Magersucht und andere Essstörungen haben nach Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) bei den Zwölf- bis 17-jährigen Mädchen besonders stark zugenommen. Zwischen dem Vor-Corona-Jahr 2019 und dem Jahr 2023 stieg die Zahl von 101 auf 150 Fälle pro 10.000 Versicherte, wie die Krankenkasse am Montag (05. Mai 2025) in Hannover berichtete. Das entspricht einem Plus von fast 50 Prozent.

460.000 Menschen mit Essstörung in Deutschland

In keiner anderen Alters- und Geschlechtergruppe war der Anstieg innerhalb dieser Zeit den Angaben zufolge derart groß. Zum Vergleich: Bei den gleichaltrigen Jungen stagnierte die Zahl der Betroffenen im selben Zeitraum nahezu. Die Kasse wertete anonymisierte Daten ihrer Versicherten aus den Jahren 2019 bis 2023 aus und rechnete den Anteil der Betroffenen im Jahr 2023 auf die deutsche Bevölkerung hoch. Demnach diagnostizierten Ärzte und Ärztinnen fast 460.000 Menschen eine Essstörung. Das war ein Anstieg um neun Prozent.

"Virtuelle Beautypolizei" beeinflusst Körperbild

Die Selbstoptimierungsszene auf Tiktok und auch Youtube-Videos propagieren der Studie zufolge das vermeintlich ideale Frauenbild – dünn, normschön und erfolgreich – und setzten damit vor allem Mädchen und junge Frauen unter Druck. Die "virtuelle Beautypolizei" prangere zudem immer wieder neue, vermeintliche Schönheitsmakel an, etwa zu runde Gesichter oder gar übergewichtige große Zehen. Solche Videos vermittelten letztendlich das Gefühl, nie gut genug zu sein.

"In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können solche übersteigerten Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden", sagte die KKH-Psychologin Franziska Klemm der Deutschen Presseagentur. Sie warnte: "Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen."

Schönheitsideale als Trigger für die Pathogenese

Klemm studierte in Dresden, wo Stefan Ehrlich am Uniklinikum als Professor für Angewandte Entwicklungsneurowissenschaften zum Thema forscht und Essstörungen behandelt. Er erklärte, dass bei Magersucht und Ess-Brech-Sucht das Körperbild eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielt. "Sicher spielen auch Schönheitsideale eine Rolle, ganz bestimmt als Trigger. Wir erleben, dass die Patientinnen damit kommen, dass sie sich damit beschäftigen, sehr viel in den sozialen Medien sind, sich vergleichen", sagte der Mediziner im Interview mit MDR Sachsen. "Wir wissen auch aus Studien, die sich mit verschiedenen Kulturen beschäftigen, dass diese Ideale eine Rolle spielen."

Die jüngsten Patientinnen, die Ehrlich behandelt, sind sieben oder acht Jahre alt. Gerade bei jungen Mädchen sei eine stationäre Behandlung möglichst zu vermeiden. In Dresden wird versucht, die Therapie in der Tagesklinik durchzuführen. Dazu wird an Formen gearbeitet, bei denen mit den Patientinnen im familiären Umfeld gearbeitet wird. Ehrlich unterstrich, dass es "eine Belastung ist, wenn jemand zwei, drei Monate auf Station zunehmen muss". Eine Untersuchung zu alternativen Handlungsansätzen laufe derzeit in Zusammenarbeit von der TU Dresden mit der Berliner Charité.

Links

  • Mitteilung der KKH
  • Netzwerk Essstörungen Sachsen

jar/afp/dpa

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