Wird wirklich nur die Hälfte aller Medizinstudenten Arzt?
- Die Aussage des Kanzlers sei schwer nachzuprüfen, heißt es aus der Landesärztekammer. Grund sei die hohe Mobilität der Absolventen im Bundesgebiet.
- Ärzte in Weiterbildung denken häufiger über einen Wechsel nach – direkt nach dem Studium will die große Mehrheit jedoch am Patienten arbeiten.
- Hauptproblem sei der Ärztemangel auf dem Land, der durch bessere Rahmenbedingungen attraktiver gemacht werden müsse.
Knut Köhler ist der Sprecher der Sächsischen Landesärztekammer und ist angesichts der Aussage des Bundeskanzlers skeptisch: "Das macht mich schon sehr stutzig, weil ich gar nicht weiß, wie man auf so eine Aussage kommt."
Ermittlung der Arbeitsplätze schwierig
Denn es sei schwierig zu ermitteln, wo Medizinstudierende nach ihrem Abschluss tatsächlich landen. Die Medizinstudenten würden an die Unis vergeben, erklärt Köhler, man könne sich den Studienplatz ohnehin nicht frei aussuchen.
Die Folge: Auch in Sachsen würden sehr viele Medizinstudenten studieren, die aus anderen Bundesländern stammen – diese wechselten dann nach dem Studium oft wieder in die Heimat. Ärztekammer-Sprecher Köhler erfährt also nur von den Ärzten, die sich tatsächlich in Sachsen niederlassen. Eine generelle Aussage zu treffen sei also schwer, erklärt der Mediziner.
Fertig ausgebildete Ärzte denken häufiger über Wechsel nach
Was allerdings stimmt: Diejenigen, die bereits als Ärzte arbeiten, denken immer häufiger über einen Berufswechsel nach – das zeigt eine Befragung des Marburger Bundes, auf die der Landesverband in Sachsen verweist. Demnach denkt ein Drittel der jungen Ärzte in Weiterbildung über einen Ausstieg nach - wegen der hohen Arbeitsbelastung.
Nach dem Studium will die Mehrheit am Patienten arbeiten
Doch wie sieht es direkt nach dem Studium aus? Die Uni Leipzig befragt ihre Medizinabsolventen dazu jedes Jahr. Ergebnis: Im vergangenen Jahr wollten 92 Prozent nach dem Abschluss am Patienten arbeiten.
So erlebt es auch Daniela Dieterich, Dekanin der Medizinischen Fakultät an der Uni Magdeburg: "Die Zahl von 50 Prozent, die Herr Merz genannt hat, entspricht meines Wissens nicht den Fakten und nicht den Daten, die wir im Moment haben. Tatsächlich schließen über 95 Prozent der Medizinstudierenden erstmal erfolgreich ab."
Die allermeisten würden danach auch unmittelbar als Ärztin oder Arzt arbeiten, so Dieterich, wobei allerdings auch zunehmend Teilzeitpräferenzen während der ärztlichen Weiterbildung eine Rolle spielten. Dies erhöhe den Druck auf das Gesundheitssystem.
Ärztemangel auf dem Land: Rahmenbedingungen müssen passen
Merz' Aussage greift also zu kurz – das sagt auch Rüdiger Horstkorte, Studiendekan der Medizinischen Fakultät an der Uni Halle.
Denn Merz habe mit seinem Statement auf den Ärztemangel besonders auf dem Land eingehen wollen – der habe mit der Zahl der Absolventen aber wenig zu tun, meint Horstkorte: "Wir haben jetzt 16.000 Studienplätze in Deutschland in der Humanmedizin. Das heißt, wir bilden deutlich mehr aus. Trotzdem ist der Ärztemangel viel präsenter als vor 30 Jahren, sodass ich nicht glaube, dass eine reine Mehrausbildung hilft.
Vor allem nicht auf dem Land, betont der Dekan. Denn die jungen Menschen würden Kultur, Essen, Kinderbetreuung und gute Schulen sehr wertschätzen. Und wenn das nicht da sei, würde kein hoch ausgebildeter Mensch freiwillig umziehen.
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