Deutschland hat mehr als 80 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Was ist mit ihnen nach der Ankunft passiert? Klar ist - die Taliban nutzen sie für ihre Inszenierung.

Sie sitzen barfuß auf dem Boden in einem länglichen, hellgetünchten Raum mit vergitterten Fenstern. Manch einer in Kapuzenjacke, andere bereits mit afghanischer Kopfbedeckung. Sie essen mit Plastikgabeln aus Einwegverpackungen. Kleine Wasserflaschen stehen vor den Männern. Die afghanische Grenzpolizei teilt auf Facebook ein Video.

"Kommt näher, setzt euch zu uns", winkt ein kräftiger Mann sie heran. Es ist Abidullah Farooqi, der Sprecher der afghanischen Grenzpolizei. Er empfängt die Abgeschobenen nicht in Uniform, sondern in einem traditionellen dunkelblauen Gewand. Auch ein Kollege neben ihm ermuntert die Männer, die heranrutschen: "Wir sind alle Menschen dieses Heimatlandes. Zwischen uns gibt es keine Unterschiede."

Um Anerkennung bemüht

Die Taliban sind um internationale Anerkennung bemüht. Die haben sie bislang nur von Russland vollständig erhalten. Die militant-islamistischen Taliban nutzen die Gunst der Stunde, den politischen Druck in Deutschland. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hatte angekündigt, direkt mit ihnen zu verhandeln.

Vorerst läuft die Show mit den Abgeschobenen, darunter sind nicht wenige verurteilte Mörder und Sexualstraftäter. Für ihre Opfer und deren Angehörige in Deutschland dürften die inszenierten Bilder wie Hohn sein. Die Abgeschobenen reden: "Sie haben uns hier willkommen geheißen und umarmt. Sie meinten: 'Wir sagen euch nicht: Kommt nicht zurück. Ihr seid selbst gekommen. Willkommen in eurem Zuhause.'"

Menschen warten vor dem Ankunftsterminal in Kabul.

Ein anderer sagt: "Wir waren angespannt, wie unsere Zukunft in Afghanistan sein wird. Aber das 'Islamische Emirat' hat uns mit Respekt begrüßt. Und darüber sind wir froh. Wir müssen einander helfen und unser Land aufbauen."

Und ein Dritter berichtet: "Vorher gab es Leute, die uns sagten: 'Das sind Islamisten, und die schlagen euch sofort die Köpfe ab.' Aber so ist es nicht gekommen."

Die abgeschobenen Männer werden mit einem Bus in eine Unterkunft auf dem Flughafengelände gebracht.

Lachen über Kopf-ab-Handbewegung

Der Mann macht eine Kopf-ab-Handbewegung über seine Kehle und löst Lachen aus. Eine willkommene Botschaft nach außen und nach innen: Warum ins Exil gehen, da kommt ihr nur vom rechten Weg ab.

Können die Männer frei sprechen? Zumindest über Deutschland schon. Basit - im knallroten T-Shirt - wurde registriert und darf zu seiner Familie. Die muss bürgen, dass er nicht mehr straffällig wird. Er habe keine Straftat begangen, beteuert Basit, nur sein Asylantrag sei abgelehnt worden.

Nochmal nach Deutschland?

Der Mann aus der nordafghanischen Provinz Masar-i-Scharif lacht ins Mikro eines lokalen ARD-Teams: "Auf keinen Fall. Ich bleib' erstmal bei meiner Familie", sagt er. Zehn Jahre habe er in Deutschland geackert, die Schule besucht, ein Praktikum gemacht und gearbeitet. "War alles am Ende umsonst", sagt er. "Wir bedanken uns trotzdem - Hauptsache, wir sind wieder in unserer Heimat und wir bauen unsere Heimat auf."

Überprüfen lassen sich die Aussagen Basits nicht.

Fehlendes Vertrauen

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl weist darauf hin, dass auch Menschen mit Bewährungsstrafen im Flugzeug gewesen seien und prüft einen Fall. Mit diesem "Fall" sei ihre Tochter verlobt, sagt eine Deutsche, die anonym bleiben will. Weil sie Angst hat, die Taliban könnten ihre Aussage hören und Schlüsse auf das Vergehen des Verlobten ziehen. So wünscht sie sich vielmehr von der Bundesregierung: "Differenzierung zwischen Schwerst- und Schwerverbrechern und welchen, die Bewährungsstrafen bekommen haben."

Vor der Flagge der Taliban

Abidullah Farooqi, der Sprecher der afghanischen Grenzpolizei, sitzt indes im Büro vor der Flagge des "Taliban-Emirats" - darauf das islamische Glaubensbekenntnis, die Schahada, schwarz auf weiß. "Wir sind hier auf dem Flughafen verantwortlich für die Flüchtlinge - und das 24 Stunden am Tag. Wir kümmern uns, ihnen wird geholfen", sagt er. "Das ist unsere gemeinsame Heimat. Warum sollten wir sie bestrafen? Wir müssen unserem Führer gehorchen - und er vergibt. Wir haben sie gecheckt. Es sind afghanische Flüchtlinge, und sie sind unschuldig."

Grenzpolizei-Sprecher Farooqi stellt sich demonstrativ hinter die abgeschobenen Männer.

Nach Angaben des Innenministeriums sind sie aber unter anderem wegen versuchten Tötungsdelikten, gefährlicher Körperverletzung, Sexualstraftaten und Drogenhandel verurteilt worden.

Die Inszenierung der Taliban

Die Taliban inszenieren Afghanistan als sicheres Land. Sie wollen zudem zeigen, dass sie nicht nachtragend seien. Die 81 Abgeschobenen waren einst aus ihrer Heimat geflohen. Nach einem Abschiebeflug im vergangenen Sommer war nicht bekannt geworden, ob es später doch noch eine Strafverfolgung gegeben hat.

Delikte wie Gewalt gegen Frauen haben in Afghanistan einen völlig anderen Stellenwert. Frauen sind hier entrechtet, unterdrückt und werden als minderwertig angesehen. Zudem wollen die Taliban ein seriöses Image für Verhandlungen, die sie letztlich auf internationalem Parkett salonfähig machen würden.

Den Taliban, so scheint es, kam der Abschiebeflug aus Deutschland gleich aus mehreren Gründen gelegen.

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