Viele der Argumente, die häufig als Gründe gegen die Nutzung von E-Autos angegeben werden, gehören zum Themenspektrum Ladesäule. Sie seien, so die Kritiker, schwer zu bedienen, manchmal nicht mit dem eigenen Auto kompatibel, hätten zu lange Ladezeiten und dazu gebe es auch noch zu wenige von ihnen. Punkte 1 und 2 lassen sich leicht beantworten, Argumente 3 und 4 waren Gegenstand der Diskussionen auf der diesjährigen Internationalen Auteomobilausstellung (IAA), die am 12. September zu Ende gegangen ist.

Punkt 1: Der Ladevorgang ist zu kompliziert?

Wer eine eigene Lademöglichkeit hat (z.B. eine Wallbox oder eine Steckdose), steckt das Ladekabel ins Auto und startet die Stromzufuhr. Fertig. Für unterwegs (oder auch bei Ladestationen am Wohnort) gilt:  In der Regel haben Menschen mit E-Auto eine Ladekarte (manche schaffen sich auch mehrere an, um den jeweils besten Preis zu finden). Diese Ladekarte wird an das Display der Säule gehalten, dann das Ladekabel ausgewählt und ins Fahrzeug gesteckt. Da war’s. Keine Auswahl zwischen Diesel, Super, Super Plus etc., kein Gang zur Kasse. Nutzerfreundlicher also als das herkömmliche Tanken an einer Tankstelle.

Punkt 2: Die Ladekabel / Stecker sind nicht kompatibel?

Das gehört seit 2013 der Geschichte an. Seither gilt ein europäischer Standard. Die Schnellladesäulen haben eigene Ladekabel, die direkt ins Auto gesteckt werden. Für langsamere Ladepunkte wird ein mitgebrachtes Ladekabel gebraucht, das aber genormt ist und bei jeder Ladesäule / Wallbox genutzt werden kann.

Punkt 3: Die Ladezeit ist länger als ein normaler Tankvorgang?

Richtig, zumindest aktuell noch. Die Ladezeit hängt an zwei Parametern, dem Angebot, das die jeweilige Säule liefern kann und der Fähigkeit des Fahrzeugs, dieses Angebot auch annehmen zu können. Bei einer Wallbox mit 11kW pro Stunde kann das Fahrzeug noch so gute Werte aufweisen. Es kommen eben nur 11 kW (was bei einer Wallbox, an der das Auto über Nacht steht, völlig egal ist). Umgekehrt hat man von einer Schnellladesäule, die 300 kW liefert, nicht die optimale Ausbeute, wenn das Auto diese Menge nicht verarbeiten kann. In der Regel hat man bei Schnellladesäulen sein Auto nach 20 bis 40 Minuten von 20 auf 80 Prozent Ladeleistung befüllt. Und das ist natürlich länger als ein Tankvorgang an einer Autobahntankstelle, bei der man inklusive Gang zur Kasse nach 5 bis 10 Minuten durch ist.

Lösung: Das Laden mit anderen Tätigkeiten verbinden und Zeit sparen.

Um diesen Unterschied positiv nutzen zu können, ist ein etwas verändertes "Tanken" hilfreich. Christine Eisenmann, Leiterin des Fachgebiets Infrastruktur- und Mobilitätsplanung an der TU Cottbus-Senftenberg, sagt dazu: "Wenn Sie Ihr Auto an einem Normalladepunkt laden, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Wochenendausflug beispielsweise zum Zoo, dann brauchen Sie da keinen Verkäufer mehr. Und wenn man auf einer längeren Strecke unterwegs ist und einen Ladepark mit Schnellladern anfährt, dann stehen die ganz oft in der Nähe von kleinen Geschäften oder Raststellen, und da finden Sie dann auch Kleinigkeiten zum Einkaufen." Ohnehin finden aber laut Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) "fast 90 Prozent der Ladevorgänge entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz statt." Um die Ladeinfrastruktur noch weiter auszubauen, gebe seiner Meinung nach zwei Hebel: Die Koppelung von Konzessionen für Autobahnraststätten an eine Anzahl von Schnellladesäulen, aber auch eine Festlegung für die "Stromnetzverteilorganisation", je nach Dichte der Bevölkerung und technischer Möglichkeit, eine definierte Zahl von Ladepunkten bereitzustellen.

Punkt 4: Reichen die bestehenden Ladesäulen aus?

Bleibt der am stärksten diskutierte Punkt 4: Reichen die bestehenden Ladesäulen aus, um mehr Menschen die "Reichweitenangst" zu nehmen? Hier gibt es unterschiedliche Aussagen. Andreas Knie sieht Deutschland "im Mittelfeld. Eine Grundversorgung ist gegeben". Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ist der Auffassung, dass "das Thema leider in einigen medialen und politischen Diskussionen stark übertrieben" werde. Eine angeblich mangelnde Ausstattung mit Ladesäulen sei oft auch ein subjektives Problem: "viele Personen nehmen die gute Ausstattung an Ladeinfrastruktur in Deutschland erst wahr, wenn sie sich intensiver mit dem Thema beschäftigen."

"Das Angebot an Ladeinfrastruktur ist in den letzten Jahren massiv gewachsen", sagt Gernot Liedtke, kommissarischer Institutsdirektor am Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin. "Deutschland hat die aktuellen europäischen Vorgaben für die zu installierende öffentliche Ladeleistung um den Faktor zwei übertroffen. Die Themen Reichweite und Ladeinfrastruktur sind damit immer weniger eine zentrale Hürde beim Umstieg auf Elektrofahrzeuge." Er weist aber darauf hin, dass es regionale Unterschiede gibt und man deshalb an einigen Stellen nachbessern muss, u.a. auch bei Mehrfamilienhäusern: "Beim Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur ist zu beachten, dass es Menschen gibt, die über keinen eigenen Parkplatz auf dem eigenen Grundstück verfügen. Das ist manchmal auch der Fall bei Mehrparteienhäusern, was zum nächsten Thema führt: Auch in solchen Anlagen müssen Eigentümergemeinschaften dafür sorgen, dass es Lademöglichkeiten innerhalb oder neben der Immobilie gibt, was am besten gemeinsam für die gesamte Liegenschaft realisiert wird."  

Reichweitenangst unbegründet

Einig sind sich die Experten darin, dass die Ladeinfrastruktur, selbst wenn sie noch nicht überall optimal ist, in der Regel keinen Grund darstellt, aus "Reichweitenangst" auf die Anschaffung eines E-Autos zu verzichten. Dass ein Vermieter nicht im Wege stehen darf, wenn sich Mieter eine Wallbox zulegen wollen, hilft zukünftig auch Bewohnern von Mehrfamilienhäusern, über den Umstieg nachzudenken.

cd mit Science Media Center

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