Wäre der deutsche Taurus ein Gamechanger im Ukraine-Krieg?
«Pass auf dich auf, du kannst mich jederzeit anrufen»: Mit diesen Worten verabschiedete sich der deutsche Kanzler Friedrich Merz von Wolodimir Selenski, als er ihn vor zwei Wochen in Kiew besuchte – gemeinsam mit dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Heute nun empfängt Merz den ukrainischen Präsidenten in Berlin. Deutsche Medien sehen die «Stunde der Wahrheit» anbrechen: Steht Deutschland unter seinem neuen Kanzler wirklich derart unverbrüchlich hinter der Ukraine – auch und vor allem, wenn es um die militärische Unterstützung geht?
Der Taurus spaltet Deutschland
Zum Lackmustest dürfte die Lieferung von deutschen Langstreckenwaffen werden, mit denen die Ukraine auch tief in russischem Territorium angreifen könnte, konkret der Taurus-Marschflugkörper. Die Waffen haben eine enorme Sprengkraft und eine Reichweite von 500 Kilometern. Im Wahlkampf forderte Merz, dass man die Ukraine mit dem Taurus ausrüsten müsse. Für SPD-Kanzler Olaf Scholz war dies jahrelang ein Tabu. Inzwischen fordern auch die Grünen die Taurus-Lieferung.
Politisch ist der Taurus umstritten. Aber was würde er der Ukraine militärisch bringen? Wäre er gar ein Gamechanger? Diese Frage kann Christian Mölling beantworten: «Der Hauptzweck des Taurus ist, tief eingegrabene Stellungen wie Bunker und gefestigte Gefechtsstände zu treffen», erklärt der Sicherheits- und Militärexperte am European Policy Center. «Letztlich ist der Taurus aber ein spezialisiertes Waffensystem. Für viele andere Dinge im Krieg braucht es andere Waffen.»

Dazu kommt: Um die Art der Kriegführung mit solchen Marschflugkörpern nachhaltig zu verändern, muss der Druck auf die russischen Streitkräfte dauerhaft aufrechterhalten werden. «Denn alles, was zerstört wird, kann auch wieder aufgebaut werden», sagt Mölling.
Heisst: Es bräuchte stetigen Nachschub aus Deutschland. «Ansonsten wird Russland einfach warten, bis sich die Ukrainer leer geschossen haben und wieder auf Stellungen vorrücken, die vorher unter Bedrohung des Taurus gelegen haben.» Allerdings: Deutschland verfügt derzeit nur über 300 einsatzbereite Taurus-Raketen.
Friedenslösung scheint derzeit fern
Ausdauer bei Waffenlieferungen könnte gefragt sein: Der dünne Gesprächsfaden zwischen Kiew und Moskau ist abgerissen. Die russischen Luftangriffe sind heftiger denn je. Dass Deutschland nun tatsächlich den Taurus in die Ukraine liefert, hält SRF-Auslandredaktor Peter Voegeli aber für eher unwahrscheinlich.
«Die Rhetorik und die Symbolik sind zwar verbindlicher geworden: Merz versucht die Führungsrolle Deutschlands auszufüllen», sagt Voegeli. Es sei aber nicht zu erwarten, dass der Bundeskanzler heute die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern bekannt geben werde. «Was Merz über die Aufhebung von Reichweitenbeschränkungen gesagt hat, war ja bereits Tatsache.»
So wie Berlin in Sachen Russland tickt, wird sich auch Europa aufstellen.
Und: Deutschland verfolge das Ziel, einen dauerhaften Frieden für die Ukraine zu erreichen. «Merz will die USA im Boot behalten, um Russland zu ernsthaften Gesprächen an den Verhandlungstisch zu bringen. Europa allein hat dazu zu wenig Gewicht.»
Für Voegeli ist aber auch klar: «So wie Berlin in Sachen Russland tickt, wird sich auch Europa aufstellen.» Deutschland sei der entscheidende Player innerhalb der EU, was das Verhältnis zu Russland angehe. «Ich denke, das hat auch Merz begriffen.»
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