Landeshauptstädte investieren verstärkt in Zufahrtsschutz
- Bundesweit wurde erheblich in den Zufahrtsschutz investiert: Die Landeshauptstädte investieren teils Millionenbeiträge
- Der Bundesverband für Veranstaltungssicherheit warnt vor "Veranstaltungssterben" – laut der Umfrage wurden vereinzelnd Veranstaltungen aufgrund von Sicherheitsbedenken abgesagt
- Die Bundesländer beteiligen sich im unterschiedlichen Maße an den Sicherheitskosten. Hessen hat ein spezielles Förderprogramm gestartet.
Gut ein halbes Jahr nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, zeigt eine Umfrage von MDR Investigativ: Viele Landeshauptstädte nehmen Geld in die Hand, um die Sicherheit bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum zu verbessern. Dresden, Kiel, Magdeburg, Mainz, München, Stuttgart und Wiesbaden haben bereits Investitionen in den Zufahrtsschutz getätigt oder geplant.
In drei Landeshauptstädten, darunter Erfurt, befinde man sich nach eigenen Angaben in der Prüfung. Düsseldorf und Saarbrücken haben die Frage, ob sie nach dem Anschlag in Magdeburg Investitionen in den Zufahrtsschutz realisiert haben, unbeantwortet gelassen. Lediglich die Stadt Schwerin hat nach eigenen Angaben noch nicht in weitere Sicherheitsmaßnahmen investiert.
Umfrage-Methode
MDR Investigativ hat in allen Landeshauptstädten und bei allen Innenressorts der Bundesländer nachgefragt: Wurden im Nachgang der Tat von Magdeburg Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen im öffentlichen Raum überarbeitet? Wurde in Sicherheitstechnik investiert, die vor Angriffen mit Fahrzeugen schützen soll? Mussten Veranstaltungen abgesagt werden?
Wir haben von allen Städten und Innenbehörden der Länder Rückmeldungen erhalten, jedoch ließen einige Pressestellen bestimmte Fragen unbeantwortet. Als Grund dafür wurde beispielsweise die Geheimhaltung polizeitaktischer Maßnahmen oder ein zu hoher Beantwortungsaufwand genannt. In Bezug auf unsere Fragen nach Investitionen in den Zufahrtsschutz gaben einige Pressestellen an, dass eine belastbare Aussage zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei.
Der mutmaßliche Täter Taleb A. war am 20. Dezember 2024 mit einem PKW über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren und konnte dafür ungehindert Flucht- und Rettungswege benutzen. Um zu verhindern, dass Fahrzeuge – mit Absicht oder versehentlich – auf ein Veranstaltungsgelände gesteuert werden, gibt es sogenannte Zufahrtsschutzmaßnahmen.
Veranstaltungen im öffentlichen Raum müssen allerdings nicht nur vor Fahrzeugen geschützt werden, sondern es muss auch gewährleistet sein, dass z.B. Rettungsdienst und Feuerwehr im Ernstfall auf das Gelände fahren können. Diese beiden Schutzgüter müssen miteinander in Einklang gebracht werden.
Landeshauptstädte investieren teils Millionenbeträge
Viele der Landeshauptstädte haben nach dem Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt in Zufahrtsschutz investiert oder befinden sich dafür in konkreten Planungen. Dazu gehört oftmals auch die Anschaffung von mobilen Fahrzeugsperren. Die Umfrage von MDR Investigativ zeigt: Die dafür eingesetzten Summen liegen zwischen einer Zahl im fünfstelligen Bereich und knapp zwei Millionen Euro.
So teilt die sächsische Landeshauptstadt Dresden mit, die Stadt befinde sich "aktuell im Beschaffungsprozess von verschiedenen mobilen Zufahrtsschutzelementen, die die bereits vorhandenen Elemente ergänzen sollen." Das Amt für Wirtschaftsförderung habe dafür 1,85 Mio. Euro bereitgestellt. Das ist die höchste Investitionssumme, die in der Umfrage von MDR Investigativ angegeben wurde.
