Extra-Gebühren im Heim: "Die Pflegeversicherung ist nun mal keine Vollversicherung"
- Standards in Heim seien gleich geblieben, sagt der Arbeitgeberverband Pflege: Allerdings würden mehr Zusatzleistungen gewünscht.
- Pflegeheime dürfen ohne die Zustimmung der Bewohner allerdings keine Zusatzleistungen abrechnen.
- Doch eine individuell gestaltete Versorgung und Umgebung ähnlich wie im Hotel bezahlt die Pflegeversicherung nicht.
Bei der Beratungsstelle des BIVA-Pflegeschutzbunds melden sich mehr Menschen, weil sie Probleme mit Zusatzleistungen in Pflegeheimen haben, erzählt Ulrike Kempchen. Sie ist Juristin und eine der Beraterinnen.
Kempchen zufolge ärgert viele Bewohner und Angehörige, dass auch Leistungen, die mal zum Standard gehört hätten, jetzt als Zusatzleistungen abgerechnet würden: "Das ist, wie wenn jetzt plötzlich andere Getränke als Mineralwasser, Tee und Kaffee, die es vielleicht hin und wieder mal gab, jetzt mit Kosten belegt werden. Früher gab es vielleicht mal einmal in der Woche ein Glas Wein zum Essen und plötzlich soll das zusätzlich kosten. Oder aber viele Leute, die sich neu einrichten in einer Einrichtung, wundern sich dann auch, wenn sie für TV- und Telefonnutzung gesonderte Gebühren zahlen."
Immer mehr Nachfrage nach Sonderleistungen
Doch der Arbeitgeberverband Pflege, der die Interessen vieler Pflege-Einrichtungen vertritt, weist diesen Vorwurf zurück. Die Standards seien eigentlich gleich geblieben, erklärte Geschäftsführerin Isabell Halletz. Als Zusatzleistungen versteht sie vielmehr Angebote wie Fußpflege und Besuche beim Friseur. Und die würden immer mehr nachgefragt: "Weil man möchte ja als Bewohner häufig nicht mehr die 'Standardversorgung', sondern wünscht sich, ähnlich wie im Hotel, eine gute Rundumverpflegung." Doch die werde eben nicht von der gesetzlichen Pflegeversicherung abgedeckt.
Was genau Zusatzleistungen sind, ist gesetzlich nur grob definiert. Genau dagegen legt das gesamte vierte Kapitel des elften Sozialgesetzbuchs (SGB XI) fest, was Pflichtleistungen sind. Darauf verwies Halletz bei MDR AKTUELL. Was Einrichtungen sonst bieten sei zusätzlich und habe eher "Wohlfühlcharakter".
Die Pflegeversicherung ist nun mal keine Vollversicherung.
"Dadurch, dass die Pflegeversicherung nun mal keine Vollversicherung ist" gebe es zusätzliche Leistungen, sagte Halletz, "die übrigens freiwillig sind und keiner nehmen muss", die aber eben extra zu bezahlen seien, "wenn man sich wohlfühlen will" in individueller gestalteter Versorgung und Umgebung.
Kritik von Pflegeschutzbund, dass einst übliche Leistungen vermehrt kostenpflichtig würden, kann die Verbandschefin zwar verstehen. Sie sagt aber etwa zum Beispiel der Telefon- und Internetversorgung auch, dass die Einrichtungen früher einen Telefonvertrag gehabt hätten, heute es aber individuelle Wünsche und individuelle Verträge gebe. Auch sei das ohnehin keine Grundleistung, die es sonst so hätte geben müssen.
Bewohner müssen schriftlich zustimmen
Die Einrichtungen haben also einen großen Ermessensspielraum, können aber nichts abrechnen, dem der Kunde nicht vorher zugestimmt hat, erklärt Ulrike Kempchen: "Das ganze muss vorher schriftlich vereinbart werden. Und da muss ich genau erkennen können, welche Art von Zusatzleistungen, welcher Umfang, welche Leistungen, welche Höhe des Entgeltes."
Zusatzleistungen sind auch dafür da, um zusätzliche Einnahmen zu generieren, sagt Isabell Halletz vom Arbeitgeberverband Pflege. Das Geld brauche es, um die Liquidität zu sichern. Denn die finanzielle Situation sei bei allen Einrichtungen angespannt: "Das hängt einfach auch damit zusammen, dass ja die Kosten nicht nur für die Pflege, sondern auch für alle Leistungen drumherum, wie Strom, wie Wasser und weitere Sachkosten natürlich steigen und man da auch immer schauen muss, wie man die finanziert."
Keine Mitsprache: Preise nicht verhandelbar
Dafür zeigt der Pflegeschutzbund Verständnis. Die Kosten dürften jedoch nicht zu stark die Kunden belasten, sagt Ulrike Kempchen. Zumal sie bei den Preisen kein Mitspracherecht hätten: "Zusatzleistungen werden nicht verhandelt. Das bedeutet, die können schon frei festgesetzt werden. Wir haben natürlich rechtliche Ansatzpunkte wie Wucher oder dergleichen. Aber die Spielfläche ist schon recht groß und wird auch nicht kontrolliert."
Das heißt: Betroffene müssen sich bei Problemen mit Zusatzleistungen selbst kümmern. Hilfe bietet unter anderem die telefonische Beratungsstelle des Pflegeschutzbundes. Laut Ulrike Kempchen nehmen die Berater auf Wunsch auch Kontakt mit der Einrichtung auf und versuchen zu vermitteln.
MDR AKTUELL
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