Wo der NATO-Streit keine Rolle spielt
Trumps Kritik hat die NATO tief verunsichert. Wirkt sich das auch im Alltag aus? Bei der gemeinsamen Ausbildung von Kampfpiloten im US-Bundesstaat Texas zeigt sich: In der Praxis ist der Streit weit weg.
Wenn die Kampfjets in Formation fliegen, donnern sie zum Teil nur wenige Meter voneinander entfernt am Himmel. Mit dabei: die Pilotenschüler Aaron und Erik. Sie sitzen jeweils vorne im Cockpit. Hinter ihnen die Ausbilder Jonas und Ryan. Gerade seine ersten Formationsflüge hätten ihm Respekt eingeflößt, sagt der 25-jährige Erik. Er hat seine Ausbildung auf der Sheppard Air Force Base in Texas fast abgeschlossen. Voraussichtlich im September geht es für ihn zurück nach Deutschland.

Aaron und sein Fluglehrer Jonas. Nach zwölf Stunden und zwei Flügen neigt sich der Arbeitstag dem Ende zu.
Internationales Ausbildungsprogramm
Insgesamt 55 Wochen dauert das sogenannte ENJJPT. Die Abkürzung steht für Euro-NATO Joint Jet Pilot Training. Das Programm ist nach Angaben der Bundeswehr weltweit einzigartig: Nur hier bilden mehrere Nationen unter gemeinsamer Verwaltung Luftwaffenpiloten aus.
Darauf sind nicht nur die US-Amerikaner und die Deutschen stolz. Insgesamt 14 NATO-Staaten beteiligen sich momentan. Vor mehr als 40 Jahren startete die gemeinsame Ausbildung. Die Idee: Angehende NATO-Pilotinnen und -Piloten sollen nicht nur das Fliegen von Kampfjets lernen. Hier arbeiten Norweger mit Rumänen, Italiener mit Kanadiern und der norddeutsche Pilotenschüler Erik mit dem US-amerikanischen Ausbilder Ryan zusammen.

Erik und Aaron besprechen die Manöver mit ihren Fluglehrern. Die Teams sind international besetzt.
Vertrauen lernen, Missverständnisse ausschließen
Es geht auch darum, zu verstehen, wie Soldatinnen und Soldaten anderer Nationen ticken. Über die Deutschen habe er gelernt, dass sie im Job sehr ernst seien, sagt Ryan. Gleichzeitig hätten sie Humor. Am Anfang habe er manchmal nicht unterscheiden können: Ist das jetzt ein Witz oder nicht?
Sich trotz solch kultureller Unterschiede verstehen und einschätzen zu können, sei wichtig für den Ernstfall, erklärt der Amerikaner. Die Besatzung der Jets wechselt ständig. Meist erfahren die angehenden Pilotinnen und Piloten am Vortag, mit welchem Ausbilder sie unterwegs sind.
Erik, Aaron, Jonas und Ryan beugen sich gemeinsam über die Flugkarte. Detaillierte Besprechungen, die Briefings, sind vor und nach jedem Flug Pflicht. Ein Manöver, das sie hier trainieren: Tiefflug. Bei gutem Wetter fliegen sie dann nicht einmal 200 Meter über dem Boden. Da bleibt wenig Platz für Missverständnisse. "Wenn wir in einen echten Konflikt geraten, haben wir hier gelernt, dass wir uns aufeinander verlassen können", so Ryan.
Er habe hier während seiner Kampfpilotenausbildung echte Freunde gefunden, erzählt der deutsche Ausbilder Jonas. Er sei noch in Kontakt mit ehemaligen Kameraden aus Rumänien und der Türkei. Gerade erst habe er Urlaub mit US-amerikanischen und kanadischen Freunden gemacht.

Die Jetpiloten tragen Spezialausrüstung: Die Anti-g-Hosen sollen ein Absacken des Bluts aus dem Kopf verhindern.
Wichtiger Ausbildungsort für die Luftwaffe
Die Ausbildung in Texas ist ein Meilenstein auf dem Weg zum Kampfpiloten. Auf dem Rollfeld flirrt die Luft, wenn die Jets losrollen und abheben. 250 bis 280 Starts pro Tag, damit ist der Flugplatz nach Angaben der Air Force der verkehrsreichste zivil und militärisch genutzte Flughafen der US-Luftwaffe. Erik, Aaron und die anderen fliegen Trainingsjets. Wie die verschiedenen Waffensysteme, also zum Beispiel der Eurofighter, funktionieren, lernen die Pilotinnen und Piloten später.
Wer für die Luftwaffe Kampfjets fliegen will, landet automatisch in den USA. In Texas werden alle deutschen Kampfpilotinnen und -piloten ausgebildet, bei der US-Air-Force sind es nach eigenen Angaben 50 Prozent. Ein Vorteil der Zusammenarbeit: Die teilnehmenden Staaten teilen sich die Kosten. Reihenweise stehen die Trainingsflieger auf dem Rollfeld. Zum Teil gehören sie Deutschland.

Die Jetpiloten trainieren in Texas. Das Wetter ist meistens gut und die Umgebung ist größtenteils dünn besiedelt.
Deutschland, ein enger Ausbildungspartner der US-Air Force
Er selbst sei von Deutschen ausgebildet worden, erinnert sich der US-amerikanische Kommandeur, Colonel Jeffrey D. Shulman. Die Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, wie instabil die Welt momentan sei, habe er immer im Kopf und vermittle das auch den Pilotinnen und Piloten. Man wisse nicht, wie viel Vorbereitungszeit bleibe, wenn der Ernstfall eintrete und die NATO sich verteidigen müsse.
Auch wenn sich die Vereinigten Staaten in der komfortablen Situation befinden, von zwei Ozeanen umgeben und damit geschützter als andere NATO-Staaten zu sein: Durch die Möglichkeit von Cyber-Attacken und modernen Waffensystemen seien die USA verwundbarer geworden. Zur US-Außenpolitik und damit Donald Trumps Haltung zur NATO könne er sich nicht äußern. "Über meiner Gehaltsstufe", erklärt er.
Aber man sehe bei ihnen an der Basis: Das Team stehe eng zusammen. Es zähle nur, die gemeinsame Mission zu erfüllen. Und wenn man ihn frage, ob die Beziehungen zwischen den Nationen eng seien, sei seine Antwort klar: "Ja, das sind sie!"
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