Die Stadt Erfurt prüft aktuell, inwiefern sie ihren Bestand an mobilen Fahrzeugsperren erweitern wird. Derzeit seien "keine belastbaren Aussagen zu möglichen Investitionskosten" möglich, informierte die Thüringer Landeshauptstadt.
Wie viel Geld die Stadt Magdeburg bisher in die Erhöhung von Sicherheitsmaßnahmen investiert hat, könne laut der Pressestelle derzeit nicht beantwortet werden. Auf Nachfrage von MDR Investigativ heißt es: "Die Stadtverwaltung verfügt selbst über Betonelemente als mobile Fahrzeugsperren." Diese seien im Jahr 2017 in Auftrag gegeben und gutachterlich auf ihre Wirksamkeit geprüft worden. Die Stadt habe zudem im April 2025 "vier absenkbare Einzelpoller" am Alten Markt installiert. Weitere Poller seien geplant.

Darüber hinaus wurde seitens der Landeshauptstadt der Bundesverband für Veranstaltungssicherheit beauftragt, "Vorschläge zum Zufahrtsschutz und zur Veranstaltungssicherheit für Großveranstaltungen in der Stadt zu entwickeln". Ab September sei mit den Ergebnissen zu rechnen.
Die Stadt Wiesbaden hat nach Angaben der Pressestelle bereits in mobile Sperrmittel investiert. Unter anderem wegen langer Lieferzeiten sei das Beschaffungsverfahren derzeit nicht abgeschlossen. Die hessische Landeshauptstadt rechnet letztlich mit Kosten im unteren siebenstelligen Bereich. München hat ebenfalls aufgerüstet: Es seien mehr Sperrelemente im Einsatz als in der Vergangenheit, weitere würden neu angeschafft, teilte die bayerische Landeshauptstadt mit. Über die investierte Summe wolle man aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen.

In Bremen "laufen Planungen, aus Landesmitteln eine Grundschutzinfrastruktur" für Überfahrschutz aufzubauen. Ein einstelliger Millionenbetrag werde dafür aufgewendet. Nach dem Anschlag von Magdeburg sei in Bremen die Anschaffung von mobilen Fahrzeugsperren zudem "neu geplant und teilweise bereits umgesetzt". Die Landeshauptstadt Saarbrücken geht von "Kostensteigerungen von ungefähr 12 bis 15 Prozent für Schutz- bzw. Infrastrukturmaßnahmen" bei Veranstaltungen aus. Entsprechendes Material zur Absicherung miete die Stadt an.
Düsseldorf, Kiel und Schwerin ließen die Frage, ob Sie seit dem Anschlag in Magdeburg mobile Zufahrtssperren beschafft haben, unbeantwortet. Zu Inhalten von Sicherheitskonzepten äußere sich die Landeshauptstadt Düsseldorf in Absprache mit der Polizei nicht, teilte ein Sprecher mit.
Bundesverband für Veranstaltungssicherheit warnt vor “Veranstaltungssterben”
Eine große Unsicherheit beim Thema Zufahrtsschutz beobachtet der Bundesverband Veranstaltungssicherheit (BVVS), vor allem auf Seiten der Genehmigungsbehörden der Kommunen. Der BVVS-Vorsitzende Dennis Eichenbrenner erklärt auf Nachfrage von MDR Investigativ, es gebe inzwischen "Forderungen, die Veranstalter nur schwer umsetzen können oder gar Auflagen, die so hoch gesteckt sind, dass sie eben wirtschaftlich nicht mehr tragbar sind". Das könne dazu führen, dass ein Veranstalter am Ende konstatieren müsse, dass er die Veranstaltung nicht mehr durchführen könne. Eichenbrenner warnt, ein "Veranstaltungssterben" könne die Folge sein.

MDR Investigativ hat alle Landeshauptstädte und Innenministerien gefragt, ob und welche Veranstaltungen seit dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt gegebenenfalls auf Grund von Sicherheitsbedenken abgesagt wurden. Das hessische Innenministerium antwortet, "sehr vereinzelt" hätten Veranstalter "aus Kostengründen, aber auch aus Sicherheitsgründen Veranstaltungen abgesagt." Der Hessische Rundfunk hatte über die Absage von Veranstaltungen berichtet.
