Arsen-Diebstahl in Osterwieck: Hochgiftige Chemikalien weiter verschwunden
Zwei Wochen nach dem Diebstahl hochgiftiger Chemikalien aus einem Spezialbetrieb in Osterwieck im Landkreis Harz sind die gestohlenen Substanzen weiterhin verschwunden. Die Polizei hat jedoch neue Hinweise erhalten, die möglicherweise durch die Ausstrahlung der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" zustande kamen. Details werden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht veröffentlicht.
Polizei ermittelt nach Einbruch weiter in alle Richtungen
Die Polizei ermittelt weiter wegen Einbruchsdiebstahls in alle Richtungen. Auch Mitarbeitende der betroffenen Firma werden weiter befragt. Alle Spuren auf dem Gelände sind inzwischen gesichert, die betroffenen Bereiche wieder freigegeben.
Nach aktuellem Stand wurden zwei Liter Arsentrichlorid und drei Kilogramm hochreines Arsen-Granulat gestohlen – beide Stoffe gelten als extrem giftig und lebensgefährlich. Die Firma produziert nach eigenen Angaben hochreines Arsen für die Halbleiterindustrie.
Was ist Arsen?
Arsen ist ein giftiges Schwermetall (chemisch gesehen ein Halbmetall, As, Ordnungszahl 33). Es ist gefährlich für Augen und Atemwege, giftig bei Verschlucken oder Einatmen. Über einen längeren Zeitraum können kleine Mengen Hauterkrankungen, Störungen des Nervensystems und Krebs verursachen. Bei akuten Vergiftungen kann es zu Brechdurchfällen, Kreislaufkollaps und Atemlähmung kommen.
Arsen wurde bis in die Achtzigerjahre als Pflanzenschutzmittel und bis in die Zweitausenderjahre als Holzschutzmittel verwendet. Arsen in der Luft stammt unter anderem aus Kupferhütten und Kohlekraftwerken. Die Hauptmenge des Rohstoffs Arsen fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung und Reinigung von Kupfer, Blei, Kobalt und Gold an. Es wird für Metall-Legierungen, in der chemischen Industrie und zur Herstellung von Spezialglas und Halbleitern eingesetzt. Arsen galt jahrhundertelang als Mordgift. In Kriminalromanen und Theaterstücken spielte das Gift eine wichtige Rolle.

Täter hinterließen Behälter – keine Umweltgefahr
Einige der gestohlenen Behälter wurden später im Umfeld der Firma entdeckt – unter anderem auf einem angrenzenden Feld. Die Polizei geht davon aus, dass sie dort von den Tätern zurückgelassen wurden. Laut Landkreis Harz bestand keine Gefahr für Boden oder Grundwasser – die Arsenbehälter waren nur äußerlich beschädigt, alle Stoffe konnten gesichert werden.
Hohe Belohnung ausgesetzt
Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter oder zum Auffinden der Chemikalien führen, ist eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro ausgelobt worden. Die Polizei bittet weiterhin um Hinweise aus der Bevölkerung. Zu den Motiven der Täter gibt es laut Polizei mehrere Theorien.
Möglich sei, dass das Arsen verkauft werden sollte – laut einem Geschäftsführer könne der Wert der gestohlenen Chemikalien bei bis zu vier Millionen Euro liegen. Alternativ werde auch ein Anschlag mit einer chemischen Waffe nicht ausgeschlossen. Die Ermittler stehen in Kontakt mit Bundespolizei und Nachbarländern wie Niedersachsen.
Sicherheitsprüfung in der Firma angekündigt
Wie die Täter auf das gesicherte Firmengelände gelangen konnten, ist weiterhin unklar. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt kündigte eine Vor-Ort-Kontrolle an. Die letzte Überprüfung im November 2024 hatte den Sicherheitsmaßnahmen noch ein positives Zeugnis ausgestellt. Nun soll geprüft werden, ob Nachbesserungen nötig sind.
Etwa 200 Einsatzkräfte vor Ort
Rund 200 Helfer waren Ende Juli in Osterwieck im Einsatz. Sie erkundeten das Firmengelände und dämmten den Gefahrenstoff ein. Mit dabei waren auch Mitarbeiter des Umweltamtes und sogenannte ABC-Kräfte. Sie kommen zum Einsatz, wenn gefährliche Stoffe freigesetzt werden – zum Beispiel bei einem Chemie- oder Atomunfall.
Auch die Gesundheit der Einsatzkräfte werde entsprechend überwacht, erklärte Einsatzleiter Alexander Beck: "Wir haben für alle hier vor Ort befindlichen Einsatzkräfte ein Biomonitoring angeordnet. Das heißt, es wird zum Schutz der Einsatzkräfte aufgezeichnet, ob eine Exposition stattgefunden haben könnte. Das ist aber eine reine Vorsichtsmaßnahme."
Auch das mobile Spezial-Labor des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge wurde laut Verwaltung alarmiert. Es kann von allen Feuerwehren im Land genutzt werden.

Zahlreiche Anrufe beim Bürgertelefon
Auf einer Pressekonferenz hatte die Polizei die Bevölkerung davor gewarnt, verdächtige Behälter, Flaschen oder Kartons zu berühren. Wer einen solchen Behälter finde, solle den Notruf 112 oder 110 wählen. Für Anwohner und Anlieger wurde bei der Stadt Osterwieck zudem ein Bürgertelefon eingerichtet. Nach Angaben von Gundula Hauke vom Haupt- und Wirtschaftsamt Osterwieck gingen dort allein am Einsatztag rund 60 Anrufe ein. Die Menschen wollten vor allem wissen, ob sie die Fenster wieder öffnen dürfen, welche Straßen noch gesperrt sind oder ob sie das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch essen können, sagte Hauke MDR SACHSEN-ANHALT.
dpa, MDR (M. Holzberger, N. Düsekow, A. Plaul, A. Höhne, H. Kerwin, A. Kühne, S. Liermann, K. Bunk, F. von der Eltz, M. Köhne, H. Leonard) | Zuerst veröffentlicht am 22. Juli 2025.
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