• Fachärzte kritisieren die Angebote in den Drogeriefilialen und in der Telemedizin. Ohne Spezialausrüstung seien keine verlässlichen Diagnosen möglich.
  • Außerdem bemängeln die Mediziner, dass Kunden mit groben "Diagnosen" allein gelassen würden.
  • Die Drogeriekette will ihr Angebot als Ergänzung der ärztlichen Behandlung verstanden wissen, nicht als Ersatz.

Als "oberflächlich" bezeichnet Peter Heinz vom Berufsverband der Augenärzte (BVA) die Augenscreenings, die in den fünf "dm"-Filialen angeboten werden. Er glaubt nicht, dass die angebotenen Augenscreenings medizinischen Standards entsprechen. In den Märkten machen Mitarbeiter Fotos von der Netzhaut, die dann auf mögliche Erkrankungen untersucht werden.

Augenscreening: Kleinste Abweichungen können zu Fehldiagnosen führen

Dabei könnten kleinste Abweichungen zu falschen Ergebnissen führen, sagt Heinz: "Wenn zum Beispiel ein Patient an der Zuckerkrankheit – also Diabetes Melitus – leidet, da reicht es nicht, wenn ich mir nur die zentralen Netzhautbereiche anschaue. Da muss ich auch in die Netzhautperipherie schauen, weil dort können je nach Art der Diabeteserkrankung die ersten Veränderungen auftreten."

Heinz sieht das Wohl der Patienten gefährdet. Marcel Reiser von dm verweist darauf, dass geschulte Mitarbeiter die Netzhautfotos anfertigen würden. Im Anschluss würden sie dann digital von Experten mit Hilfe von KI ausgewertet: "Wir arbeiten mit qualifizierten Fachärzten, die hier ihre Grenzen auch sehr gut einschätzen können und wenn sie sich unsicher sind, dann können sie immer auch darauf verweisen, dass diese Fragestellung per Telemedizin nicht zu beantworten ist."

Online-Hautarzt: Foto von Leberfleck ersetzt kein Dermatoskop

In der Kritik steht auch der sogenannte Online-Hautarzt, den die Drogerie-Kette seit kurzem im Angebot hat. Über eine App können Kunden Hautärzte um Rat fragen, zum Beispiel ein Foto von einem Leberfleck machen und – so das Versprechen – 24 Stunden später eine Diagnose bekommen.

Auch hier mangelt es aber an fachärztlichen Standards, sagt der Präsident des Dermatologen-Verbands (BVDD), Ralph von Kiedrowski: "In jeder Hautarztpraxis werden pigmentierte oder hautkrebsverdächtige Befunde mit einer besonderen Spezialbeleuchtung und Speziallupe angeschaut, dem Dermatoskop, womit ich klare Strukturen in der Haut erkennen kann, die aber durch ein Foto nicht sichtbar sind."

Verdachtsbefunde: Patienten werden mit "Diagnosen" allein gelassen

Ein weiteres großes Problem sieht von Kiedrowski darin, dass das Angebot mit der Diagnose endet. Die Patienten würden mit den Befunden allein gelassen, müssten sich dann selbst um die Behandlung kümmern – also einen Facharzt suchen. "Das heißt, sie müssen dann versuchen, in ein System reinzukommen, in dem ja schon Wartezeiten bestehen." Das sei schwierig und mache vor allen Dingen in den Hautarztpraxen Probleme, weil nicht juristisch geklärt sei, wie verbindlich ein solcher tele-medizinischer Verdachtsbefund sei.

Drogerie: Angebot soll Ärzte ergänzen, nicht ersetzen

Marcel Reiser von dm weist die Kritik zurück. Es gehe nicht darum, bestehende Strukturen zu ersetzen, sondern zu ergänzen. In Zeiten von vollen Praxen und ohnehin schon langen Wartezeiten sei das Ziel des Angebots, Patienten frühzeitig eine fachärztliche Einschätzung zu ermöglichen und sie dann gezielt an die richtige Stelle weiterzuleiten: "In diesem Fall glauben wir, dass es ein sehr sinnvoller Beitrag ist." Selbst wenn mehr Menschen in Wartezimmer gelangten, sei das sinnvoll, da sie dann früher eine Behandlung erführen oder zumindest ein besseres Bewusstsein über ihren Gesundheitszustand hätten.

Kritische Töne kommen auch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Deren Gesundheits-Experte Peter Grieble sagt, es müsse klar zu erkennen sein, was die Gesundheitsangebote leisten können, damit bei den Verbrauchern keine falschen Erwartungshaltungen entstünden. Heißt also: Nichts versprechen, was man am Ende nicht halten kann.

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