Die Ankündigung Macrons, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, lässt viele Fragen offen. Welche Gebiete sollen zu dem Staat gehören - und wie realistisch ist der Plan des französischen Präsidenten?

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat mit seiner Ankündigung, die palästinensischen Gebiete bei der UN-Generaldebatte im September als Staat anerkennen zu wollen, für internationales Aufsehen gesorgt. Während Israel und die USA massiv Kritik an Macron üben und Berlin noch abwarten will, begrüßen Palästinenser die Haltung Frankreichs.

Aber was ist derzeit von den palästinensischen Gebieten übrig geblieben, in denen ein künftiger Staat Palästina Platz haben würde?

Unklar, welche Gebiete anerkannt werden sollen

Aaron David Miller, einer der erfahrensten US-Nahost-Experten, bringt den Vorstoß des französischen Staatspräsidenten zutreffend auf den Nenner: Es sei ein "starkes Symbol, aber es ändert nichts für die Palästinenser". Macrons Ankündigung sei vor allem symbolisch, wie Miller gegenüber der New York Times sagte.

Und Roger Cohen, seit Jahrzehnten kenntnisreicher Kolumnist der New York Times, stellt die entscheidende Anschlussfrage: Es sei unklar, welche Gebiete Frankreich als Teil eines palästinensischen Staates anerkennen würde.

Der Gazastreifen, das besetzte Westjordanland und der 1981 von Israel annektierte Ostteil Jerusalems werden unverändert als palästinensische Gebiete bezeichnet. Nach dem Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der anschließenden israelischen Kriegsführung im Gazastreifen sind allerdings diese palästinensischen Gebiete heute weiter denn jemals zuvor davon entfernt, ein künftiges gemeinsames Staatsgebilde formen zu können.

Alles andere als realitätsnah

In seinem Schreiben an den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, der von zahlreichen Palästinensern seit Langem als macht- und einflusslos betrachtet wird, schreibt Macron unter anderem: "Vertrauen, Klarheit und Engagement" seien jetzt erforderlich. "Wir werden den Frieden gewinnen."

Macrons Worte lassen darauf schließen, dass er davon überzeugt sei, "dass ein Weg zur Zwei-Staaten-Lösung weiterhin besteht", analysiert Kolumnist Cohen in der New York Times, obgleich die Aussichten weiter denn je davon entfernt seien, dieses Ziel zu erreichen.

Richtig ist, dass der Vorstoß des französischen Präsidenten derzeit alles andere als realitätsnah ist: Der Gaza-Krieg wird unverändert fortgesetzt, die US-geführten Vermittlungsversuche für einen Waffenstillstand sind erneut ins Stocken geraten und die israelischen Geiseln werden nach wie vor von der Hamas festgehalten.

Gebiete weiter von einander entfernt denn je

In Ermangelung eines politischen Plans für die Zeit nach einem Kriegsende, den Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seit dem Terrorüberfall der Hamas nicht vorgelegt hat, driften die palästinensischen Gebiete weiter denn je auseinander.

Im Gazastreifen sind nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) inzwischen 87,8 Prozent der Fläche militärisches Sperrgebiet sowie Zwangsräumungszonen. Kabinettsmitglieder der Regierung Netanjahu - und nicht nur die ultrarechten Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir - sehen die Zukunft des weitgehend zerstörten Küstenstreifens ohne palästinensische Bevölkerung. Diese solle zur "freiwilligen Emigration" angehalten werden.

Im besetzten Westjordanland, in dem mehr als eine halbe Million israelische Staatsbürger leben, will Israels Regierung Anfang August die Baugenehmigung für 3.400 Wohnungen in dem sogenannten Gebiet E1 erteilen, das an Ostjerusalem angrenzt. Damit würde ein lang gehegter Plan der israelischen Regierung umgesetzt werden, das Westjordanland in der Mitte zu durchtrennen und die Entwicklung der palästinensischen Region zwischen Ramallah und Bethlehem zu verhindern.

Ziel, "andere westliche Mächte ins Boot zu holen"

Doch welche Absicht verfolgt Macron mit seinem Vorstoß? Für die französische Wissenschaftlerin Amelie Ferey vom Center für internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik in Paris scheint Macron die Absicht zu verfolgen, "zunächst einmal es der israelischen Regierung zu erschweren, das Ziel eines Großisraels zu erreichen".

Wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ferner erklärte, erschwere Macron mit seiner Ankündigung der israelischen Regierung "die vollständige Annexion Palästinas". Frankreichs Präsident werde bis zu seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September die Zeit nutzen, "andere westliche Mächte mit ins Boot zu holen".

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