• Ein Berufsbetreuer aus Sachsen-Anhalt beklagt, dass manche Vergütungszahlungen der Amtsgerichte erst nach Monaten auf seinem Konto eingehen.
  • Das Problem liegt aus Sicht des Bundesverbands der Berufsbetreuer an der noch fehlenden gesetzlichen Frist und am Personalmangel in den Gerichten.
  • Nicht überall sind die Wartezeiten lang. Ein Berufsbetreuer aus Leipzig berichtet von zeitnahen Zahlungen des Amtsgerichtes.

Christian Kästner arbeitet als Berufsbetreuer. Verschiedene Amtsgerichte beauftragen ihn, Menschen im Alltag zu unterstützen. Das sind volljährige Personen, die ihre Angelegenheiten wegen Krankheit oder Behinderung nicht selbst regeln können.

Christian Kästner wartet als Berufsbetreuer mitunter mehrere Monate auf die Vergütungszahlungen der Amtsgerichte. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Aktuell hat Kästner 80 Klienten. Seit 25 Jahren betreut er André Zabel, den er alle vier bis sechs Wochen in Haldensleben besucht. Zabel ist kognitiv eingeschränkt und vor kurzem in eine eigene Wohnung gezogen. Kästner betreut Zabel schon seit 25 Jahren. "Wenn man in eine Wohnung geht, dann merkt man erst, wo der Bedarf der Unterstützung ist", erklärt Kästner. Das könne man manchmal nicht so gut von außerhalb sehen.

Auf Nachfrage, wer ihn denn unterstützen könne, wenn er keinen Berufsbetreuer hätte, antwortet Zabel: "Kaum einer. Außer meine Nichten. Sonst gar keiner." Kästner helfe ihm, seine Rechnungen zu überweisen, wie Strom und Internet und seine nach und nach abzubezahlen. Aber der Betreuer will Zabel auch zu mehr Selbstständigkeit bewegen. "Wir sind jetzt bei ihm auch dahingegangen, dass er auch sein eigenes Konto hat, dass er einfach auch ein Stück weit lernt, besser mit dem Geld, was er zur Verfügung hat, klarzukommen", sagt Kästner.

Berufsbetreuer warten lange auf Vergütung

Seit 27 Jahren macht Christian Kästner diesen verantwortungsvollen Job, der auch viel Papierkram mit sich bringt. Das jeweilige Gericht vergütet seine Arbeit pro Fall und Monat. Alle drei Monate kann er den Vergütungsantrag für den jeweiligen Fall stellen. Jeder Antrag wird einzeln überprüft.

"Ein massives Problem ist, dass teilweise die Bearbeitungszeiten eines solchen Antrages durchaus mehrere Monate dauern können", berichtet der Berufsbetreuer. Beim Amtsgericht Magdeburg habe er zum Teil ein dreiviertel Jahr auf die Vergütung warten müssen. Einmal hätten sich die Außenstände auf 30.000 Euro summiert. Zeitgleich laufen Fixkosten wie Miete, Sprit, Krankenversicherung und der Lohn für seine Angestellten aber weiter.

Vom Amtsgericht Magdeburg heißt es: "[Es] kann [...] im Einzelfall aus verschiedenen Gründen zu Verzögerungen bei der Auszahlung kommen; eine Statistik wird nicht geführt. Warum es bei dem Ihnen vorliegenden Einzelfall zu den Verzögerungen gekommen ist, kann ich Ihnen nicht beantworten, [...]."

"Das sind Momente, wenn Sie so hohe Außenstände haben, wo man schon nachts nicht immer so gut schläft und wo man schon gucken muss, wie kriegt man das gewuppt. Wo auch bei mir in der Vergangenheit die Überlegungen gekommen sind: Macht das überhaupt noch Sinn?"

Bundesverband weiß von häufigen Beschwerden

Pro Fall und Monat erhält er zwischen 102 und 171 Euro sowie einen Inflationsausgleich von 7,50 Euro. In dieser Fallpauschale sind schon Zusatzkosten wie Dolmetscherleistungen oder Fahrgeld mit eingerechnet. Bei diesen Pauschalen sei es schwierig, Rücklagen zu bilden, sagt Kästner.

