Was bezweckt Trump?
US-Präsident Trump schickt 700 Marines und Tausende Nationalgardisten nach Los Angeles. Damit verschärft er den Machtkampf mit Kaliforniens Gouverneur Newsom. Darf er das? Lenkt er damit von Misserfolgen ab?
Es ist ein Konflikt auf mehreren Ebenen und er scheint immer weiter zu eskalieren. Längst geht es um mehr als den Protest gegen die Abschiebung von Migranten. Es ist eine persönliche Fehde zwischen Donald Trump und dem Gouverneur von Kalifornien, dem Demokraten Gavin Newsom. Und vor allem geht es um die Frage, ob der US-Präsident das Recht hat, Militär gegen Zivilisten einzusetzen - und was er damit bezweckt.
Trump nannte die Protestierenden in Los Angeles bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus "professionelle Agitatoren und Aufständische". Wenig später ergänzte der Präsident: "Gott sei Dank haben wir einige wundervolle Nationalgardisten dort hingeschickt."
Soldaten nicht für Einsatz gegen Zivilisten ausgebildet
Trump hat dies gegen den Willen von Kaliforniens Gouverneur Newsom getan. Der republikanische Senator Tom Cotton aus Arkansas verteidigt den Präsidenten: "Die Gesetzeslage ist vollkommen klar", meint Cotton im Fernsehsender Fox News. "Die Nationalgarde, die traditionell der Autorität des Gouverneurs des jeweiligen Bundesstaats untersteht, kann vom Präsidenten dem eigenen Kommando unterstellt werden, um die grundsätzliche Ordnung wiederherzustellen und Bundesrecht durchzusetzen."
Der demokratische Kongressabgeordnete Seth Moulton aus Massachusetts widerspricht: "Man setzt Truppen in Amerika nur in den extremsten Ausnahmefällen ein", sagt Moulton bei CNN. "Weil wir eine Demokratie sind. Und man das Militär nicht politisiert, in dem man es auffordert, gegen amerikanische Bürger vorzugehen."
Soldaten seien nicht für den Einsatz gegen demonstrierende Zivilisten ausgebildet, betont Hamin Shamsi, Sicherheitsexpertin der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union. Sie befürchte, dass sich der Präsident einen Blankoscheck ausstellen wolle, um das Militär später nicht nur in Los Angeles, sondern überall im Land einzusetzen, wo Menschen gegen Razzien der Einwanderungsbehörde demonstrieren wollten, sagt Shamsi im Radiosender NPR.
Was ist die rechtliche Grundlage für Trumps Eingriff? In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. US-Präsident Trump hat nun aber unter Berufung auf den sogenannten Title 10 des Kodex der Vereinigten Staaten das Kommando über die Nationalgarde in Kalifornien übernommen. Er stützt den Schritt unter anderem auf eine Bestimmung des Title 10, die dem Präsidenten im Falle einer "Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten" erlaubt, die Kontrolle über die Nationalgarde an sich zu ziehen. Trump argumentiert, die Proteste gegen die Beamten der Einwanderungsbehörde seien eine Rebellion gegen die Bundesregierung.Ablenkung von Misserfolgen?
Die Vorwürfe von Trump-Kritikern reichen noch weiter. "Das alles dient dazu, von den Misserfolgen der Trump-Regierung in anderen Bereichen abzulenken", so der Demokrat Alex Padilla, der Kalifornien im US-Senat vertritt, bei CNN. "Die Zölle sind ein großer Misserfolg, es gibt keinen Frieden zwischen Russland und der Ukraine, Trumps großes Steuer- und Haushaltsgesetz hängt in der Luft. Von all dem wird jetzt abgelenkt durch die Krise, die er in Los Angeles geschaffen hat."
Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hat gegen den Einsatz der Nationalgarde Klage eingereicht, Trumps Grenzschutzbeauftragter Tom Homan hat zwischenzeitlich mit Newsoms Festnahme gedroht. Kommen tatsächlich auch die inzwischen nach Los Angeles beorderten Soldaten der US-Marines zum Einsatz, wäre dies eine weitere Eskalation der Lage.
"So etwas haben wir noch nie gesehen"
Ken Cuccinelli, in Trumps erster Amtszeit Vize-Heimatschutzminister, meint bei CNN: "Den nächsten Schritt zu gehen würde die Ernsthaftigkeit noch einmal verstärken. Aber Präsident Trump wird tun, was er für richtig hält, um auf den Straßen von Los Angeles für Ruhe zu sorgen."
Aus Sicht von Juliette Kayyem, die an der Universität Harvard unterrichtet, würde der Präsident mit einem Einsatz der Marines endgültig seine von der Verfassung gewährten Rechte überdehnen. "Dort draußen auf der Straße ist ein solcher Einsatz nicht notwendig. Dieses Ausmaß haben die Proteste eindeutig nicht. Wir sind nicht in einer Art von Notstand oder Krise, wie sie der Präsident und seine Minister zeichnen", so Kayyem bei PBS. Ihr Fazit: "So etwas haben wir noch nie gesehen."
Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 10.06.2025 07:38 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke