Neue Kritik an Israels Vorgehen
Israels Vorgehen in Gaza löst zunehmend auch in Deutschland Kritik aus. Kanzleramtschef Frei hinterfragte die israelische Kriegsstrategie, betonte aber das "besondere Verhältnis". Die Holocaust-Überlebende Knobloch wehrt sich gegen Kritik.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hat angesichts der Debatte über das Vorgehen Israels im Gazastreifen davor gewarnt, das deutsche Verhältnis zu Israel infrage zu stellen. "An der Verbundenheit zu Israel darf kein Zweifel bestehen", sagte Frei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Das besondere Verhältnis zu Israel steht über allen anderen Erwägungen."
Es sei aber "legitim", Zweifel an der israelischen Strategie anzumelden, fügte er hinzu. "Die Bevölkerung im Gazastreifen wird in einer Art und Weise in Mitleidenschaft gezogen, dass man Zweifel haben kann, ob die Regeln des Völkerrechts noch eingehalten werden", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf fehlende Versorgung der Zivilbevölkerung mit Nahrungsmitteln und blockierte Hilfslieferungen. Diese "Gesamtsituation" müsse man "auch unter Freunden offen ansprechen können". Es müsse klar sein, "dass in einem Rechtsstaat ebenso wie im Völkerrecht immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" gelte.

Kanzleramtsminister Frei wirbt für einen offenen Dialog mit Israel.
Frei: Waffenlieferungen "grundsätzlich richtig"
Frei sieht Forderungen, alle Waffenlieferungen an Israel einzustellen, wie es andere Länder in Europa derzeit diskutieren, "äußerst skeptisch". "Wir stehen zu unserer besonderen Verantwortung für Israel. Israel steht in einem permanenten Existenzkampf gegen seine Nachbarn und hat ein legitimes Interesse, sich verteidigen zu können. Deswegen sind Lieferungen von Rüstungsgütern aus Deutschland grundsätzlich richtig", sagte der Kanzleramtsminister.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, teilt die lauter werdende Kritik am Vorgehen Israels zu fehlenden Hilfsleistungen im Gazastreifen nicht. "Sind die Geiseln frei, kann man über alles reden", sagte die Holocaust-Überlebende der Nachrichtenagentur dpa.
Knobloch: Geiseln hierzulande kaum noch Thema
Ihr liege zunächst das Schicksal der israelischen Geiseln am Herzen. "Aber dieses Thema, das die aktuelle Situation hervorgerufen hat, steht hierzulande leider kaum noch auf der Tagesordnung."
Rufe und Forderungen nach einem Ende der israelischen Interventionen lässt Knobloch nicht gelten: "Weder politisch noch moralisch kann von den Israelis verlangt werden, diesen Schmerz einfach zu vergessen. Gegenüber einer mörderischen Bedrohung wie der Hamas darf Israel nicht tatenlos bleiben." Diese "einfache Tatsache" müsse bei allen Differenzen über Israels Vorgehen Grundlage internationaler Solidarität mit Israel bleiben - gerade auch in Deutschland. "So viel Klarheit darf man verlangen."

Charlotte Knobloch: "So viel Klarheit darf man verlangen"
Knobloch erklärte auf Nachfrage, dass sie die jüngst auch von Kanzler Friedrich Merz (CDU) geäußerten Zweifel am israelischen Vorgehen nicht teile: "Es sind die Terroristen, die das unsägliche Leid ausgelöst haben und bis heute verlängern."
Merz hatte unter anderem erklärt, dass es sich auch mit dem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas nicht begründen lasse, wie Israel die palästinensische Zivilbevölkerung "in den letzten Tagen immer mehr" unter Druck gesetzt habe. Außenminister Johann Wadephul (CDU) kündigte bereits Konsequenzen an. Er wolle wegen des israelischen Vorgehens im Gazastreifen deutsche Waffenlieferungen überprüfen und möglicherweise einschränken, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Neue Großoffensive in Gaza seit zwei Wochen
Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seither kämpft Israels Militär in dem - inzwischen großflächig zerstörten - Küstengebiet gegen die Hamas. Vor knapp zwei Wochen startete es eine neue Großoffensive. Die Notlage der rund zwei Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen hat sich drastisch verschärft.
Nach einer fast 80-tägigen Blockade des abgeriegelten Gebiets durch Israel würden die Bewohner "nicht mehr einfach nur zusehen, wie Nahrung an ihnen vorbeifährt", hieß es vom UN-Welternährungsprogramm (WFP). Eine große Zahl hungernder Menschen habe im Gazastreifen 77 Lastwagen mit Hilfsgütern auf dem Weg zu den Verteilungszentren gestoppt, gestürmt und geplündert. Das postete die Organisation mit Sitz in Rom auf der Plattform X.
Um das Vertrauen in die Hilfslieferungen und ihre sachgemäße Verteilung wiederherzustellen, müsse der Gazastreifen jetzt "mit Nahrungsmitteln geflutet werden", so das WFP. Die Organisation sei dazu in der Lage. "Wir haben genügend Nahrung (auf Lager), um alle 2,2 Millionen Bewohner (des Gazastreifens) zwei Monate lang zu versorgen", hieß es in dem Beitrag auf X weiter. Dazu bedürfe es aber sicherer Verkehrswege im Gazastreifen, schnellerer Genehmigungsverfahren auf der israelischen Seite und letztlich einer Waffenruhe in dem seit fast 20 Monaten anhaltenden Krieg.
Israel blockiert Treffen arabischer Minister
Unterdessen blockiert Israel ein geplantes Treffen arabischer Minister in der palästinensischen Verwaltungshauptstadt Ramallah im besetzten Westjordanland. Israel werde das Treffen arabischer Minister in Ramallah nicht zulassen, erklärte ein israelischer Regierungsvertreter. Diese wollten an einem "provokanten Treffen" teilnehmen, um die Gründung eines palästinensischen Staates zu fördern. "Ein solcher Staat würde zweifellos zu einem Terrorstaat im Herzen des Landes Israel werden." Israel werde solche Schritte, die darauf abzielten, dem Land und seiner Sicherheit zu schaden, nicht unterstützen.
Die Außenminister verschoben den geplanten Besuch daraufhin auf unbestimmte Zeit. Dies teilte das jordanische Außenministerium mit. Die israelischen Behörden hätten den Ministern aus Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten und Jordanien signalisiert, die Einreise über den von Israel kontrollierten Luftraum nicht zuzulassen.
Palästinenser-Behörde und arabische Minister kritisieren Israel
Die Außenminister verurteilten die mutmaßliche israelische Entscheidung, den Besuch zu blockieren, und bezeichneten sie als "eklatante Verletzung der Verpflichtungen Israels als Besatzungsmacht". Der Vizepräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Hussein al-Scheich, nannte Israels mutmaßlichen Schritt eine "gefährliche Eskalation". Mit Partnern würde die PA prüfen, wie sie darauf reagieren werde.
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