• Angebot in russischen Supermärkten kaum verändert
  • Westliche Waren fluten Zentralasien
  • Echte Sanktionsverstöße offenbar selten

Kirgisistan, früher Kirgisien, ist nicht nur ein malerisches Gebirgsland in Zentralasien. Es ist auch ein Land, in das man gut verkaufen kann. Vergangenes Jahr schickten deutsche Firmen Waren für rund 700 Millionen Euro dorthin: Maschinen, Pumpen, Autos. In Summe 17 Mal mehr als noch 2020. Wie kann das sein?

Reint GroppBildrechte: Reint E. Gropp

Reint Gropp vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle vermutet, ein Großteil dieser Waren sei eigentlich für Russland bestimmt. Exporte nach Kirgisistan dienten auch dazu, die Russland-Sanktionen zu umgehen.

Gropp sagt, wenn man in Russland in den Supermarkt gehe, werde man feststellen, dass man genau dieselben Produkte bekomme, wie vorher auch. Sie seien vielleicht ein bisschen teurer, weil es eben den Zwischenhändler über Kirgisien, Tadschikistan und solche Länder gebe. "Das heißt, die Sanktionen funktionieren eben nicht. Wir setzen sie nicht konsequent durch", fasst Gropp die Situation zusammen.

Die Sanktionen funktionieren nicht. Wir setzen sie nicht konsequent durch.

Reint GroppLeibniz-Institut

Auch aus Mitteldeutschland sind die Exporte in diverse, einst zur Sowjetunion gehörende, Länder seit 2020 stark gestiegen. So liefern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt seit dem Ukraine-Krieg zehn Mal mehr nach Kirgisistan, drei Mal mehr nach Usbekistan und fast zweieinhalb Mal mehr nach Kasachstan.

Lieferungen über Drittländer

Es ist ein Phänomen, das der US-Ökonom Robin Brooks kritisiert. In einem Artikel für das Magazin Focus schrieb er im September: "Kirgisistan ist nur ein Beispiel, aber vielleicht das ungeheuerlichste. Westliche Waren fluten derzeit ganz Zentralasien, den Kaukasus und die Türkei. Die Gesamtmengen haben wirtschaftlich eine immense Bedeutung. Die über Drittländer umgeleiteten Lieferungen deutscher Automobile beispielsweise gleichen den Rückgang der Direktexporte nach Russland vollständig aus."

Tatsächlich gehören Russland, Kirgisistan, Kasachstan, Belarus und Armenien zur Eurasischen Wirtschaftsunion. Will man etwas über Umwege nach Russland bringen, dann über diesen Weg. Doch werden hier wirklich Sanktionen im großen Stil umgangen? Die Auslandshandelskammer für Zentralasien will sich öffentlich nicht äußern. Anders der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Hier leitet Michael Harms die Geschäfte und betont, er würde eine Sanktionsumgehung nicht komplett ausschließen. Das gehöre zur Ehrlichkeit mit dazu.

Wenig echte Sanktionsverstöße

Doch Harms schränkt ein, echte Sanktionsverstöße seien wahrscheinlich sehr selten. Den gewachsenen Handel erklärt er anders.

Michael HarmsBildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Früher seien die Länder Zentralasiens über Russland mitbeliefert worden. Seit dem Ukraine-Krieg schicke die deutsche Wirtschaft ihre Waren direkt dorthin. Außerdem seien die wirklich sensiblen und wichtigen Sanktionen die Sanktionen im Bereich der Dual-Use-Güter und der militärischen Güter. Harms sagt: "Das ist das, was uns wirklich umtreibt. Und wenn man sich dort die Statistiken anguckt, dort haben sich die Exporte von diesen Gütern in diese Länder nicht erhöht seit 2022."

Das klingt beruhigend. Der US-Ökonom Robin Brooks sieht trotzdem große Mengen an Ausweichexporten. Er verweist darauf, dass die baltischen Staaten, Frankreich und Polen die Umweg-Lieferungen nach Russland eingeschränkt haben. Auch Reint Gropp findet: Die Politik sollte eingreifen. Es könnten viel striktere Sanktionen verhängt werden, man tue es aber nicht. Er finde das außerordentlich unglücklich.

Wir könnten sehr viel striktere Sanktionen verhängen, tun es aber nicht.

Reint GroppLeibniz-Institut

Gropp sagt, man könne auch Länder sanktionieren, wenn sie bestimmte Waren nach Russland weiterverkaufen. Im September hat die EU ein neues Sanktionspaket vorgelegt. Das 19. soll auch Schlupflöcher schließen. Länder wie Kirgisistan, Kasachstan oder Usbekistan erwähnte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Präsentation allerdings nicht.

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