• Viele Kommunalpolitiker in Thüringen leben in ständiger Sorge vor Übergriffen und treffen Sicherheitsvorkehrungen im Alltag.
  • Das Thüringer Innenministerium will Kommunalpolitiker mit einem neuen Straftatbestand gegen Einschüchterung und Einflussnahme besser schützen.
  • Polizei und Verfassungsschutz arbeiten bereits enger zusammen, eine Hotline soll Kommunalpolitikern bei Bedrohungen helfen – ist aber kaum bekannt.

Wilma Busch, Pascal Leibbrandt und Stephanie Tiepelmann-Halm treffen sich im Partei-Büro der Grünen in Nordhausen. Zwei Stadträte und eine Kreistagsabgeordnete. Berichten von einem politischen Klima, das deutlich rauer geworden ist. "Verbale Angriffe finden natürlich statt", so Wilma Busch. Sie ist seit Jahren in der Partei, seit Jahren in Ämtern. Dabei habe sie ein dickeres Fell bekommen, sagt sie.

Ihre Parteifreundin Stephanie Tiepelmann-Halm ist erst seit knapp einem Jahr bei den Grünen und gleich in den Kreistag gewählt worden. Seither hat sie nicht nur die Abläufe der Parlamentsarbeit lernen müssen. "Ich finde es eigentlich viel bewegender, was im familiären Umfeld passiert, wie krass dort Diskussionen geführt werden, auch aus Sorge", sagt sie. "O-Ton: Dann werden uns hier jetzt die Autoscheiben eingeschlagen oder nein, das kann ich hier jetzt nicht aushängen."

Viele Politiker in Sorge vor Übergriffen

An Info-Ständen steht sie nie allein. Zum Verteilen von Flyern gehen sie mindestens zu zweit. Pascal Leibbrandt hat festgestellt, dass er Menschen jetzt genauer beobachte: "Ich bin nicht der Kleinste, aber auch nicht der Kräftigste", sagt Leibbrandt. "Das heißt: Ich gucke schon, was für Leute einem entgegenkommen und ob ich die Straßenseite wechsele oder nicht."

Kommunalpolitiker und die latente Angst vor dem Übergriff – nicht nur bei den Grünen schwingt sie mit in Thüringen. Im vergangenen Jahr sind SPD-Politiker bedroht worden, es gab einen Brandanschlag auf ein Wohnhaus. Dazu Schmierereien oder Beschädigungen an Partei-Büros quer durch das politische Spektrum. "Wir bringen die Sachen zur Anzeige", sagt die Kreisvorsitzende der Linken von Saalfeld-Rudolstadt, Christin Ludwig. Bei Schmierereien werde ein Foto gemacht. "Aber für Hakenkreuze kommt die Polizei manchmal nicht mehr. Da sollen wir mal ein Foto hinschicken. Da zweifelt man manchmal schon."

Neuer Straftatbestand soll Kommunal-Politiker besser schützen

Zweifel, die im Thüringer Innenministerium nicht akzeptiert werden. Im Gegenteil: Der Schutz für Kommunalpolitiker soll erhöht werden. Durch einen neuen Straftatbestand: Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern. "Das ist in Sachsen schon länger in der Diskussion. Ich habe das mitverfolgt und kann dem einiges abgewinnen. Ich habe kein Problem damit, dass wir das unterstützen", sagt der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD).

Thüringen will sächsischer Initiative folgen

Thüringen wird im Bundesrat der sächsischen Initiative folgen, die gezielt Handlungen wie Bedrohungen, Nachstellungen oder Eingriffe in die Privatsphäre unter Strafe stellen will. Außerdem soll der Schutz von Mandatsträgern auf kommunale Volksvertreter ausgeweitet werden. Im Herbst soll das Thema im Bundesrat landen. Der Thüringer Innenminister sieht den neuen Straftatbestand allerdings nur als weiteren Baustein.

Denn schon jetzt seien Volksvertreter gut geschützt im Freistaat: "Wir haben Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften eingerichtet, wir haben die Generalstaatsanwaltschaft, die sich des Themas zentral angenommen hat, um Verfahren, wo es sich um Hass und Hetze handelt, auch verfolgen zu können. Weil: Verfolgungsdruck ist ein ganz wichtiges Signal." Es sei kein Kavaliersdelikt, wenn jemand im Netz beschimpft und zunächst verbal angegriffen werde, meint Maier. "Das muss Folgen haben."

Kommunikation zwischen Verfassungsschutz und Polizei verbessert

Verbessert worden sei die Kommunikation zwischen Verfassungsschutz und Polizeibehörden, um Gefahrenlagen früher zu erkennen, sagt der Innenminister. Und die Thüringer Polizei habe seit 2019 eine Hotline geschaltet – zur Beratung von Kommunalpolitikern in Sicherheitsfragen. Und mehr noch: "Dort kann man sich hinwenden, wenn es ganz akute Bedrohungslagen gibt", so Maier. "Wenn irgendjemand das Gefühl hat, dass jemand vor der Haustür steht, der einen gleich vermöbeln möchte oder andere Dinge, die auch schon vorgekommen sind," sagt der Innenminister.

Allerdings scheint nicht jeder Kommunalpolitiker im Freistaat von dieser Nummer wissen. Christin Ludwig von den Linken sagt jedenfalls: Davon habe sie noch nie gehört.

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