CDU-Sozialflügel kritisiert Merz-Äußerung
Aus den eigenen Reihen gibt es Kritik an Merz' Aussage, der Sozialstaat sei so nicht mehr finanzierbar. Die Union insgesamt hält aber weiter an den Sparplänen fest - und auch die SPD bekennt sich zu geplanten Reformen.
Der CDU-Sozialflügel kritisiert Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für Äußerungen zur Finanzierung des Sozialstaats. Merz' Äußerung, der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar, sei Alarmismus, sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Die Sozialstaatsquote sei gemessen am Bruttoinlandsprodukt seit Jahrzehnten konstant.
"Wir verlieren ohne Not viele Menschen auf dem Weg zu den nötigen Reformen, wenn wir ihnen Angst machen", sagte Radtke weiter. Die Union sei nicht mehr in der Opposition, wo markige Überschriften und fetzige Forderungen gefragt seien. "Es gibt Reformbedarf, nur bitte nicht mit der Kettensäge."
"Bundesregierung hat Anteil an schlechter Stimmung"
Die Regierung müsse dafür sorgen, dass das einstige Aufstiegsversprechen wieder gelte. Menschen erlebten, dass sie sich trotz harter Arbeit wenig leisten könnten. Das nutze die AfD aus, um Stimmung gegen Geflüchtete und Bürgergeld-Empfängerinnen und -empfänger zu machen, die nicht in das Sozialsystem einzahlen.
Dass die Stimmung in Deutschland sich aktuell verschlechtere, habe die Bundesregierung mit ihrem Erwartungsmanagement und internem Streit mitzuverantworten.
Mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit bringen
Die Union hatte einen "Herbst der Reformen" angekündigt. Der Kanzler erklärte, beim Bürgergeld etwa fünf Milliarden Euro einsparen zu wollen. Nach Aussagen von Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) gegenüber der "Welt am Sonntag" soll dieses Ziel auch dadurch erreicht werden, dass man mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit bringt.
"Niemand will Bedürftigen Leistungen nehmen. Es geht darum, die Zahl der Menschen zu senken, die dauerhaft auf Transfer angewiesen sind", sagte Frei. Ziel beim Bürgergeld sei "nicht weniger Unterstützung für Berechtigte, sondern deutlich weniger Empfänger, weil mehr Menschen wieder arbeiten", führte er aus.
Einsparungen bei Kosten von Wohnungen
Dafür seien eine Ausgabenbegrenzung und mehr Gerechtigkeit durch klare Leistungsanreize nötig, betonte Frei. Konkret nannte er Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft von Bürgergeld-Empfängerinnen und -empfängern, für die allein der Bund im vergangenen Jahr mehr als elf Milliarden Euro ausgegeben hat. "Alles, was der Koalitionsvertrag eröffnet, liegt auf dem Tisch - auch die Kosten der Unterkunft", erklärte Frei.
Selbstverständlich wolle niemand Familien ohne Alternative aus Wohnungen drängen, betonte er. "Aber wir können Gerechtigkeitsprobleme nicht ignorieren, wenn Transferleistungen mit qualifizierter Erwerbstätigkeit konkurrieren." Eine Pauschale könne Transparenz schaffen und Ausgaben begrenzen - "mit Übergangsregelungen, Härtefallklauseln und regionaler Differenzierung", schlug Frei vor. Auch das deutsche Gesundheitssystem müsse grundlegend reformiert werden, forderte der Kanzleramtschef weiter. Es sei zu teuer und nicht effizient genug.
Missbrauch des Sozialsystems stärker bekämpfen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann fordert höhere Hürden für die Migration ins deutsche Sozialsystem. "Wir müssen den Missbrauch des Sozialsystems stärker bekämpfen", sagte Hoffmann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Es gibt mafiöse Strukturen im Bürgergeldbezug, denen ein Ende gesetzt werden muss."
Zwar werde EU-Bürgerinnen und -Bürgern per Rechtsprechung schon bei minimaler wöchentlicher Arbeitszeit Freizügigkeit in der Union garantiert. Deutschland könne aber zusätzliche Kriterien schaffen, um die Migration ins Sozialsystem einzudämmen. "Mehr Kriterien könnten helfen, Missbrauch zu verhindern." Konkrete Vorschläge machte er nicht.
In der Koalition sei darüber bereits gesprochen worden. "Ich erlebe da auch in der SPD eine Bereitschaft, dieses Thema anzugehen", betonte Hoffmann.
Bas: Größere Einsparungen nur bei mehr Wirtschaftswachstum
Auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hatte bereits erklärt, stärker gegen Sozialbetrug von Migranten vorgehen zu wollen. Es gebe "ausbeuterische Strukturen, die Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken und ihnen Mini-Arbeitsverträge anbieten. Gleichzeitig lassen sie diese Menschen Bürgergeld beantragen und schöpfen die staatlichen Mittel dann selbst ab. Das sind mafiöse Strukturen, die wir zerschlagen müssen", machte sie deutlich. Laut Arbeitsministerium ist dafür vor allem das Ruhrgebiet bekannt.
Bas hält größere Einsparungen beim Bürgergeld nur in Verbindung mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum für möglich. "Ohne mehr Wachstum wird es nicht gehen", sagte Bas der "Zeit". "Einsparen können wir, wenn wir die Leute aus dem Bürgergeld in die Arbeit bekommen", stellte sie klar.
Die SPD-Chefin bekannte sich in dem Interview auch zu weitreichenderen Reformen des Sozialstaats. Erhebliches Potenzial sieht sie dabei auch im Bereich Digitalisierung. "Wenn es uns gelingt, die Verwaltung wirklich effizienter aufzustellen, wird das enorme Kosten einsparen", sagte die Ministerin. Derzeit sei der Sozialstaat "sehr behäbig, sehr bürokratisch und sehr ineffizient".
Mehr Tempo bei Umsetzung der Reformen
Die Arbeitgeber fordern von der Bundesregierung Tempo bei der Umsetzung von Reformen. Mit Blick auf die Proteste in Frankreich gegen Sparpläne der dortigen Regierung sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Frankreich zeigt, wie gefährlich es ist, notwendige Reformen zu lange aufzuschieben: Das Ergebnis ist ein völlig überschuldeter Staat, in dem die politischen Extreme links und rechts die bürgerliche Mitte zu zerreiben drohen."
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, die im Koalitionsvertrag enthaltenen Maßnahmen müssten schnell und konsequent umgesetzt werden. Dulger warnte: "Sollte dem 'Herbst der Reformen' kein 'Winter der Umsetzung' folgen, wird sich die Stimmung im Land verschlechtern."
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