Die Innenministerien der anderen Bundesländer konnten dazu keine Angaben machen oder hatten keine Kenntnis von abgesagten Veranstaltungen. In Berlin hat laut Senatsverwaltung für Inneres und Sport ein Veranstalter wegen eigener Sicherheitsbedenken ein Straßenfest abgesagt. In der Landeshauptstadt Stuttgart musste nach Angaben der Pressestelle noch keine Veranstaltung aus Sicherheitsbedenken abgesagt werden. Ein Faschingsumzug sei allerdings durch den Veranstalter abgesagt worden, "weil die erforderliche Umplanung der Route aufgrund der Kurzfristigkeit nicht mehr zufriedenstellend möglich war."
Bundesländer beteiligen sich unterschiedlich an Kosten für Veranstaltungssicherheit
Nahezu alle Landeshauptstädte gehen von gestiegenen bzw. steigenden Kosten für die Sicherheit aus. Ob die Kommunen dafür finanzielle Unterstützung der Bundesländer erhalten, hat MDR Investigativ bei den Innenressorts der Länder erfragt. Spezielle Förderprogramme für kommunale Veranstaltungssicherheit haben offenbar die wenigsten Bundesländer. Auch Sachsen-Anhalt nicht.
Für die Kommunen in Sachsen-Anhalt bestehen allerdings nach Angaben des Innenministeriums "verschiedene Fördermöglichkeiten, um die finanziellen Auswirkungen gestiegener Sicherheitsanforderungen zu mindern". Die Finanzierung mobiler Fahrzeugsperren sei beispielsweise mit Hilfe von Mitteln aus dem EU-Förderprogramm "LEADER" möglich. Auch über die "städtebauliche Kriminalprävention (Städtebauförderung)" könnten Kommunen für die Absicherung größerer Veranstaltungs- oder Marktplätze Fördermittel beantragen.
Die Innenministerien in Sachsen und Thüringen teilten auf Nachfrage von MDR Investigativ mit, dass sie im Nachgang des Magdeburger Anschlags keine Förderprogramme für kommunale Sicherheitsmaßnahmen aufgelegt hätten.
Anders ist es in Hessen: Um Kommunen organisatorisch und finanziell zu unterstützen, hat das Land Hessen zum 1. Mai 2025 ein Förderprogramm über 1,5 Millionen für Veranstaltungssicherheit gestartet. Voraussetzung ist, dass sich Kommunen zusammenschließen und gemeinsam Maßnahmen entwickeln, sich beispielsweise auch die Sicherheitstechnik teilen. Laut Hessischem Innenministerium wurde bisher ein Antrag auf 100.000 Euro genehmigt.
Das innenministerium Rheinland-Pfalz verweist auf drei Möglichkeiten, über die Kommunen vom Land eine Förderung für die Verbesserung von Sicherheitsmaßnahmen erhalten können: Im Rahmen der Städtebauförderung, über ein Pilotprojekt zur Interkommunalen Zusammenarbeit und über das Modellprojekt "Urbane Sicherheit". Zum Beispiel könnten Kommunen, die am Modellprojekt teilnehmen, bis zu 50.000 Euro für die Erprobung nicht-investiver Maßnahmen beantragen. Das können in diesem Fall zum Beispiel das Erarbeiten von Leitfäden oder das Optimieren von Abläufen und Kommunikationswegen sein.
Das Projekt beschäftigt sich zudem damit, ein interkommunales Verleihsystem für mobile Sperren aufzubauen, um die Veranstaltungssicherheit in Rheinland-Pfalz zu stärken, so das Innenministerium. Drei Städte hätten bereits eine Förderung beantragt, bewilligt wurden bisher rund 87.000 Euro. Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben die Frage nach Fördermöglichkeiten nicht konkret beantwortet.
MDR (Chiara Swenson, Jana Merkel, Daniel Salpius)
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