Junge Geflüchtete lernen einer Studie zufolge am besten Deutsch, wenn sie möglichst schnell in eine Regelklasse kommen und nicht zunächst eine sogenannte Willkommensklasse besuchen. Das geht aus einer am Dienstag (12. August 2025) veröffentlichten Untersuchung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hervor.

In die Analyse wurden 1.097 Jugendliche einbezogen, die zum Befragungszeitpunkt zwischen 14 und 16 Jahre alt waren und eine Regelklasse in Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz besuchten. Die Grundlage der Forschung bildete ein Datensatz des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe aus den Jahren 2016 bis 2021.

Geflüchtete Grundschulkinder zwei Jahre im Leseverständnis hinterher

Laut Oliver Winkler vom Institut für Soziologie der MLU leiste die Untersuchung einen wichtigen Beitrag zu einem Dunkelfeld in der deutschen Bildungspolitik: "Über den Stand der Deutschkenntnisse existieren auch zehn Jahre nach der großen Fluchtmigrationsbewegung nach Deutschland wenig Zahlen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass geflüchtete Grundschulkinder beim Leseverständnis durchschnittlich zwei Schuljahre im Vergleich zu ihren nicht eingewanderten Mitschülerinnen und Mitschülern zurückliegen."

Lange Wartezeiten bis zur Einschulung

Der neuen Studie zufolge gehen lange Wartezeiten bis zur Einschulung auch Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einher. "In vielen Bundesländern beginnt die Einschulung erst dann, wenn die Zuweisung der Flüchtlingsfamilie zu einer Kommune erfolgt ist", erklärte Oliver Winkler vom Institut für Soziologie der Universität. Als Folge warteten schulpflichtige Flüchtlingskinder oft deutlich länger als ein halbes Jahr auf ihre Einschulung und hätten in dieser Zeit keinen Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern.

Dieser mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen Nichtgeflüchteten ist aus Sicht der Forschenden offenbar auch ein Grund dafür, dass die in vielen Bundesländern eingerichteten Willkommensklassen kaum einen positiven Effekt haben. In jenen werden Kinder und Jugendliche getrennt vom Regelbetrieb unterrichtet, die nur die Sprache ihrer Heimatländer sprechen. "Wir haben festgestellt, dass ehemalige Schülerinnen und Schüler von Willkommensklassen auch Jahre später noch geringere Sprachkenntnisse als jene Flüchtlinge haben, die von Anfang an Regelklassen besuchten", erklärte Winkler. In den Vorbereitungsklassen gelänge es offenbar nicht ausreichend, Anfangsunterschiede beim Sprachniveau auszugleichen.

Willkommensklassen in Mitteldeutschland

In Sachsen werden Kinder und Jugendliche in Willkommensklassen unterrichtet und Schritt für Schritt in den Regelunterricht integriert. Dies erfolgt in unterschiedlichen Fächern anders. In Sachsen-Anhalt wurden die Klassen für ukrainische Schüler 2023 abgeschafft, inzwischen aber wieder eingeführt – teils mit externer Hilfe etwa von Volkshochschulen. In Thüringen gibt es das Modell der besonderen Beschulung nicht, Migranten und Migrantinnen werden inklusiv unterrichtet. Wie das nach der Einführung der Sprachtests im Vorschulalter aussieht, ist offen.

Asylstatus hat Einfluss auf Spracherwerb

Wie die Studie weiter zeigt, hängen Sprachkenntnisse offenbar auch vom Asylstatus ab. Geflüchtete, die mit dem latenten Risiko lebten, abgeschoben zu werden, haben demnach schlechtere Deutschkenntnisse, Wer nicht wisse, ob er bleiben dürfe, investiere womöglich weniger in seine Deutschkompetenzen, erklärten die Forschenden.

Die Studienautoren gaben auf Grundlage der Daten Empfehlungen für die Politik ab. "Die Tendenz ist eindeutig: Eine möglichst schnelle Einschulung, eine rasche Integration in den Fachunterricht und ein sicherer Asylstatus sind gute Voraussetzungen für das Erlernen der deutschen Sprache", sagt Oliver Winkler.  "Insbesondere in den Grundschulen sollte auf separierende Vorbereitungsklassen verzichtet werden."

Link zur Studien

Die Studie "Institutional conditions and acquisition of language skills among young refugees: Investigating the German context" von Winkler et al. ist im Journal "Acta Sociologica" erschienen.

idw/afp/jar

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