Wer soll das bezahlen?
In China haben sich viele Arbeitgeber bislang davor gedrückt, ihre Angestellten zu versichern. Nun sind sie dazu verpflichtet. Doch was erst einmal vernünftig klingt, sorgt für viel Unmut.
Ein Obstladen im Pekinger Bezirk Chaoyang. Pfirsiche, Melonen und Mangos liegen aufgetürmt auf den Auslagen. Eine Mitarbeiterin verteilt Plastiktüten. Die 47-Jährige führt für ihren Job hier keine Sozialversicherungsbeiträge ab, erzählt sie.
"Sozialversicherungen sind eine gute Sache, aber Leute wie ich kommen vom Land und arbeiten in der Stadt, heute sind wir hier, morgen sind wir schon woanders. Wir haben keine feste Arbeitsstelle. Wir sollten keine Sozialversicherung zahlen", sagt sie. "Klar, wenn wir gezwungen würden, müssten wir. Aber selbst wenn der Arbeitgeber seinen Teil zahlt, müsste ich noch einen Teil von meinem Monatsgehalt zahlen."
Manche fürchten nun um ihren Job
In ihrer Familie müssten alte Menschen versorgt werden, die beiden Kinder studierten. "Würde das Geld dann noch reichen? Was ich verdiene, gebe ich doch gleich wieder aus."
Seit dem 1. September sind alle Arbeitgeber in China verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für ihre Festangestellten abzuführen. Doch wie die Mitarbeiterin im Obstladen befürchten viele Angestellte, die umgerechnet nur ein paar hundert Euro im Monat verdienen, anschließend weniger Geld zu haben. Wegen des kleineren Arbeitnehmer-Eigenanteils, den sie selbst abdrücken müssten - oder weil Arbeitgeber den Lohn kürzen könnten, um ihren Teil, den größeren, zahlen zu können. Manche Angestellte fürchten gar, ihren Job zu verlieren.
Besonders kleine Unternehmen klagen
So könnten Arbeitgeber stattdessen Rentner oder Tagelöhner beschäftigen, für die sie keine Versicherungsabgaben abführen müssen. Besonders kleinere Unternehmen beklagen, ihre Lohnkosten würden in die Höhe schnellen.
So wie diese Pekinger Restaurant-Betreiberin, die anonym bleiben möchte. "Für mich als Arbeitgeberin läuft es wirtschaftlich nicht gut, wir machen schon jetzt sehr wenig Gewinn. Wenn ich nun noch den Arbeitern die Sozialversicherungen zahlen müsste - so viel können wir gar nicht erwirtschaften", sagt sie. "Und wenn wir alles auf die Arbeiter abwälzen? Die können sich das auch nicht leisten. Das heißt, wir können gleich dicht machen."
Sozialstaat ist längst reformbedürftig
Sie verstehe nicht, warum der Staat diese Politik beschlossen habe. "Warum sollen Menschen dazu gezwungen werden, Sozialversicherungen zu zahlen, wenn sie gar nicht wollen?"
Wie die neuen Regeln umgesetzt werden sollen, ist noch unklar. Experten halten Reformen des chinesischen Sozialstaats für lange überfällig - um das System in der Gesellschaft breiter aufzustellen, Menschen besser abzusichern für Notsituationen und die Finanzierung zu sichern. Die Ausgaben steigen derweil. Wer künftig dafür bezahlen soll, ist unklar. Die Gesellschaft überaltert rasant, es werden immer weniger Kinder geboren und es gibt keine Zuwanderung.
Sozialleistungen sind relativ gering
Alle chinesischen Sozialversicherungen zusammen sind im vergangenen Jahr auf ein Budget von umgerechnet etwa 1,5 Billionen Euro gekommen, rund 20 Prozent davon waren staatliche Zuschüsse. Das ist etwas mehr als die Summe aller deutschen Sozialleistungen. Allerdings leben in China fast 17-mal so viele Menschen wie in Deutschland.
Und so sind die Leistungen verhältnismäßig niedrig und reichen häufig nicht aus, gerade in den teuren Städten werden oft Erspartes und die Unterstützung der Familie benötigt. Wer schwer krank wird, wird trotz Krankenversicherung durch die hohen Zuzahlungen nicht selten in den Ruin getrieben. Deswegen sparen die Menschen in China, um für Notsituationen abgesichert zu sein - gerade in Krisenzeiten.
Das wiederum bremst den Binnenkonsum, den Chinas kommunistische Führung gerne zum Laufen bringen möchte.
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