sind", sagt Özel. "Sind sie es nicht und gehören stattdessen der AKP an, gelten sie offensichtlich als unantastbar."
Bisher zehn Bürgermeister von der Opposition verhaftet
Zehn Bürgermeister, alle von der CHP, wurden mittlerweile verhaftet. Die Bürgermeisterin von Aydın schrieb in einer Erklärung zum Parteiaustritt, sie und ihre Familie seien ins Visier genommen worden. Und das, obwohl sie auf allen Ebenen gefordert habe, die Gesetze einzuhalten. Wer sie ins Visier genommen habe, schrieb sie nicht, erwähnte allerdings Probleme innerhalb der CHP.
Mit Korruption habe sie jedenfalls nichts zu tun, sagt die 57-Jährige bei ihrem ersten Auftritt am AKP-Rednerpult: "Ich habe keine Angst davor, angeklagt zu werden. Ich habe ein reines Gewissen. Mein einziges Anliegen ist es, meinem Land und Aydın zu dienen. In Zukunft unter dem Dach der AKP unseres verehrten Präsidenten."
CHP-Chef übt Kritik an Erdoğan
Erdoğan, so stellt CHP-Chef Özel es dar, habe der beliebten Bürgermeisterin ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen wollte oder konnte: Entweder du kommst zur AKP oder du gehst ins Gefängnis.
Direkt an Erdoğan gewandt, spielt Özel auf die wiederholten Niederlagen von dessen AKP bei Wahlen in Aydın an: Der AKP-Vorsitzende sei dort mehrfach geschlagen worden, sagte der CHP-Chef. "Wenn ein Sieg in Aydın bedeutet, entweder eingesperrt zu werden oder deiner Partei beizutreten - ist das deine Art, Politik zu machen? Willst du Aydın auf diese Weise erobern?"
Prompt hat Özel eine Schadenersatzklage am Hals, wegen unbegründeter Anschuldigungen gegen den Präsidenten. Und eine Strafanzeige wegen Beleidigung desselben.
CHP ruft zu Kundgebung gegen Erdoğan auf
Und als ob das nicht reichen würde, schickt Erdoğan seinerseits noch hinterher: "Wenn jemand erpresst und bedroht, dann ist es niemand anderes als diese Person. Beim Vorsitzenden der CHP geht es nicht mehr um Politik, sondern er wird zunehmend zu einem Thema der Psychiatrie."
In Aydın, was ja ohnehin hell heißt, strahlt nun auch noch die Glühbirne - das Logo der AKP. Die CHP will das nicht einfach akzeptieren und ruft für Montagabend zu einer Kundgebung in Aydın auf.
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