Nach Jahrzehnten der Isolation hat zum ersten Mal wieder ein syrischer Präsident vor den Vereinten Nationen gesprochen. Sein Land strebe nach Stabilität und Sicherheit, sagte al-Scharaa in seiner Rede. Israels Angriffe auf Syrien müssten aufhören.

Als erster syrischer Präsident seit fast 60 Jahren hat Ahmed al-Scharaa eine Rede bei der UN-Generaldebatte gehalten. "Syrien hat sich von einem Krisen-Exporteur in eine Gelegenheit für Frieden verwandelt", sagte er in New York. Seine Übergangsregierung strebe nach Jahren des Bürgerkriegs unter Machthaber Baschar al-Assad nach Diplomatie, Stabilität, Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung. "Syrien kehrt heute zurück an den Platz, der ihm zwischen den Ländern der Welt zusteht", sagte er. Syrien war während des Bürgerkriegs unter Assad lange isoliert und mit Sanktionen belegt. 

Die letzte Rede eines syrischen Staatschefs vor dem UN-Plenum hatte 1967 der damalige syrische Präsident Nureddin al-Atassi gehalten. Al-Scharaa hatte vergangenen Dezember ein Milizenbündnis zum Sturz von Machthaber Assad angeführt und wurde zum Interimspräsidenten des Landes ernannt.

Verhandlungen über Sicherheitsabkommen

Kritisch äußerte sich al-Scharaa gegenüber dem Nachbarland Israel, das seit dem Sturz Assads Hunderte Male Ziele in Syrien angegriffen hat. "Israels Angriffe gegen mein Land gehen weiter", sagte al-Scharaa. Das Vorgehen Israels widerspreche "der internationalen Position der Unterstützung für Syrien", sagte der ehemalige Dschihadist al-Scharaa. Sein Land setze weiter auf Dialog und rufe die internationale Gemeinschaft auf, an der Seite Syriens zu stehen. 

Syrien sei dagegen weiterhin dem Abkommen über einen Waffenstillstand von 1974 verpflichtet, das Israel nach dem Sturz Assads faktisch für beendet erklärt hatte. Seit Monaten laufen verdeckt unter US-Vermittlung Gespräche über ein neues Sicherheitsabkommen beider Länder.

Israel hat die Gespräche inzwischen bestätigt. "Die Verhandlungen mit Syrien sind im Gange", hieß es in einer Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Voraussetzung für eine Einigung seien die Entwaffnung der Grenzregion im Südwesten Syriens sowie der Schutz der religiösen Minderheit der Drusen. Israel betrachtet die Drusen als Verbündete.

Netanjahu hatte vor wenigen Tagen bereits Andeutungen zu den Gesprächen gemacht. Auch der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hatte Verhandlungen über ein Sicherheitsabkommen bestätigt. Er betonte jedoch, dass ein Abkommen keine Normalisierung mit Israel bedeute.

Israel und Syrien offiziell noch immer im Kriegzustand

Konkret geht es bei den Verhandlungen darum, die Präsenz syrischer und israelischer Truppen und Sicherheitskräfte im Grenzgebiet zu regeln. Israel will verhindern, dass sich in der Gegend vom Iran unterstützte Milizen oder bewaffnete islamistische Gruppen ansiedeln, die Israel feindlich gegenüberstehen. 

Seit dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad im vergangenen Dezember hat das israelische Militär Hunderte Male Ziele in Syrien angegriffen. Das Militär zerstörte damit nach eigenen Angaben unter anderem Waffenlager und militärisches Gerät. 
Israel und Syrien befinden sich seit 1948 offiziell im Kriegszustand, es wurde nie ein Friedensvertrag geschlossen. Die von Israel 1967 besetzten und 1981 annektierten Golanhöhen sind dabei ein zentraler Streitpunkt.

Einreise trotz Reiseverbots

Allein die Reise al-Scharaas in die USA ist bemerkenswert: Im Irak hatte er sich einst dem Terrornetzwerk Al-Kaida angeschlossen und dort mehrere Jahre in Gefangenschaft des US-Militärs verbracht. Später sagte er sich von Al-Kaida und dem sogenannten Islamischen Staat (IS) los. Bis heute gibt es aber Zweifel, ob er die extremistische Ideologie ganz abgelegt hat. Von den Vereinten Nationen und den US-Behörden wird al-Scharaa bis heute unter seinem früheren Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani als Terrorist geführt. 

Der UN-Sicherheitsrat beschloss erst vor zwei Wochen, dass al-Scharaa trotz des gegen ihn geltenden Reiseverbots im Rahmen der UN-Sanktionen für einige Tage nach New York reisen dürfe. Seit al-Scharaas Ernennung zum Übergangspräsidenten rätseln Beobachter, ob er wie angekündigt eine Regierung für alle Syrer bilden will, die auch Minderheiten schützt - oder ob er sich zu einem neuen autoritären Herrscher entwickeln wird. Bei konfessionell motivierter Gewalt wurden in Syrien in vergangenen Monaten nach Zählung von Menschenrechtsaktivisten Tausende Menschen getötet.

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