Das Bürgergeld sei ein "Scheinriese": Linken-Chefin Schwerdtner hat die Stoßrichtung der Debatte um Sozialreformen kritisiert. Einnahmen statt Ausgaben sollten in den Fokus rücken - und hohe Vermögen.

Die Kosten für den Sozialstaat sind hoch und die schwarz-rote Koalition ist uneins darüber, wie Reformen aussehen könnten. Auch die Oppositionsparteien fordern Veränderungen - und einen anderen Fokus in der Debatte. Linken-Chefin Ines Schwerdtner fragte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Warum sprechen wir permanent in den Medien über Bürgergeld-Empfänger, die sowieso schon am wenigsten haben?"

Es gehe zu viel um die Totalverweigerer

Ihr gehe es in der aktuellen Debatte zu viel um sogenannte Bürgergeld-Totalverweigerer, die zumutbare Arbeitsangebote ablehnen. Diese machten aber nur 0,27 Prozent aller Bürgergeld-Empfänger, sagte Schwerdtner. "Die allermeisten, die Bürgergeld beziehen, sind Kinder, sind diejenigen, die vielleicht ihre Eltern pflegen oder sind auch Aufstocker, die schon arbeiten, aber noch Bürgergeld dazu brauchen."

Das Bürgergeld sei ein "Scheinriese" und mache auch nur einen kleineren Teil der Sozialstaatsausgaben aus, sagte Schwerdtner. Sie fordert statt Kürzungen dort die Wiedereinführung der Vermögenssteuer - dann "könnten wir 100 Milliarden Euro einnehmen".

Im Bayerischen Rundfunk erklärte die Linken-Chefin: "Bevor wir weiter nach unten treten und bei den Ärmsten sparen, sollten wir vielleicht nach oben gucken und schauen, welche starken Schultern können mehr tragen." Man müsse nicht darüber reden, "wo können wir zehn Euro dem einen oder anderen wegnehmen, sondern wo kommen wirklich die Milliardenbeiträge her, die unseren Sozialstaat finanzieren können".

Grüne wollen Koalition konstruktiv begleiten

Auch die Grünen fordern Reformen. Fraktionschefin Britta Haßelmann will aber wie die Linken-Chefin keinen Sozialabbau. Nicht die Gestaltung des Sozialstaats sei für die Finanzprobleme verantwortlich, sondern die schlechte Wirtschaftslage, sagte Haßelmann. Ihre Partei wolle die Sozialpolitik der Koalition kritisch, aber konstruktiv begleiten.

Union und SPD haben angekündigt, sie wollten im Herbst die Weichen für Reformen des Sozialstaats stellen. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte erklärt, beim Bürgergeld rund zehn Prozent der Kosten einsparen zu wollen - eine Größenordnung von fünf Milliarden Euro im Jahr.

Die SPD will allerdings keine Leistungskürzungen mittragen, sondern das gegenwärtige soziale Schutzniveau beibehalten. Sozialministerin Bärbel Bas hatte die Behauptung, dass man sich den Sozialstaat nicht mehr leisten könne, als "Bullshit" bezeichnet.

Heute kommen die Spitzen von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsausschuss zusammen. Auch dort dürfte die Zukunft der Sozialsysteme ein großes Thema sein.

Whittaker mahnt zu Kompromissen

Vor dem Treffen mahnte der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Kai Whittaker zu Kompromissen. Der Koalitionsvertrag sei eine gute Grundlage zum Umbau des Sozialstaats, nötig seien aber große Strukturreformen. "Dafür braucht es jetzt Mut und Kompromissbereitschaft von allen Seiten, ohne Denkverbote und mit dem klaren Ziel, die notwendigen Reformen endlich anzupacken", sagte er dem Spiegel.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh sagte, seine Partei werde sich "in dieser Frage nicht von der Union treiben lassen". Sparen allein mache die Sozialversicherungssysteme nicht besser.

Lindhs Fraktionskollege Markus Töns warnte vor überzogenen Erwartungen: "Es wird nichts helfen, gegenseitige Forderungen aufzustellen, von denen man weiß, dass sie nicht durchsetzbar sind." Beim Koalitionsausschuss müssten sich "alle mal jetzt zusammenreißen".

CDU-Politiker Radtke kritisiert Merz

In der Union gibt es auch erste Stimmen, die davor warnen, mit der SPD weiter über Kürzungen zu streiten. Der Chef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Dennis Radtke, kritisierte im rbb direkt den Kanzler und Parteichef: Es sei nicht hilfreich von Merz gewesen, Zweifel am Sozialstaat zu säen, sagte er. Er halte aber auch nichts davon, dass teile der SPD jeglichen Reformbedarf bestreiten. Allen drei Partnern sei in den Koalitionsverhandlungen klar gewesen, dass an Reformen kein Weg vorbeiführe.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke