Wenn Gewalt zur vermeintlichen Lösung wird
Der Anstieg der Zahl politisch motivierter Gewalttaten in den USA ist dramatisch, sagen Experten. Das liegt nicht nur an der politisch aufgeheizten Stimmung, sondern auch an sozialen Umwälzungen.
Zeiten, in denen es viel politisch motivierte Gewalt gab, durchlebten die Vereinigten Staaten immer wieder. So schlimm wie derzeit war es aber schon lange nicht mehr, sagt Professor Robert Pape von der Universität von Chicago dem Sender NPR.
"Wir erleben einen entscheidenden Moment, den ich die Ära des gewalttätigen Populismus nenne. Wir haben ein historisch hohes Niveau politisch motivierter Gewalt", so Pape. Vergleichbar sei das mit den 1960er-Jahren in denen es zahlreiche Attentate und Anschlagsversuche gegeben habe.
Ein Präsident mit extremen Ansichten
Die 60er - das war die Zeit des Vietnamkriegs und der Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung. "Die 60er erlebten Umbruch, Konflikt und Streit", erklärt der Historiker Mark Updegrove bei ABC. "Innerhalb von nur fünf Jahren gab es die Attentate auf John F. Kennedy und Malcolm X - und alleine 1968 folgten direkt aufeinander die Anschläge auf Martin Luther King und Robert Kennedy." Das sei eine Zeit des großes Wandels und der aufgeheizten politischer Rhetorik gewesen.
Updegrove erkennt aber einen wichtigen Unterschied zur Gegenwart: "Heute gibt es einen Präsidenten, der extreme Ansichten vertritt - auf die die andere Seite mit Extremismus antwortet." In den 60ern hätten zumindest die politischen Führungspersönlichkeiten eher maß gehalten.
Radikalisierung der Politik
Die Ursachen für politisch motiverte Gewalt liegen tief. Aus Sicht von Professor Pape führen soziale Umwälzungen zu einer Radikalisierung der Politik - was dann wiederum zu Gewalt führen kann. "In den USA erleben wir gerade solch einen historischen Wandel. Erstmals in der 250 Jahre alten Geschichte als Staat wird aus der weißen Mehrheit eine weiße Minderheit", so Pape. So waren 1990 76 Prozent der Amerikaner Weiße, in etwa zehn Jahren werden es nur noch 49 Prozent sein.
Ganz aktuell ist der Anstieg der Zahl politisch motivierter Gewalttaten dramatisch. Das zeigen Daten des Projekts START an der Universität von Maryland. Die Forscher haben das erste Halbjahr dieses Jahres mit dem ersten Halbjahr des Vorjahres verglichen. Das Ergebnis: Die Zahl dieser Gewalttaten stieg um 49 Prozent, die der Opfer solcher Taten - Tote und Verletzte - um 115 Prozent.
Weniger Mittel für Kampf gegen Inlandsterrorismus
Laut Professor William Braniff von der Amerikanischen Universität in Washington ist ein Grund dafür, dass die Trump-Regierung die Mittel für den Kampf gegen Inlandsterrorismus zusammengestrichen hat.
"Staatsanwälte des Bundes, die bisher gegen Inlandsterrorismus ermittelt haben, erhielten andere Aufgaben - ebenso Special Agents des FBI, die jetzt Fälle des Grenzschutzes und der Migration betreuen", so Braniff. Das Zentrum des Bundes, das Maßnahmen gegen Inlandsterrorismus landesweit koordinierte, sei stillgelegt worden. "Das alles wurde ganz bewusst getan, um diese Ressourcen stattdessen für den Grenzschutz und bei der Migration einzusetzen."
Wechselseitige Radikalisierung von rechts und links
Historisch gesehen, kam politisch motiverte Gewalt überwiegend von rechts, vor allem von weißen Rassisten. Das ändere sich jetzt, so Braniff. "In den letzten Jahren gab es immer mehr gewalttätige Angriffe von Linken." Auch wenn ihre Zahl nicht so hoch sei wie die der Angriffe von Rechten, sei dieser Trend problematisch. "Denn das ist wechselseitige Radikalisierung, wo jede Seite Gewalt immer häufiger als die Lösung sieht", so Braniff.
Gleichzeitig befürworten immer mehr Amerikaner politisch motiverte Gewalt. Professor Pape fragt das seit vier Jahren ab. Seine jüngste Studie zeigt einen Negativrekord. Demnach haben im Mai 39 Prozent der befragten Anhänger der Demokraten der Aussage zugestimmt, dass Gewalt gerechtfertigt sei, um Donald Trump aus der Präsidentschaft zu entfernen. Und 24 Prozent der Anhänger der Republikaner hielten es für gerechtfertigt, wenn Trump das US-Militär einsetzt, um Proteste von Demokraten zu unterdrücken.
Gewaltlosigkeit als demokratische Norm setzen
Doch ein Abrutschen in einen bewaffneten Konflikt oder sogar in einen Bürgerkrieg sei nicht unvermeidlich, sagt Professor Braniff. Alle Amerikaner hätten es jetzt in der Hand, solch ein Szenario zu verhindern.
"Die Politiker müssen politische Gewalt verurteilen, ihren Ton mäßigen und Gewaltlosigkeit als demokratische Norm setzen." Die Wähler müssten ihre Stimme den Politikern geben, die das auch ernst meinten. "Jeder Einzelne muss sich im Informationsumfeld, den sozialen Medien, klug verhalten - denn die sind so geschaffen, dass sie uns polarisieren und uns gegen einander aufbringen", so Braniff.
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