• Kommunen fühlen sich beim Zivilschutz im Stich gelassen und fordern klare Vorgaben vom Bund sowie klare Kommunikation und Geld.
  • Bundesweit gibt es 600 ausgewiesene und nutzbare Schutzräume – in Ostdeutschland befindet sich keiner davon.
  • Neben Schutzräumen könnten auch Alarmsysteme wie Warn-Apps nicht nur bei Umweltkatastrophen, sondern auch im Kriegsfall genutzt werden.
  • Experten raten vor allem, die kritische Infrastruktur flächendeckend mit Notstromaggregaten auszustatten.

Kommunen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verfügen im Krisenfall über keine nutzbaren zivilen Schutzräume. Zudem fehlt es vielerorts an eigenen Zivilschutzkonzepten. Häufig wird auf die Zuständigkeit der Landkreise verwiesen. Das ergab eine Umfrage von MDR AKTUELL unter den 27 größten Städten und Landkreisen in Mitteldeutschland.

Kommunen fühlen sich im Stich gelassen

Viele Kommunen fordern auf MDR-Anfrage klare Vorgaben, eine eindeutige Aufgabenverteilung sowie eine bessere Finanzierung durch Bund, Länder und Kreise. Einige Städte, darunter Plauen, beklagen unklare Definitionen und Anforderungen. Auch Dresden und Freiberg mahnen strategische Vorgaben und Förderprogramme an. Halle betont die Notwendigkeit kurz-, mittel- und langfristiger Maßnahmen und verweist auf die Stilllegung von Bunkern seit dem Ende des Kalten Krieges.

Grimma, Radebeul und Halle melden zwar keine formellen Schutzräume, aber vereinzelte, im Krisenfall nutzbare Räume. Chemnitz und Riesa verfügen laut eigener Aussage nur über veraltete Anlagen. Freital sieht angesichts knapper Mittel den Ausbau von Schutzräumen als kaum realisierbar an und kritisiert eine Priorisierung militärischer Ausgaben: "Unser Ziel ist Frieden, kein Bunker", hieß es von der Kommune. Man habe derzeit nicht genug Geld, um Schulen, Kitas oder öffentliche Infrastruktur angemessen auszubauen und instand zu halten. Zudem fordern die Kommunen Unterstützung bei Selbstschutzmaßnahmen und Ausbildung der Bevölkerung und fordern vereinfachte Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie beim Bau öffentlicher und privater Schutzräume.

Nur 49 Schutzräume bei den Wohnungsgenossenschaften

Auch die Wohnungsgenossenschaften in Mitteldeutschland haben keine Übersicht über möglicherweise in ihrem Bestand befindliche potenzielle Schutzräume. Das ergab eine Umfrage des MDR unter rund 100 Genossenschaften. Nur vier von ihnen erklärten, über Schutzräume aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs oder der Nachkriegszeit zu verfügen, lediglich eine Genossenschaft gab an, sie führe eine Übersicht über Schutzräume nutzbar ist der Umfrage zufolge keiner.

Offiziell keine Schutzräume im Osten

Zwar gibt es bundesweit knapp 600 Schutzräume, die zwar nicht in Betrieb sind – von denen aber liegt kein einziger in Ostdeutschland. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben begründet das mit einer grundsätzlichen Neubewertung des Schutzraumbaus in Deutschland nach der Wende. Die Schutzräume der ehemaligen DDR hätten den westdeutschen Standards nicht entsprochen, daher "wurden die Schutzräume im Ostteil Deutschlands nicht in das Schutzbaukonzept des Bundes übernommen". 2007 hätten sich Bund und Länder dann einvernehmlich entschieden, das Schutzbaukonzept aufzugeben.

Unabhängig davon schützen auch die bestehenden Bunker im Westen der Behörde zufolge nicht mehr ausreichend vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren. Bund und Länder haben sich im Sommer vergangenen Jahres auf ein nationales Schutzraumkonzept verständigt, das derzeit das BBK erarbeitet. U.a. sollen dafür öffentlichen und private Gebäude systematisch erfasst werden, die auch als öffentliche Zufluchtsorte genutzt werden können wie Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Kellerräume.

Alarmsysteme wie Warn-Apps auch im Kriegsfall nutzen

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands für den Schutz kritischer Infrastruktur, Hans-Dieter Borries, warnt allerdings: Mit der Planung von Schutzräumen allein ist es nicht getan. Borries im MDR-Interview: "Wir haben Produkte wie digitale Notfall-Alarmierungsketten, die Einsatzkräfte und die Bevölkerung gemeinsam in Notfallsituationen organisieren. Das funktioniert zum Beispiel besonders gut in einem Modellprojekt in Naumburg an der Saale. Und ich stelle mir vor, dass diese digitalen Alarmierungsketten auch für Bevölkerungsschutzthemen, gegebenenfalls auch für einen militärischen Angriff, bereitgehalten werden. Wir müssen nur diese Systeme umsetzen. Und: Man kann sie für die klassischen, jedes Jahr wiederkehrenden Bevölkerungsschutzlagen – Hochwasser, Starkregen, Sturm – viel besser nutzen."

Experten: Es muss mehr Notstromaggregate geben

Borries verwies in dem Interview auf einen weiteren kritischen Punkt beim Zivilschutz: Die Energieversorgung kritischer Infrastruktur: "Nur bei Krankenhäusern gibt es gesetzliche Vorgaben, dass sie bis zu 48 Stunden geeignete Notstromaggregate und Treibstoff vorhalten müssen. Alle anderen Blaulichtorganisationen fangen erst an, sich dieser Thematik zu stellen. Und wir konnten feststellen, dass Ende 2022, als wir die Sorge vor einem Gasmangel hatten, viele dieser Blaulichtorganisation erschreckend feststellen mussten, dass man für den Ausfall der Gasversorgung zum Heizen von Gebäuden so gut wie keine Kompensationsmaßnahmen hat."

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