Wasserstoff in der Wärmeplanung: Kommunen auf dem Holzweg?
Potenzieller Heizmix in Chemnitz im Jahr 2040. Nun soll evtl. auch ein Szenario ohne grünen Wasserstoff erarbeitet werden. Bildrechte: Stadt Chemnitz/ GEW Bis Mitte 2026 müssen größere Kommunen einen finalen Plan vorlegen, der offenlegt, wie sie ihre Gebäude künftig beheizen wollen. Damit wird eine Vorgabe aus dem Heizungsgesetz umgesetzt. Die Stadt Chemnitz hat nun einen Entwurf vorgelegt, der detailgenau angibt, für welche Stadtgebiete welche Wärmeversorgung infrage kommt. Der Entwurf sorgte für Debatten, weil große Flächen als "Wasserstoffprüfgebiete" ausgeschrieben waren. 18 Prozent des Wärmebedarfes könnten 2040 mit grünem Wasserstoff gedeckt werden, steht in dem Entwurf. Auch andere Kommunen diskutieren darüber, in welchem Umfang Wasserstoff in die Wärmeplanung einbezogen werden sollte.
Die Stadt möchte zunächst lediglich prüfen
Potenzielle "Wasserstoffprüfgebiete" in der kommunalen Wärmeplanung der Stadt Chemnitz.Bildrechte: Stadt Chemnitz/ GEW Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisieren den Einsatz von Wasserstoff in der Wärmeversorgung – auch vor dem Hintergrund, dass grüner Wasserstoff auch in den kommenden Jahrzehnten rar und teuer sein könnte. Carina Kühnel ist Leiterin des Chemnitzer Umweltamtes und damit für die Wärmeplanung zuständig. Dass die Kommune große Flächen als "Wasserstoffprüfgebiete" ausgeschrieben hat, bedeute nicht, dass auf diesen Flächen nun tatsächlich final mit Wasserstoff geheizt werden soll. Erst, wenn ein Prüfgebiet in zwei Jahren als Netzausbaugebiet ausgeschrieben werde, trete das ein, betont Kühnel, die sich von den Kritikern des Entwurfes missverstanden sieht.
Dennoch stellt Kühnel klar: Man könne aufgrund der technischen Entwicklung und der Erkundung natürlicher Ressourcen aktuell nicht ausschließen, dass Wasserstoff künftig eine wichtige Rolle beim Heizen spielen werde. "Politiker fast aller Parteien haben immer wieder betont, dass Wasserstoff DIE Zukunftstechnologie ist", sagt die Leiterin des Chemnitzer Umweltamtes. Außerdem habe man auf diese Weise die Möglichkeit, das bestehende Gasnetz mit kleineren Modifikationen weiter zu nutzen. Dieses sei in Chemnitz durchaus umstellfähig auf H2, erklärt Kühnel. Derzeit sei kaum abzusehen, wie sich die Kosten für verschiedene Energieträger in Zukunft entwickeln. Man wolle deshalb keine Option ausschließen.
Dass weite Flächen in Chemnitz nun "Wasserstoffprüfgebiete" seien, folge einem Vorschlag des Gasversorgers. Dieser muss bis 2028 allerdings durch einen verbindlichen Netzausbauplan untersetzt werden, den auch die Bundesnetzagentur genehmigen muss.
Erhalt der Gasinfrastruktur kann positiv sein
Dass diverse Gasunternehmen gerne auf H2-Heizungen setzen, hängt auch damit zusammen, dass das Heizen mit Wasserstoff es ihnen zunächst ermöglicht, ihre Netze erst einmal weiter zu betreiben. "Dass die Leitungen weiter genutzt werden können, ist ein valides Argument, das häufig gebracht wird", findet Benjamin Pfluger. Er leitet das Kompetenzcenter für Integrierte Energieinfrastrukturen am Fraunhofer Institut IEG und hat in einer Studie untersucht, welche Chancen und Risiken das Heizen mit grünem Wasserstoff bietet.
Dass die Infrastrukturen für grünen Wasserstoff durch das Gasnetz teilweise schon vorhanden sind, bedeutet nicht, dass H2 in der Heizung sich finanziell lohnt, so das Fazit seiner Studie. "Bei Wasserstoff ist die Heizung relativ günstig, aber man hat einen sehr teuren Energieträger, sodass man jedes Jahr draufzahlt", erklärt er. Das lasse die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff im Vergleich mit anderen Optionen dann schlecht ausfallen.
