Die Bundesregierung verspricht Reformen, um den Sozialstaat zu erhalten. Um Zeit zu gewinnen, hat sie zunächst strittige Fragen in Kommissionen ausgelagert. Die Probleme und ihre Lösungen liegen jedoch auf dem Tisch. Sie sind für uns Bürgerinnen und Bürger vielfach schmerzhaft. Die sozialen Sicherungssysteme müssen in einem Ausmaß umgebaut werden, wie es das seit der Agenda 2010 nicht mehr gegeben hat.

Union und SPD brauchen den Mut, die unangenehmen Entscheidungen trotzdem zu treffen. Das kann nur in Form eines großen Kompromisspakets gelingen, in der beide Seiten Positionen aufgeben. Leider tun sie bislang allzu oft so, als sei das unmöglich.

Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen

Die Unterschiede sind aber nicht unüberbrückbar. Beispiel Bürgergeld. Hier muss es möglich sein, Menschen stärker zu fordern, wenn sie zumutbare Arbeit ablehnen, und sie dennoch etwa in Form von Eingliederungsmaßnahmen zu unterstützen. Es ist doch denkbar, Sozialleistungen bei fehlender Mitwirkung zu streichen – im verfassungsgemäßen Rahmen – und gleichzeitig den Mindestlohn zu erhöhen. Beides jeweils, um den Anreiz zur Aufnahme von Arbeit zu erhöhen.

Das Bürgergeld ist noch eines der kleineren Probleme. Wenn der Befreiungsschlag nicht gelingt, fliegen uns durch den demografischen Wandel die Systeme Rente, Gesundheit und Pflege um die Ohren. Auch hier müssen die Regierungsparteien Positionen zusammenbringen. Es ist zwingend, längeres Arbeiten zu fördern – durch die "Aktivrente" oder andere Modelle. Und es ist langfristig ebenso richtig und von einer übergroßen Mehrheit gewünscht, Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu lassen, inklusive einer Kürzung der ungerecht hohen Pensionen.

Es ist mathematisch aber unmöglich, Leistungen auszuweiten, Beiträge stabil zu halten, Steuern nicht zu erhöhen und gleichzeitig die Staatsverschuldung im Griff zu halten.

Bei vielen Fragen müssen die Regierungsparteien dahin kommen, wo die Ampel-Koalition nie war: tatsächlich mehr zu sein, als die Summe ihrer Teile. Was SPD, CDU und CSU in ihrem Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, reicht an vielen Stellen nicht aus. Die Wörter "sparen" und "kürzen" stehen nirgends im Text. Es ist mathematisch aber unmöglich, Leistungen auszuweiten, Beiträge stabil zu halten, Steuern nicht zu erhöhen und gleichzeitig die Staatsverschuldung im Griff zu halten.

Es braucht zugleich Kürzungen und Mehreinnahmen

In der Rente wird es ohne Kürzungen kaum gehen, will man nicht alle Lasten den Jüngeren aufbürden. Künftige Rentenerhöhungen könnten etwa an die Inflation gekoppelt werden, statt an die Lohnentwicklung. Abschläge auf Frühverrentungen müssen angehoben werden. Auch im Gesundheitsbereich sind Einschnitte unumgänglich. Weitere Kliniken werden schließen müssen. In der Pflege steht der Pflegegrad 1 zur Disposition. Und: Muss zum Beispiel jedes neue Medikament sofort in den Leistungskatalog, selbst wenn sein Zusatznutzen gar nicht erwiesen ist?

Die Finanzlage ist so schlecht, dass die Regierung auch die Einnahmeseite in den Blick nehmen muss. So wie sie ihr Keine-Schulden-Verprechen abgeräumt hat, so wird die Union wahrscheinlich auch die Keine-Steuererhöhungen-Position aufgeben müssen. Höhere Beitragsbemessungsgrenzen für Spitzenverdiener kämen den Sozialkassen direkt zugute; eine höhere Ebschaftssteuer würden viele als gerecht empfinden – sogar die Mehrheit der Unionsanhänger.

Dabei muss es ja wiederum kein Widerspruch sein, zugleich an anderer Stelle Steuern zu senken, wie es die Union gerne möchte. Steuerfreie Überstundenzuschläge und eine Abflachung des Einkommenssteuertarifs würden Leistungsträger belohnen. Vorteile für Unternehmen wurden bereits beschlossen.

Jetzt oder nie

Gefragt sind also viele Kompromisse in einem austariertem Gesamtkonzept. Ist die Regierungskoalition dazu fähig? Die Zweifel daran sind groß mit Blick auf die holprige Kanzlerwahl oder die gescheiterte Verfassungsrichterwahl. Für ein Gelingen spricht das Momentum. Alle sind einig, dass etwas passieren muss.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Probleme werden bei Nichtstun immer größer. 2026 sind fünf Landtagswahlen, im September unter anderem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Um die politische Stimmung zu drehen, brauchen Union und SPD Erfolge. Versprechen haben die Wählerinnen und Wähler genug gehört.

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