EU stellt Abkommen mit Israel infrage
Laut EU-Chefdiplomatin Kallas will eine "starke Mehrheit" der Außenminister das Partnerschaftsabkommen der EU mit Israel überprüfen. Grund ist die Lage im Gazastreifen - dort warten erste Hilfslieferungen auf ihre Verteilung.
Angesichts der Lage im Gazastreifen stellt die EU ihr Partnerschaftsabkommen mit Israel infrage. Nach Angaben von EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas sprach sich bei einem Außenministertreffen in Brüssel eine "starke Mehrheit" dafür aus, zu überprüfen, ob Israel sich noch an die Grundprinzipien des im Jahr 2000 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel hält.
Zu den Grundprinzipien gehört, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auch auf der Achtung der Menschenrechte beruhen. Unter anderem aus den Niederlanden wird Israel vorgeworfen, dieses Grundprinzip zu verletzen.
Deutschland gehörte bei dem Ministertreffen nach Angaben von Diplomaten zu den Ländern, die sich gegen eine Überprüfung aussprachen. Die Bundesregierung argumentiert unter anderem, dass sie die bestehenden Gesprächskanäle zu Israel nicht gefährden will.
Kallas: Israels Kursänderung nicht ausreichend
Hintergrund ist insbesondere, dass das Land seit Anfang März kaum noch Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen lässt, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben. Israel begründete sein Vorgehen damit, dass die islamistischen Hamas von den Hilfsgüter-Lieferungen profitiere.
"Die Situation in Gaza ist katastrophal", sagte Kallas in Brüssel. Die Hilfsgüter, die Israel zuletzt wieder in das Gebiet gelassen habe, seien zu begrüßen, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Solange keine Überprüfung der israelischen Vertragstreue stattgefunden hat, wollten die Niederlande einer derzeit geplanten Verlängerung der Geltungsdauer eines EU-Israel-Aktionsplans um zwei Jahre nicht zustimmen. Das Abkommen fördert nach EU-Angaben die Integration Israels in europäische Politik sowie in Programme und ist eine Grundlage für die Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Vertragsparteien.
Kein Zeitplan für Überprüfung
Kallas sagte nach dem EU-Außenministertreffen in Brüssel, dass es keinen Zeitplan für die beschlossene Überprüfung gebe. Während das Verfahren in Gang sei, hoffe man darauf, dass Israel die Blockade der Hilfslieferungen beenden werde.
Die EU-Staaten würden ein starkes Zeichen senden wollen, dass das Leid der Zivilbevölkerung ein Ende haben müsse. Intensive Diskussionen über das Partnerschaftsabkommen mit Israel hatte es in der EU bereits im vergangenen Jahr gegeben. Sie waren von Spanien und Irland ausgegangen.
Scharfe Kritik aus Israel
Israel kritisierte die Entscheidung. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein warnte, die Kritik an Israel werde die Position der Hamas in den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter verhärten. Die Hamas habe Israel den Krieg aufgezwungen.
"Wir lehnen den in der Erklärung eingeschlagenen Kurs rundum ab", so Marmorstein. Der Schritt spiegele "ein völliges Fehlverständnis der komplexen Realität wider, mit der Israel konfrontiert" sei.
Lob des "längst überfälligen und notwendigen" Schritts kam vom Außenministerium der gemäßigten Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah. Die Behörde wirft Israel unter anderem schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte in den Palästinensergebieten vor.
Hilfslieferungen im Gazastreifen wohl noch nicht verteilt
Am zweiten Tag nach Ende der israelischen Blockade für Hilfslieferungen für den Gazastreifen sind nach Angaben Israels 93 Lastwagen mit Gütern in das Gebiet gebracht worden. Die humanitäre Hilfe umfasse Mehl für Bäckereien, Babynahrung, medizinische Ausrüstung und Medikamente, teilte die für Palästinenserangelegenheiten zuständige Behörde Cogat am Abend mit.
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind die Hilfslieferungen bislang jedoch nicht bei der Bevölkerung angekommen. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte, die Hilfen hätten zwar das Küstengebiet erreicht. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien aber nicht in der Lage gewesen, sie an Verteilpunkte zu bringen.
Israel kündigt Dutzende Hilfstransporte pro Tag an
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums hatte zuvor angekündigt, dass Israel in den kommenden Tagen täglich die Einfahrt Dutzender Hilfstransporter in den Gazastreifen ermöglichen werde. Am Montag kam erstmals seit fast drei Monaten wieder humanitäre Hilfe in das umkämpfte Gebiet, israelischen Angaben zufolge aber zunächst nur fünf Lastwagen. Die UN und Hilfsorganisationen warnten erneut vor einer Hungersnot in dem Küstenstreifen.
Israel zieht Verhandlungsführer aus Katar ab
Aus Mangel an Fortschritten bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe im Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen will Israel seine führenden Unterhändler aus Katar abziehen. "Nach etwa einer Woche intensiver Gespräche in Doha wird das ranghohe Verhandlungsteam zu Beratungen nach Israel zurückkehren, während die Vertreter der Arbeitsebene vorerst in Doha bleiben", teilte das Büro des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu mit.
Israel stimme einem Abkommen zu, wie es der US-Sondergesandte Steve Witkoff in der Vergangenheit vorgeschlagen hat, hieß es weiter. Der Entwurf sieht die Freilassung von Entführten sowie eine längere Waffenruhe vor. Die Hamas lehne den Plan aber weiterhin ab, erklärte Netanjahus Büro. Auch der Außenminister des Vermittlers Katar, Mohammed bin Abdulrahman al-Thani, hatte zuvor mitgeteilt, er sehe bei den jüngsten Gesprächen keine Fortschritte.
Kämpfe gehen unvermindert weiter
Unterdessen gehen die Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen unvermindert weiter. Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe massive Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. Inzwischen sind dort auch Bodentruppen im Einsatz. Das erklärte Ziel der israelischen Regierung ist es, die islamistische Terrororganisation Hamas vollends zu zerschlagen sowie die von Extremisten noch immer festgehaltenen Geiseln zu befreien. Netanjahu bestätigte zudem öffentlich Pläne, dass seine Regierung die Einnahme des gesamten Gazastreifens verfolgt.
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