Wenn das Finanzamt die Steuererklärung macht
Die Frist zur Abgabe der Steuererklärung 2024 ist abgelaufen. Jetzt steigt der Stress für alle, die es nicht geschafft haben. Einigen tausend Betroffenen in Hessen macht das Finanzamt ein bundesweit bislang einmaliges Angebot.
Ihre abschreckende Wirkung haben der Hauptvordruck Est 1A und seine Anlagen AV, KAP, R oder V nicht verloren. Bevor sie sich im Labyrinth solcher Formulare genervt verirren, haben viele Menschen ihre Einkommenssteuererklärung für 2024 lieber noch gar nicht abgeben.
Stichtag war der 31. Juli. Mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger aus Nordhessen, die ihn verstreichen ließen, erhalten bald Post vom Staat. Mit der üblichen Erinnerung an die Abgabepflicht und einer letzten Frist kommt die Finanzverwaltung ihnen diesmal nicht.
Den säumigen Bürgerinnen und Bürgern will das Finanzamt Kassel mit einem für Deutschland bislang einmaligem Angebot das Leben vielmehr leichter machen - und sich selbst auch. "Die Steuer macht jetzt das Amt", heißt das Motto.
Das Konzept des Pilotprojekts wird Hessens Finanzminister Alexander Lorz (CDU) am Donnerstagmittag in Wiesbaden vorstellen. Das Papier liegt tagesschau.de vor.
Automatisierter Steuerbescheid als Vorschlag
Bei den Ausgewählten des Testlaufs handelt es sich um Arbeitnehmer, die keinen Steuerberater haben. Für sie füllt das Finanzamt die Steuererklärungen der Einfachheit halber gleich selbst aus. Das geht ohne viel Aufwand elektronisch. Wichtige Daten über Lohn, Rente oder Versicherungen lägen aufgrund von Meldepflichten ja ohnehin vor, heißt es.
Auf dieser Basis geht ein erster automatisierte Steuerbescheid heraus - als "Vorschlag". Wer unzufrieden ist, weil ihm die Nachzahlung zu hoch oder die Rückerstattung zu gering scheint, kann über die digitale Finanzamt-Plattform Elster nachträglich Ausgaben geltend machen. Die Behörde prüft das und versendet erst dann die amtliche Festsetzung.
Ist der regionale Test erfolgreich, will die Landesregierung den Service in ganz Hessen anbieten. Dann sollen die Finanzämter allen eine bereits ausgefüllte Steuererklärung liefern, von denen sie die dafür nötigen Informationen zu haben glauben. In Ländern wie Österreich und Schweden ist das Prinzip bereits geübte Praxis.
Auch ein Ziel der Bundesregierung
Mit dem Plan, solchen Vorbildern nachzueifern, liegt die CDU/SPD-Landesregierung auf einer Linie mit der schwarz-roten Bundesregierung. In deren Koalitionsvertrag sind weitreichende Steuervereinfachungen geplant. Ein erklärtes Ziel ist auch, dass in einfachen Fällen "vorausgefüllte und automatisierte Steuererklärungen ausgeweitet werden".
Schon vor dem Start des Pilotprojekts spricht das Finanzministerium in Wiesbaden von einem "echten Service, der die Entbürokratisierung und Digitalisierung vorantreibt". Dort ist man sicher: Angesichts des komplizierten Steuersystems und der Masse an benötigen Daten werden viele Bürger hocherfreut sein, wenn sie die Last der selbst erstellten Steuererklärung für immer los sind.
Die Deutsche Steuergewerkschaft, die das Personal der Finanzverwaltung vertritt, ist für das Vorhaben von Hessens Finanzminister Lorz schon längst zu haben. Gewerkschaftschef Florian Köbler forderte erst Mitte Juli in der Funke-Mediengruppe, die Steuererklärung für Arbeitnehmer endlich abzuschaffen.
Die Bearbeitung binde in den Finanzämtern viele Ressourcen, obwohl "hier wenig Potenzial für großen Steuerbetrug und Mehreinnahmen" bestehe, sagte Köbler. Die Steuerverwaltung müsse schon 2030 wegen des Fachkräftemangels mit rund einem Drittel weniger Personal auskommen.
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