Parteien, profiliert euch!
- AfD wird zunehmend als realistische politische Alternative gesehen.
- Dem setzen die anderen Parteien bisher zu wenig Klarheit entgegen.
- Die Umfrage für Sachsen-Anhalt könnte eine frühe Warnung sein.
Wie laut muss der Weckruf noch werden und wer kann ihn eigentlich noch überhören? Ein Jahr vor der Landtagswahl steht die AfD in Sachsen-Anhalt in der Umfrage von Infratest Dimap bei fast 40 Prozent. Damit ist sie keine bloße Drohkulisse mehr wie noch 2021, sondern sie sieht für sich eine realistische Machtperspektive.
Dramatische Verschiebung der Wählerneigung
Die Verschiebung ist dramatisch. Sie zeigt, dass die AfD nicht mehr nur als Partei wahrgenommen wird, der sich Enttäuschte und Frustrierte zuwenden, sondern zunehmend als fähig, Verantwortung zu übernehmen.
Nicht, weil die AfD differenzierte Konzepte für die Probleme des Landes hätte, sondern weil die übrigen Parteien die Rolle als Problemlöser nicht ausfüllen und den rechtspopulistischen Taktiken der AfD kaum etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen haben.
Die Grundstimmung im Land ist zudem von Beunruhigung geprägt. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nicht ausreichend vertreten. Dieser Vertrauensverlust in Institutionen und die lähmende Unzufriedenheit sind Nährboden für Politikverdrossenheit. Und genau hier setzt die AfD an. Sie inszeniert sich weiterhin als vermeintlich neutraler Gegenentwurf zu den übrigen Parteien.
Den anderen Parteien fehlt es an Profil
Doch obwohl die AfD inhaltlich schwach bleibt, schöpfen andere Parteien daraus keinen Vorteil: Union, SPD, Grüne und FDP wirken austauschbar – in der Programmatik, im Auftreten, in der Kommunikation. Sie schaffen es nicht, inhaltlich unterscheidbar zu bleiben und erkennbar Antworten zu setzen.
Besonders deutlich wird das bei der CDU: Reiner Haseloff war jahrelang das Gesicht der Partei und "Landesvater" – ein Stabilitätsanker. Sein Nachfolger Sven Schulze wirkt noch blass, der Amtsbonus ist passé. Die Partei braucht nun eine erkennbar andere Handschrift, sonst droht sie im Schatten der AfD zu verschwinden.
Doch auch alle anderen täten gut daran, ein klares politisches Profil zu entwickeln: SPD, Linke, Grüne und FDP haben Spitzenkandidaten, die im Land kaum bekannt sind. Inhalte gehen im Klein-Klein unter. Bundespolitische Debatten – ob über Migration oder Bürgergeld – bestimmen den Diskurs, obwohl die eigentlichen Probleme vor der Haustür liegen: Welche Klinik schließt als nächstes? Fällt morgen schon wieder der Unterricht aus? Geht der Betrieb insolvent?
Alltagsprobleme konkret adressieren
Genau hier wäre der Ansatzpunkt: Wer die Alltagsprobleme konkret adressiert und die Menschen stützt, die vor Ort die Lösungen erarbeiten, kann Vertrauen zurückgewinnen. Ein Jahr vor der Wahl ist genau jetzt die Gelegenheit für alle demokratischen Parteien, den Gestaltungs- und ja, auch Veränderungswillen der Bevölkerung ernst zu nehmen.
Das gilt vor allem für die CDU. Ihre Regierung mit SPD und FDP in Sachsen-Anhalt ist noch zwölf Monate im Amt: Zwölf Monate, um ihren Wählerinnen und Wählern zu beweisen, warum sie auch in der nächsten Legislatur die geeignete Regierungspartei ist. Entscheidend ist nun, wer glaubhaft Hoffnung gibt – auf funktionierende Schulen, sichere Arbeitsplätze, erreichbare Krankenhäuser und damit auf eine Politik, die verlässlich ist.
Sachsen-Anhalt: Politisches Frühwarn-System
Berlin sollte diesen Weckruf ebenfalls laut und deutlich vernehmen und das verlorene Vertrauen in Ostdeutschland zurückgewinnen, indem man sich endlich für Ostdeutschland wirklich interessiert. Nicht nur als unberechenbare Problemzone, sondern als zentrales Politikfeld in allen Sachfragen.
Sachsen-Anhalt ist kein Randnotizland – es ist ein politisches Frühwarn-System. Wer jetzt nicht hinhört, wird später vom Echo überrascht. Noch ein Jahr haben die Parteien Zeit, aus der Blackbox ein Zukunftsmodell zu machen. Die Zeit läuft.
MDR AKTUELL (ksc)
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