Formularfrust soll aufhören: Kommt die digitale Brieftasche?
Dresden entwickelt sich zu einem zentralen Standort für den Aufbau digitaler Identitäten in Deutschland. Die Stadt testet derzeit als erste deutsche Kommune die EUDI-Wallet, eine europäische digitale Brieftasche, die Ausweise, Dokumente und Nachweise sicher auf dem Smartphone bündeln soll. Bürger sollen damit künftig viele Behördengänge einfach online erledigen können.
Unterstützt wird das Pilotprojekt von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden. Jürgen Anke, Professor für Informatik und Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Dienstleistungssysteme erklärt: "Dresden wurde vor allem deshalb ausgewählt, weil wir hier nicht bei null anfangen". Die Stadt und die HTW Dresden konnten bereits in einem Vorgängerprojekt umfangreiche Erfahrungen sammeln. "Wir können insbesondere auf das Schaufensterprojekt ID-Ideal aufbauen, in dem es darum ging, die vielen digitalen Identitäten des modernen Menschen durch eine selbstverwaltete sichere digitale Identität zu ersetzen."
Ökosystem für digitale Nachweise, Bürgerbeteiligung wichtig
Damit die Wallet im Alltag funktioniert, braucht es technische Komponenten, mit denen digitale Nachweise ausgestellt, übertragen und akzeptiert werden können. Genau daran arbeitet das Projekt SaxTrust zusammen mit IT-Unternehmen aus Dresden. Hier entstehen Bausteine, die bislang am Markt fehlen – von sicheren Schnittstellen bis zu automatisierten Prüfprozessen. "Mit SaxTrust unterstützen wir den Aufbau eines EUDI-Wallet-Ökosystems", sagt Anke. Die Vision lautet: Ein digitales Umfeld, in dem viele Behörden und private Anbieter Nachweise direkt nutzen können. Erst dann entstehe ein spürbarer Nutzen.
Die HTW Dresden arbeitet nicht nur an der Technik. Im Co-Creation Lab werden Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren eingebunden, um Wallet-Funktionen zu testen und Rückmeldungen zu geben. Stefan Handke, Professor für Verwaltungsmanagement an der HTW, formuliert das Ziel klar: "Gleichzeitig wollen wir mit dem Co-Creation Lab ein Best-Practice-Format für eine aktive Bürgerbeteiligung entwickeln, das sich auf andere Kommunen und andere Zielgruppen übertragen lässt." Für die Forschung sei wichtig, die Motivation der Probanden zu verstehen, sagt Handke. "Denn nur wenn es gelingt, viele Menschen zum Mitmachen zu bewegen, ist eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung überhaupt möglich."
Wird dere BAFöG-Antrag endlich komplett digital?
Während die Vision so einer Wallet für viele sehr abstrakt klingt, soll ein konkretes erstes Beispiel zeigen, wie groß das Potenzial ist: der BAFöG-Antrag. Bis heute gilt er als komplex, papierlastig und in vielen Schritten analog. Nachweise müssen mehrfach eingereicht werden, viele Bescheinigungen werden gescannt, gedruckt, persönlich abgegeben oder per Post verschickt. Sogenannte Medienbrüche sind also der Normalfall, automatische Prüfungen selten.
Genau hier setzt das HTW-Team von Jürgen Anke an. Ziel ist ein vollständig digitaler Vorgang – vom Antrag über die automatische Auswertung bis zum Bescheid. "Wir wollen erreichen, dass der BAFöG-Antrag mit allen erforderlichen Nachweisen künftig in digitaler Form ans BAFöG-Amt übermittelt und nach einer automatisierten Auswertung der Bescheid in kürzester Zeit erteilt wird." Im Idealfall könnte der fertige Bescheid direkt in der Wallet gespeichert werden. Damit wäre der BAFöG-Antrag nicht nur schneller, sondern deutlich einfacher, nachvollziehbarer und weniger fehleranfällig. Dieser Anwendungsfall zeigt exemplarisch, wie digitale Nachweise Verwaltungsprozesse beschleunigen können.
Das Co-Creation Lab Verwaltungsdigitalisierung läuft noch bis April 2026, SaxTrust gar bis Oktober 2027. Wenn beide Projekte erfolgreich verlaufen, könnten Dresden und der Freistaat Sachsen in den kommenden Jahren ein funktionierendes digitales Identitätsökosystem aufbauen und die EUDI-Wallet zu einem praxistauglichen Werkzeug für den Verwaltungsalltag machen.
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