Moskau wähnt eine "Propagandashow"
Die russische Führung reagiert äußerst zurückhaltend auf die Ergebnisse des Treffens in Washington. Ein Treffen mit Selenskyj? Müsste ganz sorgfältig vorbereitet werden. Und Sicherheitsgarantien fordert der Kreml vor allem: für sich.
Wolodymyr Selenskyj und die europäische "Koalition der Willigen" blicken zwar nicht euphorisch, aber doch zufrieden auf die Ergebnisse des Spitzentreffens im Weißen Haus. Kein Wunder, dass das in Moskau anders gesehen wird. Vor allem mit dem wichtigsten Ergebnis mag sich das politische Moskau noch nicht recht anfreunden - einem direkten Treffen zwischen Präsident Wladimir Putin und Selenskyj, das US-Präsident Donald Trump behauptet vorzubereiten.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich heute nicht anders als in den Wochen und Monaten zuvor: Man lehne weder Zweier- noch Dreier-Gespräche ab, aber "Propagandashows" wolle man nicht. Man müsse "Schritt für Schritt, beginnend auf Expertenebene und höher, alle notwendigen Phasen zur Vorbereitung der Gipfeltreffen durchlaufen". Alles müsse mit größter Sorgfalt vorbereitet werden.
Was das heißt, sieht man an den Dialog-Versuchen beider Seiten in Istanbul: Sie treffen sich, sie tauschen ihre Standpunkte aus, sie gehen auseinander und stellen in Moskau und Kiew fest, dass sie weit auseinanderliegen. Währenddessen wird weiter geschossen.
Eine Waffenruhe vor dem Beginn von Gesprächen will aber Putin nicht - und nun, nach dem gemeinsamen Treffen am Freitag in Alaska, wohl auch Trump nicht mehr. Ein schneller Waffenstillstand ohne die Erfüllung weiterer Forderungen würde nach Meinung des Kreml das Erreichen der Ziele seiner "Spezialoperation", wie Russland den Krieg gegen die Ukraine weiterhin nennt, vereiteln.
Russland gibt sich weiter als "Schutzmacht"
Eine wichtige Rolle spielt für Moskau die viel diskutierte komplette Abtretung der Donbass-Region durch die Ukraine. Lawrow behauptete heute noch einmal, Russland habe nie das Ziel gehabt, die Region zu erobern, ebenso wie die Krim oder "Noworussija" (zu deutsch: Neurussland), womit auch die beiden ebenfalls umkämpften Nachbarregionen Saporischschja und Cherson gemeint sind. Vielmehr sei das Ziel der Schutz der dortigen "russischen Bevölkerung" gewesen.
Soll heißen: Dieser Schutz ist noch nicht komplett wieder hergestellt. Dabei hatten unabhängige Institutionen wie die OSZE und die UN nie eine gewaltsame Verfolgung von Minderheiten dort festgestellt. Klar ist: Die Ukraine kann und wird die Gebiete nicht freiwillig abtreten - und Russland dort wohl weiter Krieg führen.
Strikt gegen westliche Soldaten in der Ukraine
Ein vielleicht noch größeres Problem für den Kreml sind die Sicherheitsgarantien für Kiew. Nachdem Russlands "Spezialoperation" nicht den Sturz von Selenskyjs Regierung in Kiew erreicht hat, will Moskau vor allem die Einbindung in die NATO verhindern. Nun aber geht es um die Frage, ob Soldaten aus NATO-Staaten die Ukraine schützen sollen.
Brauche Russland denn keine Garantien zum Schutz vor der NATO, fragt Wladimir Dschabarow, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrates, und stellt damit die Debatte im Westen auf den Kopf. "Wer soll sie geben? Europa ist daran überhaupt nicht interessiert. Nun erklären sie, dass es nach Ende des Konflikts notwendig sei, europäische Truppen auf ukrainisches Territorium zu schicken. Das heißt, sie versuchen erneut, das gequälte Land für ihre antirussischen Interessen zu instrumentalisieren."
Der russische Politologe Wadim Truchatschew sinniert bereits über eine "Finnlandisierung" der Ukraine, ein Begriff, der vor dem NATO-Beitritt Finnlands für Neutralität, aber auch für ein westliches Gesellschaftsmodell stand.
"Eine finnlandisierte Ukraine würde zu einem Protektorat der EU und der NATO werden, das auf einen zukünftigen Krieg mit Russland vorbereitet würde", schreibt Truchatschew. "Die formale Nichtmitgliedschaft in der NATO würde zu einem leeren Stück Papier werden, hinter dem nichts mehr stünde."
Das Spiel auf Zeit
Das dürfte der Kreml auch so sehen. Die Frage ist letztlich, ob die "Ursachen des Konflikts", wie Moskau sie sieht, überhaupt von der Ukraine und dem Westen komplett beseitigt werden könnten, ohne dass die Ukraine zu einem Schatten Moskaus würde.
In jedem Fall bräuchten allein die Gespräche darüber Zeit - Zeit, die die Ukraine nicht hat und in der das Sterben weiter ginge. Zeit, die Moskau für sich nutzen würde.
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