US-Militär verlässt Bagdad - weitgehend
Die US-Armee verringert ihre Präsenz in Bagdad deutlich. Die irakische Regierung verbucht das als Etappe in einem gemeinsam vereinbarten Abzugsplan. Doch manche Experten warnen vor einer doppelten Gefahr.
"Plötzlicher Abzug der Amerikaner aus Bagdad", titelten einige arabische Zeitungen Ende August. Ohne große Ankündigung verließen US-Truppen das Camp Victory in der Nähe des internationalen Flughafens der irakischen Hauptstadt sowie die Luftwaffenbasis Ain al Assad im Westen des Landes.
Das US-Militär kommentierte die Truppenbewegung zunächst nicht. Ein Berater des irakischen Ministerpräsidenten teilte mit, der Abzug komme überhaupt nicht überraschend. Es gebe Versuche, dieses Thema jetzt aufzublasen, sagte Hussein Allawi im Interview mit dem Sender Sky News Arabia. Dafür gebe es keinen Anlass: "Die Irakische Armee ist inzwischen stark - anders als 2014, zum Zeitpunkt als Mossul vom Islamischen Staat gestürmt wurde und auch anders als 2003."
Auch Sicherheitsexperte Sarmed Al-Byati betont, dass die Truppenbewegungen zwischen der irakischen Regierung und der US-Armee abgesprochen waren: Vereinbart worden sei, dass nur noch eine kleine Zahl von US-Soldaten im Camp Victory und im gemeinsamen Hauptquartier in Bagdad bleibt, um Schläge gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu koordinieren.
Abzug oder Truppenverlagerung?
Rund 2.500 US-Soldaten waren zuletzt im Irak stationiert - ob sich ihre Zahl durch den Abzug aus Bagdad und dem Westen des Landes tatsächlich verringert, ist nicht klar. Viele der Soldaten werden künftig in Erbil im Nordirak stationiert sein, andere möglicherweise nach Nordostsyrien oder Kuwait verlegt.
Diese Etappe der Truppenverschiebung soll bis Ende September abgeschlossen sein, sagt al-Byati. Ein vollständiger Abzug der US-Soldaten aus dem Irak sei dann für Ende 2026 geplant. "Wenn sich bis dahin nichts ändert", so al-Byati.
Könnte der IS wieder erstarken?
Nach mehr als 20 Jahren Präsenz im Land ist ein tatsächlicher Rückzug des US-Militärs noch Zukunftsmusik. Denn daran, dass die irakische Armee alleine die Sicherheit im Land gewährleisten kann, gibt es durchaus Zweifel. Militärisch gilt der IS als weitgehend besiegt, einzelne Terrorzellen sind jedoch weiterhin aktiv - vor allem im Westen des Landes, im Grenzgebiet zu Syrien. Nach Ansicht von Experten ist der Irak weiterhin auf Geheimdienstinformation und Luftunterstützung angewiesen.
Schon in den letzten Jahren agierten die US-Soldaten im Irak eher im Hintergrund - als Berater und Ausbilder der irakischen Armee sowie bei vereinzelten Anti-Terror-Einsätzen.
US-Truppen als Feindbild
Das war 2003 anders: Gemeinsam mit der sogenannten Koalition der Willigen marschierten die USA in den Irak ein und stürzten die Diktatur von Saddam Hussein. Aber auch zwischenzeitlich 170.000 US-Soldaten gelang es nicht, im Irak für Sicherheit zu sorgen.
Im Gegenteil - die Besatzungstruppen galten vielen Irakern als Feindbild, sie werden bis heute verantwortlich gemacht für Bürgerkrieg und Chaos. Nichts als Zerstörung hätten die Amerikaner dem Irak gebracht, sagt ein Verkäufer im Stadtviertel Karrada. Ein älterer Mann fügt hinzu, er glaube nicht an einen Abzug des US-Militärs. Den Amerikanern, so der Tenor auf der Straße, sei alles zuzutrauen und wenig Gutes.
Unwahrscheinliche Allianzen
Schon einmal hatten die USA ihre Soldaten aus dem Irak weitgehend abgezogen - 2011. Aber als der selbsternannte Islamische Staat die irakische Armee drei Jahre später geradezu überrannte, entsandte der damalige US-Präsident Barack Obama erneut Truppen ins Land. Mit gemeinsamen Kräften konnte der Vormarsch der sunnitischen Extremisten gestoppt werden.
Der Kampf gegen den gemeinsamen Feind brachte damals unwahrscheinliche Allianzen zustande. Im Irak gingen auch lokale Kräfte gegen den IS vor - die irakische Armee, ebenso wie kurdische Peschmerga und Zehntausende Kämpfer der Haschd al-Shaabi, der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten.
Wie groß ist der Einfluss des Iran?
Offiziell unterstehen diese inzwischen der irakischen Regierung - einige schiitische Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten werden aber von den iranischen Revolutionsgarden finanziert und ausgerüstet. Manche Experten erwarten daher, dass der iranische Einfluss auf Bagdad in dem Maße zunimmt, in dem das US-Militär seine Truppenstärke reduziert.
Sicherheitsberater al-Byati rechnet nicht damit. Der Iran habe genug eigene Probleme, sagt er und ergänzt mit Nachdruck: "Der Iran hat aktuell definitiv nicht mehr die Macht wie zu Zeiten von Qasem Suleimani."
Suleimani war der mächtige Kommandeur der Quds-Einheit - innerhalb der iranischen Revolutionsgarden verantwortlich für Auslandseinsätze. Anfang 2020 wurde er vom US-Militär in Bagdad getötet. Bei dem Drohnenangriff kam auch einer seiner wichtigsten irakischen Verbündeten ums Leben: Abu Mahdi al-Muhandis, ein Anführer der paramilitärischen Volksmobilisierungseinheiten. In Bagdad wird al-Muhandis als Märtyrer geehrt, sein Porträt ist allgegenwärtig. Auch die wichtigste Straße zum internationalen Flughafen der Hauptstadt ist nach ihm benannt.
Der iranische Einfluss ist auf Bagdads Straßen offensichtlich, dazu kommt die Gefahr weiterer Anschläge durch den IS. Für die US-Regierung sind das offenbar Gründe, die eigene Truppenpräsenz im Land zu reduzieren - ohne sich komplett zurückzuziehen.
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