Grüner Wasserstoff wird enorm teuer
Pfluger kommt in seiner Studie aus diesem Jahr sogar zu höheren Kosten für das Heizen mit Wasserstoff als einige Vorgängerstudien. Das liege daran, dass er und sein Team die Kosten an neuste Schätzungen angepasst hätten, erklärt er. "Man weiß erst seit diesem Sommer erst, was die Nutzung des Wasserstoff-Fernleitungsnetz kosten wird." Dazu gebe es nun neuere Studien darüber, was die Speicherung von Wasserstoff kosten werde. "Selbst, wenn alles so gut läuft, wie man sich das nur irgendwie vorstellen kann, also in einem sehr optimistischen Szenario, kommen am Ende Wasserstoffpreise heraus, die fürs Heizen auch im Jahr 2045 nicht konkurrenzfähig zu Alternativen sind."
Gerade für Mieterinnen und Mieter könnte die H2-Heizung deshalb zu einer Falle werden: Während der Vermieter beim Einbau einer H2-ready Gasheizung im Vergleich zur Wärmepumpe spart, sind die Bewohner einer Mietwohnung dann jedes Jahr gezwungen, hohe Preise für grünen Wasserstoff zu zahlen. In früheren Entwurfsfassungen des Gebäudeenergiegesetzes habe es einen Passus gegeben, der genau das verhindern sollte und Vermieter dazu verpflichtete, die Differenz zu anderen Energieträgern mitzutragen, erklärt Benjamin Pfluger. Mittlerweile habe man diesen Passus aber wieder aus dem Gesetz entfernt, sodass das Risiko nun im Wesentlichen bei den Verbauchern liege.
Bis der Wasserstoff kommt, wird Gas ebenfalls teuer
Dazu kommt, dass H2-ready-Heizungen vermutlich noch einige Jahrzehnte mit Erdgas betrieben werden, bis ausreichend grüner Wasserstoff vorhanden ist. Wann das der Fall sein wird, ist aktuell kaum abzusehen. Sowohl beim Ausbau des Wasserstoffnetzes, als auch bei der Kapazität an Elektrolyseuren, die den grünen Wasserstoff erzeugen sollen, stockt es aktuell. Experten gehen davon aus, dass möglicherweise erst in zehn bis 15 Jahren ausreichend grüner Wasserstoff für die Versorgung der wichtigsten Anwendungen in Deutschland vorhanden sein wird. Heizen zählt nach Einschätzung diverser Experten nicht zu diesen wichtigsten Anwendungen, vielmehr geht man davon aus, dass grüner Wasserstoff zunächst von Industriezweigen wie der Stahlherstellung benötigt wird.
Auch die Gaspreise werden in dieser Zeit enorm steigen – mitunter etwa durch steigende CO2-Abgaben. Die Beratungsgesellschaft co2online prognostiziert, dass Gas- und Ölheizungen in den kommenden 20 Jahren etwa dreimal so teuer werden könnten. Auch diese Kosten werden voraussichtlich zum Großteil von den Mietern getragen. Damit könnte eine Wasserstoffheizung für diese Menschen schon teuer werden, bevor überhaupt Wasserstoff eingesetzt wird.
Wärmeplanung wird derzeit überarbeitet
In Chemnitz möchte man nun den Entwurf zur kommunalen Wärmeplanung überarbeiten. Nicht, um Wasserstoff komplett zu streichen – aber um klarer herauszuarbeiten, dass die Prüfgebiete nicht den sicheren Verbau einer H2-ready-Heizung bedeuten. Möglich sei es auch, ein Szenario mit grünem Wasserstoff zu erarbeiten und eines ohne, sagt Carina Kühnel. Am 14.1. will die Stadt eine modifizierte Form erarbeitet haben.
Links/Studien
Die Studie des Fraunhofer IEG und Fraunhofer ISI zu Heizen mit Wasserstoff kann hier nachgelesen werden. Die Studie wurde von Gaswende und Greenpeace beauftragt, aber inhaltlich unabhängig von diesen Organisationen durchgeführt.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke