Frauen leben länger als Männer. Das kannte man vom Menschen, aber es setzt sich auch im Tierreich fort. Das zumindest sind die Ergebnisse einer internationalen Studie unter Beteiligung des Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Die Studie hat die Unterschiede zwischen den Geschlechtern anhand von 1.176 Arten in Zoos weltweit untersucht und herausgefunden, welche Faktoren dazu beitragen, dass weibliche Tiere meistens länger leben als die Männchen.

"Was unsere Studie besonders macht, ist, dass wir auch viele Tiergruppen untersucht haben, zu denen es vorher nur sehr wenige Daten gab", erklärt Biologin Johanna Stärk vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Dazu zählen etwa über 100 Primatenarten, aber auch ungewöhnlichere Gruppen wie Beuteltiere, Fledermäuse oder auch Papageien. Die untersuchten Tierarten lebten alle in Zoos. Im Vergleich der Tiergruppen zeigte sich, dass bei Säugetieren meistens die weiblichen Individuen älter werden, bei Vögeln allerdings war es umgekehrt.

Polygamie = Männchen sterben früher?

Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass der Paarungsmodus eine entscheidende Rolle spielt, wenn es darum geht, wie alt die männlichen Tiere einer Art werden. Viele Vogelarten leben monogam, während bei Säugetieren andere Paarungsmodelle überwiegen. Ein Beispiel ist der Löwe. Ein Männchen paart sich mit mehreren Weibchen und verteidigt sein Rudel gegenüber Rivalen. Um auf Weibchen besonders anziehend zu wirken und bei Revierkämpfen besser geschützt zu sein, haben Löwenmännchen etwa ihre Mähne. Johanna Stärk nennt das "energetisch kostspielige Merkmale". Dazu zählt übrigens auch eine besonders hohe Körpergröße.

Das wirke sich auf die Lebensspanne aus, erklärt Stärk: "Unsere Studie zeigt, dass das Paarungssystem diese Geschlechtsunterschiede beeinflusst. In monogamen Arten waren sie geringer, während bei polygamen Arten die Männchen früher sterben."

Wer den Nachwuchs aufzieht, lebt häufig länger

Was sich mit dieser Hypothese auf den ersten Blick aber nicht ganz in Einklang bringen lässt: Die Fürsorge für Nachwuchs, häufig eine weibliche Aufgabe, war in der Studie mit einer längeren Lebensdauer verbunden. "Das hat uns tatsächlich auch überrascht", erklärt Johanna Stärk. Auch hier hatten die Forschenden vermutet, dass diese ebenfalls energieaufwendige Aufgabe mit einer geringeren Lebenserwartung verbunden sein könnte, aber das Gegenteil war der Fall. Die Forschenden fanden heraus, dass das Geschlecht, das stärker an der Aufzucht des Nachwuchses beteiligt ist – bei Säugetieren waren das die Weibchen – tendenziell länger lebt. "Eine Hypothese ist, dass es eben auch vorteilhaft sein kann, wenn das fürsorgliche Elternteil länger lebt", erzählt Johanna Stärk. Das sei vor allem bei langlebigen Arten wie Primaten der Fall, wenn die Jungtiere viele Jahre bei den Eltern bleiben.

Chromosomen können auch über die Lebensspanne entscheiden

Dass weibliche Tiere meist älter werden als männliche Tiere, könnte darüber hinaus aber auch direkt mit den Geschlechtschromosomen zusammenhängen. Beim Menschen sind die Männer heterogametisch, also haben die Chromosomen XY, während die Frauen homogametisch sind (XX). Die zwei X-Chromosomen könnten dafür sorgen, dass etwa Schäden besser ausgeglichen werden können – das kann beispielsweise die Immunreaktion verbessern, was wiederum zu einem längeren Leben beiträgt.

Die heterogametische Geschlechtshypothese geht deshalb davon aus, dass Menschen und Tiere mit zwei gleichen Chromosomen länger leben. Unter den Säugetieren sind das die Weibchen – aber bei den Vögeln sind es die männlichen Tiere, die zwei gleiche Chromosomen haben. "Das könnte die Unterschiede zwischen Säugetieren und Vögeln mit erklären", vermutet Johanna Stärk.

Insgesamt geht man davon aus, dass sowohl die Genetik, als auch viele andere Faktoren wie etwa der Lebensstil darüber entscheiden, wie alt männliche und weibliche Individuen werden. Bei Tieren weiß man etwa, dass Zootiere tendenziell älter werden als Tiere in freier Wildbahn – und: Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind bei Zootieren weniger stark ausgeprägt. Das bestätigen auch die Befunde der aktuellen Studie.

Genetik vs. Lebensstil: Was entscheidet, wie lange wir leben?

Pauschal lassen sich diese Befunde aus dem Tierreich nicht auf den Menschen übertragen, aber sie liefern spannende Indizien dafür, dass die Genetik doch entscheidender sein könnte als der Lifestyle. "Interessant ist, dass Frauen in allen Ländern der Welt länger leben als Männer. Es gibt große Unterschiede in diesen Ländern, deshalb lässt das schon darauf schließen, dass es auch biologische Grundlagen für diese Unterschiede gibt", findet Johanna Stärk.

In einer Folgestudie würde sie nun gerne untersuchen, ob sich Todesursachen, die häufiger bei Männern vorkommen, wie Herzinfarkte, auch bei männlichen Tieren wiederfinden lassen. Das wäre dann ein weiterer Indikator dafür, dass Männer nicht alleine durch ihren Lebenswandel unter diesen Krankheiten leiden, sondern auch die genetische Prädisposition eine Rolle spielt.

Links/Studien

Die Studie Sexual selection drives sex difference in adult life expectancy across mammals and birds wurde im Journal Science Advances veröffentlicht.

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