Erst "geschult" und dann abgezockt - die "Trader-Gruppen" auf WhatsApp und Telegram
Inhalt des Artikels:
- Eine "Mutti im Babyjahr" und der große Vertrauensbruch
- Das Geld ist weg, die Identität auch
- Die Warnungen der Verbraucherzentrale
Es beginnt ganz harmlos. Regina aus Ilmenau ist auf YouTube unterwegs, sie interessiert sich für Aktien und Börsen, ist auch nicht unerfahren, aber offen für neues. Deshalb schaut sie gerne Videos, in denen Anlagestrategien erklärt werden. Zwischen den Clips erschien eine Anzeige "kostenloser Unterricht in Aktienfragen". Sie klickt auf einen Link und landet in einer WhatsApp-Gruppe.
Eine "Mutti im Babyjahr" und der große Vertrauensbruch
Zunächst liest Regina wochenlang nur mit, in verschiedenen "Trader-Gruppen", die sich entweder um Aktien und ähnlichen Wertpapiere oder um Kryptowährungen drehen. Manche Gruppen entpuppen sich schnell als unseriös, andere sind erstaunlich professionell. Die Betreiber erklären viel, es kann nachgefragt werden, es wird auch unter den Anlegern diskutiert.
Dann meldet sich eine junge Frau bei ihr, die auch in der Gruppe ist. Eine junge Mutter im Babyjahr, angeblich nur auf der Suche nach einem kleinen Zuverdienst. Sie erzählt begeistert von ihren bisherigen Gewinnen und erschleicht sich so das Vertrauen von Regina, die sich irgendwann entscheidet, es selbst einmal zu versuchen.

Die Gruppe lief unter der Bezeichnung "KKR-Investments", was schlicht der Missbrauch eines bekannten Unternehmens war. Wer den Namen gegoogelt hat, konnte nur scheinbar beruhigt sein. KKR alias Kohlberg Kravis Roberts ist eine weltweite Investmentgesellschaft mit Sitz in den USA, die an vielen Unternehmen beteiligt ist, etwa am Medienkonzern Axel Springer und anderen Medienunternehmen, Immobilienfirmen, auch ein Raumfahrtunternehmen ist dabei. Letztlich wird dort das Geld der Anleger investiert. Beratung und Geldanlagen sind demzufolge auch Teil des Geschäftsmodells, aber ganz sicher nicht in WhatsApp-Gruppen, wie das Unternehmen MDR THÜRINGEN mitteilte.
Auch die Verbraucherzentralen sprechen von Betrug und warnen seit Monaten vor dieser relativ neuen Masche, die den Enkeltrick ablösen könnte. Auf den wäre Regina nicht hereingefallen, betont sie, der Betrug mit den Trader-Gruppen war neu für sie. Die Verbraucherzentrale warnt mit drastischen Worten: Hinter vielen Trading-Tipps steckten nur Betrüger.
Andere, die nicht direkt auf Betrug aus sind und täglich "Trading-Signale" senden, können zwar legal sein, aber trotzdem unseriös. Denn die angeblichen Trading-Signale oder die "Top Trader" sind in Wahrheit die Kursentwicklung nicht zuverlässig vorhersagbar, so die Verbraucherschützer.

Das Geld ist weg, die Identität auch
Regina glaubt den Leuten, die die Schulungen durchführen, vor allem aber ihrer "Freundin" im Babyjahr. Sie eröffnet ein Konto, vermeintlich bei KKR, ganz seriös mit Identitätsnachweis. Sie überweist den Mindestbetrag von 1.000 Euro auf ein Girokonto und wird auch nicht stutzig, das sie einen Screenshot von der Überweisung als Beleg schicken soll.
Echte Banken sind durchaus in der Lage, Einzahlungen automatisch dem richtigen Kundenkonto zuzuordnen. Diesen Programmieraufwand machen sich die Betrüger in ihren Fake-Websites offenbar nicht. Diese Seiten sehen zwar sehr professionell aus, gaukeln aber den Betrugsopfern die Kontostände nur vor. Im Online-Konto von Regina tut sich deshalb auch schnell etwas.

Der erste Handel, an dem sie angeblich beteiligt war und über den sich Firmen angeblich kurzfristig frisches Kapital besorgen können, brachte mehr als 100 Euro Gewinn ein. Die kamen in kurzer Zeit auf ihre 1.000 Euro obendrauf. Andere Betroffene schafften es, sich solche "Gewinne" sogar auszahlen zu lassen. Wenn das kein Vertrauensbeweis ist!
Da wusste ich, das war’s. Mein Geld ist weg.
In Wirklichkeit haben sie nur von ihren eigenen 1.000 Euro 100 zurückbekommen, damit sie noch einmal richtig nachlegen. Auch bei Regina schwindet die Skepsis angesichts der leider nur vorgegaukelten Gewinne in der App. 9.000 Euro schickt sie den ersten 1.000 Euro hinterher, die auch in ihrem "Konto" auftauchen.
Kurz darauf beginnen die Unregelmäßigkeiten und Kontaktabbrüche, später kommen Ausflüchte vom "Kundenbetreuer", irgendwann fliegt sie aus der Gruppe. Für Regina wird klar: "Da wusste ich, das war es. Mein Geld ist weg."

Die Warnungen der Verbraucherzentrale
Das Prinzip der "Trader-Gruppen" unterscheidet sich nur unwesentlich. Los geht es mit Lockangeboten über Social Media, danach folgt der Wechsel in Messenger-Gruppen. Manchmal wird man auch solchen Gruppen einfach ungefragt hinzugefügt. Auch Telegram oder WhatsApp. Dort gaukeln dann die Betrüger Nähe, Kompetenz und Gewinnchancen vor. Der Verbraucherschutz warnt: Wird im Internet ein schneller Weg zu großem Reichtum angepriesen, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Betrug.
Gerade WhatsApp eigne sich perfekt, um Druck aufzubauen - abseits öffentlicher Kontrolle. Hinzu kommt die persönliche Ansprache, das Gefühl von Vertrauen, man nutzt sie App ja auch sonst für den Austausch mit Menschen, die man mag.
Besonders bitter: Regina musste sich für das angebliche Investment mit ihrem Ausweis verifizieren. Nun haben die Betrüger nicht nur ihr Geld, sondern auch sensible persönliche Daten. Und Regina ist kein Einzelfall. Oft sitzen die Täter im Ausland, Rückbuchungen sind fast unmöglich.
Wenn meine Erfahrung andere davor bewahrt, in dieselbe Falle zu tappen, dann hat es wenigstens einen Sinn.
Selbst große Namen wie eben KKR werden missbraucht, um Seriosität vorzutäuschen. Regina hat gleich zwei Mal Anzeige erstattet, wegen Identitätsdiebstahls und wegen der 10.000 Euro. Dass sie dieses Geld wieder sieht, daran glaubt sie nicht, möchte aber ihre Geschichte öffentlich machen, um andere zu warnen vor einem richtig teuren Fehler. "Wenn meine Erfahrung andere davor bewahrt, in dieselbe Falle zu tappen, dann hat es wenigstens einen Sinn."
MDR (nir)
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