Wie sich jüdisches Leben in Deutschland und der Blick auf Israel verändert haben
- Seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 hat der Antisemitismus in Deutschland stark zugenommen.
- Besonders an Hochschulen gibt es Konflikte und antisemitische Vorfälle.
- In der Politik zeigt sich mittlerweile eine kritischere Haltung gegenüber Israels Regierung.
Reinhard Schramm ist erschüttert. Dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen ist anzuhören, wie sehr die Juden seit dem Hamas-Angriff auf Israel 2023 unter Anfeindungen gelitten haben. Die Atmosphäre habe sich von Monat zu Monat verschlechtert. "Nach anfänglichem Mitleid mit den ermordeten und entführten Juden kam es schnell zu einer Opfer-Täter-Umkehr. Die Juden wurden nicht mehr für ihre Toten bemitleidet, sondern wurden als Täter hingestellt", sagt er.
Juden und Jüdinnen seien in den vergangenen Monaten an Universitäten, auf der Straße und auch in Erfurt tätlich angegriffen worden, sagt Schramm. "Diese Zunahme des Antisemitismus, Ergebnis dieses 7. Oktober, ist das Verblüffendste."
Diese Entwicklung bestätigt auch der neueste Bericht des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias). In Thüringen hatte der Verband im vergangenen Jahr knapp 400 Fälle von israelbezogenem Antisemitismus gezählt, 100 mehr als im Vorjahr.
Antisemitismus an Hochschulen
Einen Fokus legt der Rias-Bericht bundesweit auf Hochschulen. Hier kam es zuletzt besonders häufig zu Konflikten und antisemitischen Vorfällen. An der Universität Halle war weitsichtig bereits kurz nach dem 7. Oktober 2023 eine Ansprechstelle für Rassismus und Antisemitismus eingerichtet worden. Tatsächlich sind bislang aus der Hochschule keine größeren Fälle bekannt geworden.
Dennoch bemerkt Ellias Zarrad, Co-Vorsitzender des Studentenrats, eine veränderte Haltung zu Israel: "Das hat sich insofern verändert, dass man merkt, dass da kritischer drauf geguckt wird. Vor allem auf die Kriegsführung der israelischen Regierung und auf die rechtsextreme Regierung an sich." Allerdings würde dabei zwischen israelischer Regierung und der Bevölkerung getrennt.
Veränderter Umgang mit Israel in deutscher Politik
Diese Haltung scheint mittlerweile auch in die oberste politische Ebene gedrungen zu sein. So hatte Bundeskanzler Friedrich Merz im Mai bei einem Podiumsinterview betont, dass er sich der deutschen Geschichte bewusst sei und Kritik angemessen äußern wolle: "Wenn Grenzen überschritten werden, wo das humanitäre Völkerrecht verletzt wird, dann muss auch der Bundeskanzler etwas dazu sagen."
Der veränderte Umgang mit Israel fällt einer Leipziger Studentin auch mit Blick auf die deutsche Geschichte auf. Sie selbst habe schon lange vor dem 7. Oktober eine pro-palästinensische Position eingenommen. Lange sei sie mit dieser Meinung in der Unterzahl gewesen: "Das war nicht immer schön, aber das ist eben das, was ich aushalten musste", sagt sie. Mittlerweile habe sich das Bild geändert. "Ich glaube, dass Menschen verstanden haben, dass, wenn man aus der deutschen Geschichte lernen möchte – was wir müssen – es heißt, dass man sich generell gegen Völkermord stellt."
Die Studentin bezieht sich dabei auf eine Bewertung der unabhängigen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats. Sie selbst habe in den vergangenen zwei Jahren den Glauben an eine zwei Staaten-Lösung verloren. Sie glaubt: Palästinenser und Israelis müssen in einem gemeinsamen Staat zusammen und Frieden finden.
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