Kriege, Rechtsbrüche und mangelnde Verantwortung: Der UN-Menschenrechtsrat warnt vor einer weltweiten Krise der Menschenrechte - und nimmt auch die internationale Gemeinschaft in die Verantwortung.

"Kriegspropaganda überall - von Militärparaden bis zu rhetorischer Scharfmacherei - Friedensparaden oder Friedensministerien dagegen Fehlanzeige" - mit diesen Worten appelliert der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Volker Türk, bei der Eröffnung der Sitzung des UN-Menschenrechtsrates, an die Weltgemeinschaft.

Sein "globales Update" zur Menschenrechtslage ist die nüchterne Bilanz von eskalierender Gewalt und Gemetzel weltweit: Von Russlands - so Türk wörtlich - "noch tödlicherem" Krieg in der Ukraine über das unvorstellbare Leid der Menschen im Sudan bis zu Israels "Massen-Tötungen" palästinensischer Zivilisten in Gaza, "Überall auf der Welt werden die Regeln des humanitären Völkerrechts geschreddert", so Türk in seiner Eröffnungsrede. Und die Täter würden praktisch nicht zur Rechenschaft gezogen.

Besonders mit Blick auf Gaza forderte Türk Staaten und Regierungen einmal mehr zum Handeln auf. Während Israel "ein Kriegsverbrechen nach dem anderen" begehe, versage die internationale Gemeinschaft. "Wir lassen die Menschen in Gaza im Stich", sagte Türk - und: "Wo bleiben die entscheidenden Schritte, um Völkermord zu verhindern?"

"Einige Regierungen missachten das Völkerrecht"

Es gäbe "weltweit koordinierte Bemühungen, die Menschenrechte zu untergraben", so der UN-Menschenrechtekommissar. "Einige Regierungen missachten das Völkerrecht. Wenn Staaten Rechtsverstöße ignorieren, werden diese zur Normalität. Und wenn Staaten das Recht inkonsequent anwenden, untergraben sie die Rechtsordnung überall", so Türk weiter.

Die zunehmende Ignoranz - oder auch nur die Priorisierung anderer Bereiche wie Rüstung und Sicherheit - zeigt sich auch an der dramatischen Unterfinanzierung der UN-Menschenrechtsarbeit. Die Folgen des Zahlungsstopps der USA und der Kürzungen auch vieler weiterer Länder sind bereits spürbar, sagt Michaela Lissowsky, Leiterin des Human Rights Hub der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Genf.

Weniger Geld für Untersuchungskommissionen

"Das betrifft jetzt ganz konkret Untersuchungskommissionen, die aktiv sind, das heißt jetzt in Syrien, aber auch in der Ukraine, die werden Personal abbauen müssen, haben sie jetzt schon gemacht", warnt Lissowsky. "Sie können weniger Berichte vorlegen, aber auch Sonderberichterstatter haben weniger Geld, Missionen durchzuführen und internationale Dialoge mit betroffenen Opfern massivster Menschenrechtsverbrechen zu führen."

Der UN-Menschenrechtsrat mit seinen 47 jeweils für drei Jahre gewählten Mitgliedsländern wird oft kritisiert - als stark politisiertes Gremium, in dem auch Länder sitzen, die die Menschenrechte notorisch missachten.

Israel und die USA werfen dem Menschenrechtsrat Voreingenommenheit gegenüber Israel vor, weil die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten auf der Agenda des Rates permanent Thema ist.

Beispiellose Verweigerung der USA

Beide Länder haben sich im Frühjahr aus dem Menschenrechtsrat zurückgezogen. Die USA gehen jetzt noch einen Schritt weiter: Sie verweigern sich auch der turnusgemäßen Überprüfung der Menschenrechtslage im Land. Und das, so Menschenrechtsexpertin Michaela Lissowsky, sei in der UN-Geschichte beispiellos: "Sie stellen sich ihrer politischen Verantwortlichkeit - denn darum geht es, politische Verantwortung zu beziehen zur Menschenrechtssituation zu Hause - nicht mehr."

Damit wäre sie das erste Land weltweit, so Lissowsky. "Selbst Syrien hat in der Bürgerkriegssituation einen Menschenrechtsbericht eingereicht. Selbst die russische Föderation, selbst China, selbst der Iran". Bislang jedenfalls haben sich selbst autokratische Regimes dem Länderüberprüfungsverfahren des UN-Menschenrechtsrats zumindest formell gestellt.

Internationales System muss verteidigt werden

Doch die US-amerikanische Verweigerung, sagt Lissowsky, werde Folgen haben: "Die werden gravierend sein, weil autokratische Herrscher weltweit, die immer sich natürlich der Kontrolle entziehen wollten, das begrüßen werden und das heute auch ganz offensichtlich beklatschen."

Es brauche jetzt eine überregionale Bewegung, um das internationale System zu verteidigen, forderte UN-Hochkommissar Türk im Menschenrechtsrat. Denn "Frieden und Sicherheit", so Türk, "hängen von der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte ab, überall."

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