So stark wurde der Gegenwind, dass Kanzler Merz seinen Urlaub unterbrach, um im tagesthemen-Interview seinen Israel-Schwenk zu erklären. Er erhält aber auch Unterstützung. SPD-Chefin Bas nennt die heftige Kritik "starken Tobak".

Innerhalb der Union wird momentan nicht gespart mit Kritik an Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz. Seine Entscheidung, die Waffenexporte nach Israel teilweise zu stoppen, bezeichnen einige als schweren Fehler. Doch es mehren sich die Stimmen, die Merz den Rücken stärken.

Bas spricht von "starkem Tobak"

Bundesarbeitsministerin und SPD-Vorsitzende Bärbel Bas zum Beispiel: Im ARD-Sommerinterview verteidigte sie den Kanzler gegen jene, die ihm vorwerfen, Israel im Stich zu lassen. "Friedrich Merz zu unterstellen, er würde Israel verraten, das ist schon starker Tobak", so Bas. "Wir müssen Israel weiter unterstützen und ihnen auch helfen, aber dennoch haben wir auch eine Lage mittlerweile, dass wir auch die Menschen im Gazastreifen nicht vergessen dürfen." Auch das sei eine Verantwortung, die die Bundesregierung trage, fügte Bas hinzu.

Mit Blick auf die derzeitige Stimmung in der Union, sieht die SPD-Chefin allerdings Nachholbedarf bei Merz' Kommunikation. "Das ist etwas, wo die Fraktion der CDU/CSU miteinander klären muss, wie sie ihre Kommunikationswege in solchen wichtigen Fragen aufbaut und auch sicherstellt." Ansonsten gebe es "einen öffentlichen Streit", warnte Bas. "Und den sollte man vermeiden, weil wir wollten es alle miteinander besser machen als die Ampel und das sieht im Moment nicht danach aus."

Rückendeckung aus Sachsen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellt sich ebenfalls an die Seite des Kanzlers und seines Parteichefs. Merz habe immer klargemacht, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe, teilte der Regierungschef mit. "Die Solidarität mit Israel umfasst für uns auch das Recht auf Verteidigung und Sicherheit des Landes und seiner Bürger." 

Zugleich habe Merz immer auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit hingewiesen. "Es ist falsch, diese Position als mangelnde Solidarität darzustellen. Solidarität und Verhältnismäßigkeit schließen sich nicht aus - beides gehört zusammen", betonte Kretschmer. Das Sterben Tausender Menschen sei nicht verhältnismäßig. "Mit dem Beschluss des israelischen Kabinetts, den Gazastreifen komplett einzunehmen, ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben."

Röttgen: "Israel kommt Pflicht nicht nach"

Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize und Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU). Den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagte er, die Bundesregierung musste zügig eine Entscheidung als Reaktion auf die Beschlüsse des israelischen Sicherheitskabinetts treffen, den Krieg in Gaza und die militärische Kontrolle dort auszudehnen." Außenpolitisches Handeln sei geboten gewesen, "und auch in der Sache richtig, rechtlich wie politisch".

Der Zeitung Welt sagte er, die Entscheidung zu Rüstungsexporten stehe nicht im Gegensatz dazu, verlässlich an der Seite Israels zu stehen, wenn das Land bedroht werde. Gleichzeitig setze sich die Bundesregierung für die Beendigung der katastrophalen humanitären Situation in Gaza ein, sagte Röttgen. Es stehe außer Frage, dass Israel "auf Grundlage seiner faktischen Herrschaft" die Pflicht habe, die angemessene Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. "Leider kommt Israel dieser Pflicht nicht nach."

AfD befürwortet Teilstopp

Auch aus der Opposition kommen positive Stimmen: Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla machte deutlich, dass seine Partei hinter dem teilweisen Lieferstopp von Rüstungsgütern stehe. "Unsere Position, was zum Beispiel Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebieten angeht, ist klar. Die haben wir von Anfang an, auch im Wahlprogramm, immer abgelehnt und dazu stehen wir auch", so Chrupalla im ZDF-Sommerinterview.

Angesichts des Unmuts innerhalb von CDU und CSU wirft er Merz allerdings mangelndes Durchsetzungsvermögen vor. "Er kann weder seine Regierung hinter sich verbinden noch dazu seine Fraktion, also auch die Fraktion der CDU, die ja aktuell absolut gespalten in diesen Dingen ist."

Netanjahu macht Druck auf Merz verantwortlich

Israels Regierung hatte zunächst erbost auf Merz' Entscheidung reagiert und ihm vorgeworfen, die Hamas zu belohnen. Jetzt äußerte sich Israels Premier Benjamin Netanjahu erneut zu dem Teilstopp der Waffenexporte und führt Merz' Schritt auf öffentlichen Druck zurück.

Merz sei ein guter Freund Israels, der "unter dem Druck falscher Fernsehberichte" eingeknickt sei, sagte Netanjahu vor ausländischen Pressevertretern in Jerusalem. Auch viele europäische Staats- und Regierungschefs würden ihm gegenüber sagen, dass er recht habe, sie sich aber "nicht gegen die öffentliche Meinung in unserem Land stellen" könnten, so Netanjahu.

Merz verteidigt seine Entscheidung

Der Kanzler selber hatte zuvor in den tagesthemen klargemacht, öffentlicher Druck sei nicht der Grund für seine Entscheidung gewesen. "Ich lasse mich von öffentlichem Druck nicht so sehr beeindrucken wie von meinem eigenen Bild, auch von den Beratungen im Kabinett, von den Beratungen auch mit unseren Fachleuten", sagte Merz.

Er hatte für das Interview seinen Urlaub unterbrochen, um klarzustellen, dass es sich bei der Einschränkung von Waffenlieferungen nicht um einen Wechsel in der deutschen Israel-Politik handele.

Weiter Dissens innerhalb der Union

Widerspruch gibt es aber weiterhin. Deutlich wurde das offenbar in einer Sitzung der Arbeitsgruppe Auswärtiges der Unionsfraktion im Bundestag, die am Nachmittag stattfand. Die Bild-Zeitung berichtet von Unmut bei den Beratungen.

Im Anschluss sagte der CSU-Politiker Stephan Mayer, der Mitglied der Arbeitsgruppe ist, dem Tagesspiegel, er habe Verständnis für die Besorgnis des Kanzlers bezüglich der humanitären Lage im Gazastreifen und der Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, die Offensive auszuweiten. "In der Analyse sind wir nicht auseinander. Die Frage ist, ob die Entscheidung eines partiellen Waffenlieferungsstopps die richtige Antwort darauf ist. Da habe ich und viele andere Kollegen eine andere Auffassung."

Mayer bezweifelte, dass die Entscheidung der Regierung den Zielen - also der Freilassung der von der Hamas noch festgehaltenen Geiseln und der Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen - Rechnung trägt. Er verwies zugleich darauf, dass die Entscheidung der Regierung vorläufig sei. "Ich hoffe, dass er sich schon in einigen Wochen in der Lage sieht, eine Revision der Entscheidung vorzunehmen", sagte Mayer.

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