Starmer und die Strategie der Abgrenzung
Bei seiner Rede zum Abschluss des Labour-Parteitags hatte der britische Premier Starmer einen zentralen Punkt: Sich von der aufstrebenden rechtspopulistischen Reform UK abgrenzen. Damit hat er wohl nicht alle Sozialdemokraten abgeholt.
In den vergangenen Monaten wirkte die britische Regierung wie gejagt: Gejagt von der rechtspopulistischen Reform UK und ihrem Vorsitzenden Nigel Farage. In seiner Schlussrede konnte Keir Starmer jedoch deutlich machen, wofür Labour steht und was aus seiner Sicht die Sozialdemokraten von Reform UK unterscheidet - und das entschlossener denn je.
Großbritannien stehe am Scheideweg, sagte der Premierminister bei seiner Rede auf dem Labour-Parteitag in Liverpool. Das Land habe zu wählen zwischen Anstand und Spaltung, Erneuerung oder Niedergang. Als Beleg dafür führte er die unterschiedliche Asylpolitik von Labour und Reform UK an.
Starmer will Asylkurs verschärfen - aber in Maßen
Reform UK verspreche, die Überfahrt von Booten über den Ärmelkanal sofort zu stoppen und wolle Personen mit Visum und Bleiberecht zurückschicken. Er, Starmer, arbeite auch daran, die Fluchtroute von Frankreich nach England zu schließen, lehne die Rückführung von Personen mit Bleiberecht allerdings ab. In diesen Plänen sieht er eine Gefahr, die Gesellschaft zu spalten.
Die Nachbarn auszuweisen, die Geschäftsleute im Ort - nur wegen ihrer Hautfarbe: Dagegen werde Labour kämpfen, sagte Starmer unter tosendem Applaus der Parteimitglieder. In der ersten Reihe saß das Kabinett, viele im Saal schwenkten britische und englische Fahnen - so, wie man das bei den Protesten auf Englands Straßen in den vergangenen Wochen gesehen hatte. Möglicherweise sollte hier ein Symbol nicht den Rechten überlassen werden.
Brexit an- und ausgesprochen
In seiner Rede versuchte der Premier, eine positive Vision für Großbritannien nach vorne zu stellen. Er kritisierte all jene, die das Land schlecht redeten und viel versprechen. Der Niedergang sei deren Geschäft. Starmer sprach von Erneuerung, Zusammenhalt sowie Aufbruch und präsentierte Beispiele für den wirtschaftlichen Erfolg und Reformen im Gesundheitsdienst und im Sozialbereich.
Mehrmals sprach der Premierminister in seiner Rede den Brexit an. Das ist ungewöhnlich, verfolgte Labour doch lange die Strategie, den Austritt aus der Europäischen Union tunlichst nicht zu erwähnen, um die, die dafür gestimmt haben, nicht zu verprellen. Doch diesmal sagte Starmer deutlich: Wegen des Brexits hätten die arbeitenden Menschen im Vereinigten Königreich verloren - wegen der Sparpolitik der Konservativen Regierung bis 2024 und wegen Covid. Er wolle das Blatt wenden.
Wie könnte Labour sozialer werden?
Kritiker in der Partei hatten sich mehr von dieser Rede erhofft. Gerade im Bereich der Sozialpolitik hatten Teile der Partei gehofft, Starmer würde die Deckelung von Unterstützungsleistungen für Familien aufheben. Doch dafür fehlt ihm möglicherweise der finanzielle Spielraum.
Im Herbst präsentiert Finanzministerin Rachel Reeves den Haushalt. An der Stelle könnten der "Two-child-benefit-cap" gestrichen werden, eine Regelung, die Sozialleistungen nur für maximal zwei Kinder vorsieht. Möglicherweise entschädigt das dann die Kritiker, die sich eine sozialere Partei wünschen und mit einem anderen Vorsitzenden liebäugeln. Die Kinderarmut in Großbritannien ist vergleichsweise hoch.
Im Mai 2026 finden in Großbritannien Kommunalwahlen statt - das ist auch ein wichtiger Prüfstein für Keir Starmer. Bei den letzten Kommunalwahlen legte Reform UK massiv zu.
Christoph Prössl, ARD London, zzt. Liverpool, tagesschau, 30.09.2025 17:00 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke