Drei Jahre ist Meloni nun Ministerpräsidentin von Italien und sitzt fest im Sattel. Schon früh begann sie ihre rechte politische Laufbahn, entwickelte ihren Markenkern - und das Rezept für eine steile Karriere.

1996 ist ein französisches Fernsehteam im römischen Stadtviertel Garbatella unterwegs. In Italien finden bald Parlamentswahlen statt, und die Journalisten begleiten eine junge Aktivistin der rechten Partei Alleanza Nazionale im Wahlkampf - Giorgia Meloni. Was damals wohl niemand ahnen kann: Diese Aktivistin wird einmal die mächtigste Frau Italiens.

Meloni ist damals 19 Jahre und leitet die Jugendsektion der Partei. 40 Mitglieder stehen unter ihrem Kommando, fast nur Jungs. Meloni und ihre Mitstreiter sehen sich als Rebellen, denn Garbatella ist ein Arbeiterviertel, in dem man traditionell eher links wählt.

Doch bei der Jugendsektion der Alleanza Nazionale hängt ein Plakat des faschistischen Diktators Benito Mussolini an der Wand. Das Parteilogo besteht aus einer Flamme in den italienischen Landesfarben, ein Symbol für das ewige Feuer auf dem Grab Mussolinis. "Ich glaube, dass Mussolini ein guter Politiker war. Alles, was er getan hat, hat er für Italien getan - und so etwas findet man nicht bei den Politikern, die wir in den vergangenen 50 Jahren gehabt haben", sagte Meloni damals in flüssigem Französisch.

Der Markenkern und das Erfolgsrezept

Susanna Turco ist Journalistin und hat sich intensiv mit dem Aufstieg der Rechten in Italien beschäftigt. Sie glaubt, selbst 1996 sei es Giorgia Meloni nicht allein um Ideologie gegangen, sondern "um das Dagegensein, nicht um das Selbstverständliche, sondern um das Unerwartete". Eine junge Frau allein unter Linken, gegen den Rest der Welt - diese Erzählung wird so etwas wie der Markenkern der Politikerin Meloni und das Erfolgsrezept für eine steile Karriere.

2008, mit gerade einmal 31 Jahren, wird Meloni vom damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi zur Ministerin für Jugend und Sport ernannt. Berlusconi wird damit ihr erster Lehrmeister für Populismus und Selbstdarstellung. 

Meloni ist immer die Jüngste, immer eine Frau unter Männern, und sie weiß dieses Alleinstellungsmerkmal im italienischen Politikbetrieb für sich zu nutzen. In einem Interview während des Wahlkampfs 2022 sagte sie: "Wenn du eine Frau bist, wirst du oft unterschätzt. Aber das kann dir helfen."

Eigene Partei, zugeschnitten auf Meloni

Nach ihrer Amtszeit als Jugendministerin landet sie in der Opposition und gründet kurz darauf eine eigene Partei: die Fratelli d'Italia. Die Flamme auf Mussolinis Grab brennt im Parteilogo weiter. Zunehmend schneidet sie die Partei auf sich zu. Der Satz "Ich bin Giorgia" wird zu ihrem Leitmotiv. "Ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin Italienerin, ich bin Christin, und das kann mir niemand nehmen", sagte sie 2019 vor jubelnden Anhängern in Rom.

Während Italien mit Regierungskrisen, Corona-Krise und Ukraine-Krise in diesen Jahren im Dauerkrisenmodus versinkt, präsentiert sich Meloni als "echte Opposition" und als Alternative zum "System". Sie sucht zudem den Schulterschluss mit der extremen Rechten in anderen europäischen Ländern, wie etwa mit Vox in Spanien. Dort wettert sie auf einer Wahlkampfveranstaltung gegen "LGBT-Lobby", "Genderideologie" und "Brüsseler Bürokraten".

Zwei Gesichter

Nur wenige Monate später wird sie die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Italiens. Spätestens jetzt fragen sich viele in Europa: Ist Giorgia Meloni wirklich so radikal, so europafeindlich?

Wieder überrascht sie: Anders als der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban arbeitet Meloni mit den Institutionen der EU konstruktiv zusammen. Sie schafft gleichzeitig, was viele europäische Spitzenpolitiker nicht schaffen: Eine Beziehung zu US-Präsident Donald Trump aufzubauen. Und das nicht in Abgrenzung zur EU, sondern mit ausdrücklicher Unterstützung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Während sie sich auf dem internationalen Parkett charmant, weltoffen und staatsmännisch gibt, zeigt sie in Italien ein anderes Gesicht. In der Asylpolitik setzt ihre Regierung auf Abschreckung und Abschottung, errichtet in Albanien Abschiebezentren, erschwert zivilen Seenotrettern die Arbeit. Ein neues Sicherheitsdekret beschneidet das Demonstrationsrecht, führt zahlreiche neue Straftatbestände und Strafverschärfungen ein und erweitert die Befugnisse von Polizei, Geheimdiensten und Militär.

"Um jeden Preis regieren"

Und dann ist da noch Melonis Verhältnis zur Presse. Beim Ukraine-Gipfel in Washington im August dieses Jahres sind die Mikrofone aus Versehen zu früh eingeschaltet. Dabei sorgte ein Satz der italienischen Ministerpräsidentin für Aufsehen, den sie Trump zumurmelt: "Ich will nie mit meiner Presse sprechen", und bezog sich auf die Journalisten in ihrem eigenen Land. Pressekonferenzen und Interviews gibt Meloni äußerst selten. Auch die ARD hat mehrfach ein Interview angefragt, ohne Erfolg.

Meloni setzt auf die sozialen Medien - ohne Gegenfragen, ohne Widerspruch. Hier setzt sie sich perfekt in Szene: als Mutter, als Patriotin, als Außenseiterin oder als verantwortungsvolle Staatschefin. Nie spontan, immer wohlüberlegt. "Es ist gibt eine Giorgia, die um jeden Preis regieren will und dafür praktisch jeden Kompromiss eingeht", so Meloni-Biografin Susanna Turco. "Und dann gibt es die Giorgia, die erzählt, dass sie alles verändern will. Das ist ihre Strategie."

Für viele Italienerinnen und Italiener ist Giorgia Meloni momentan vor allem eines: Ein Garant für Stabilität. Nicht ausgeschlossen, dass ihre Regierung die beständigste der italienischen Nachkriegsgeschichte wird.

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