Verdi fordert bezahlte Wartepausen für Busfahrer
- Als Quereinsteigerin liebt Judith Kindler ihren Job als Busfahrerin, aber der Beruf ist auch stressig.
- Nach einer Verdi-Studie sammeln Busfahrer pro Jahr im Durchschnitt 100 unbezahlte Stunden.
- Der Verkehrsunternehmer-Verband erklärt, für mehr Zugeständnisse an Busfahrer fehle es an Geld.
Judith Kindler steuert einen Bus durch den Wahnsinn des Leipziger Feierabendverkehrs. Die Busfahrerin überholt Radfahrer, passiert hektisch blinkende Autos. An der Station Adler steigt Kindler selbst aus: Sie hat eine Stunde Pause. "Hier gibt es keinen Pausenort. Ich hätte mich tatsächlich jetzt einfach auf die Bank gesetzt." Kindler nimmt an der lauten Kreuzung Platz, schält sich eine Mandarine und erzählt. Sie liebe das Busfahren, die Abwechslung, die Fahrgäste.
Aber die Quereinsteigerin empfindet den Job auch als anstrengend. "Ich bin ja der Meinung, man kann diesen Job nicht Vollzeit machen. Ich mache den dreißig Stunden. Wir haben jeden Tag unterschiedliche Anfangs- und Endorte." Das sei eine große logistische Frage: "Wie kommt man wieder zurück? Und wir sind ja auch die Ersten und die Letzten. Das heißt, das Nachhause-Kommen klappt auch nicht immer mit dem ÖPNV."
Ich bin der Meinung, man kann diesen Job nicht Vollzeit machen.
Verdi: Lange Pausen an Haltestellen sorgen für unbezahlte Arbeit
Die Gewerkschaft Ver.di hat nun eine Studie zu den Arbeitsbedingungen von Busfahrern veröffentlicht. Zentrales Ergebnis: Der Stress ist hoch, der Krankenstand auch. Viele Fahrer leiden unter geteilten Diensten. Das bedeutet, manche müssen an Endhaltestellen lange warten, bevor es im Fahrplan weitergeht, vor allem auf dem Land.
Verdi-Sekretär Paul Schmidt findet, diese Pausen seien eigentlich unbezahlte Stunden. "Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jeder Busfahrer im Schnitt ungefähr 100 unbezahlte Stunden pro Jahr macht. Wenn wir das auf ein typisches Arbeitsverhältnis umrechnen, sind das zweieinhalb Wochen pro Person, die unbezahlt pro Jahr gearbeitet werden." Die Gewerkschaft wünscht sich, dass bestimmte Wartezeiten nicht mehr als Pause gelten, sondern bezahlt werden.
Verkehrsunternehmen: Für mehr Zugeständnisse fehle das Geld
Doch Alexander Möller vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen dämpft die Erwartungen: Man habe die Arbeitsbedingungen der Fahrer zuletzt spürbar verbessert: "Wir haben mehr Menschen eingestellt. Wir zahlen höhere Löhne. Unsere Produktivität, also das, was die Kolleginnen und Kollegen erbringen, nimmt ab. Das ist nicht gut, aber für die Beschäftigten ist es gut. Insofern: Es ist viel passiert."
Möller sagt, Anfang kommenden Jahres begännen Tarifverhandlungen. Vieles von dem, was Verdi aktuell beklage, habe die Gewerkschaft in der letzten Tarifrunde noch mitgetragen. Für deutlich mehr Zugeständnisse fehle das Geld. "Wir brauchen im Jahr 40 Milliarden Euro für den deutschen ÖPNV. Gottseidank zahlen wir den Kolleginnen und Kollegen heute mehr als gestern. Aber dieses Geld bekommen wir nur zum kleinen Teil vom Fahrgast. Das Meiste bekommen wir von der öffentlichen Hand, vom Bund, von den Ländern, von den Kommunen. Die haben, wie wir wissen, kein Geld."
Wir müssen einfach darüber reden, wieviel Geld wir in den Nahverkehr [stecken], wenn wir ihn als Teil der Verkehrswende begreifen.
Das weiß auch Verdi-Sekretär Schmidt. Trotzdem fordert er eine offene Debatte über die Arbeitsbedingungen der Fahrer: "Wir müssen einfach darüber reden, wieviel Geld stecken wir in den Nahverkehr, wenn wir ihn als Teil der Verkehrswende begreifen. Weil das ist ja ein ganz wichtiger Bestandteil davon, dass wir beim Thema Klima vorankommen, aber auch, dass unsere Städte funktionieren, damit sie nicht immer dichter und immer verkehrsreicher werden."
Schmidt erklärt, die von Verdi geforderten Verbesserungen würden zu sieben Prozent Mehrkosten führen. Ist die Gesellschaft bereit, das zu tragen? Fahrerin Judith Kindler steigt nach einer Stunde Pause wieder in den Bus. Noch vier Stunden Stadtverkehr bis Feierabend.
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