Als Beispiel zieht er einen Fall vom Amtsgericht Braunschweig heran. Die Rechnung hatte er im September 2024 erstellt. Laut Kästner geht es um Arbeitsleistungen die bereits im Juni 2024 erbracht worden sind und eine Summe in Höhe von 1.500 Euro. "Ich stelle mir schon die Frage, ob es eine andere Berufsgruppe gibt, die so lange auf Geld wartet." MDR INVESTIGATIV fragt am Amtsgericht Braunschweig nach. Eine Antwort kommt nicht zurück.

Der Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB) ist mit rund 8.000 Mitgliedern die größte Interessensvertretung aller Berufsbetreuer. MDR INVESTIGATIV will herausfinden, ob es sich im Fall um Christian Kästner um einen Einzelfall handelt. Der Verbandsvorsitzende Thorsten Becker sagt, es gebe "Bundesländer, die sich durch eine erhebliche Verzögerung der Vergütung auszeichnen", die negativ auffielen. "Wo wir als Bundesverband von unseren Mitgliedern sehr deutliche Beschwerden und sehr häufige Beschwerden bekommen."

Laut Umfrage Wartezeiten von bis zu zwei Jahren

Um ein besseres Bild zur Lage zu bekommen, haben MDR INVESTIGATIV und der Bundesverband eine Umfrage gestartet. Die Berufsbetreuer wurden befragt, wie lange sie im Regelfall zwischen der Stellung des Antrags und dem Zahlungseingang auf dem Konto warten mussten. An der Umfrage beteiligten sich deutschlandweit knapp 130 Mitglieder. Nur wenige gaben an, zügig bezahlt worden zu sein. In den Fragebögen berichten einige, dass sie über ein Jahr hätten warten müssen, manche schreiben sogar von 24 Monaten.

Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer kritisiert die späten Zahlungen der Gerichte. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Also unserer Wahrnehmung nach hängt es zum einen daran, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Das Vergütungsrecht sieht keine Frist für die Zahlung vor", meint der Vorsitzende des Berufsverbands Thorsten Becker. "Und zum anderen ist es unserer Wahrnehmung nach der erhebliche Personalmangel in den jeweiligen Gerichten, sodass die Gerichte der Auffassung sind, die Vergütung nicht auszahlen zu können. Das sind natürlich unhaltbare Zustände."

Zum einen gibt es keine gesetzliche Frist. Zum anderen gibt es unserer Wahrnehmung nach einen erheblichen Personalmangel in den jeweiligen Gerichten.

Thorsten Becker, Bundesverband der Berufsbetreuer

MDR INVESTIGATIV fragt bei mehr als 70 Amtsgerichten in Mitteldeutschland nach. Die Gründe der verspäteten Zahlungen sind vielfältig. Das Amtsgericht Weimar nennt Probleme mit der Software, auch das Amtsgericht Meißen verweist auf Probleme des Auszahlungsprogramms. Das Amtsgericht Greiz schreibt: "[...] ein hohes Arbeitspensum aufgrund der angespannten Personalsituation führt zu einer längeren Bearbeitungsdauer. Im Urlaubs- oder Krankheitsfall kann eine Vertretung nicht ausreichend abgesichert werden." Viele verweisen aber auch auf komplizierte Einzelfälle, etwa wenn der Betreute verstirbt.

Das für die Amtsgerichte in Sachsen-Anhalt zuständige Ministerium teilt mit, dass das Problem schon vor zwei Jahren angegangen wurde. Trotzdem könnten verspätete Zahlungen nicht immer ausgeschlossen werden. Auch hier werden wieder mehrere Gründe genannt, "wie temporäre besondere Personalsituationen (z.B. Krankheit), unvollständige Dokumente etc.".

Leipzig als gutes Beispiel

Es geht aber auch anders. In Leipzig arbeitet der Berufsbetreuer Thomas Siebert. Auch er berichtet von einem hohen Arbeitspensum. Mit den Jahresberichten müssen Betreuer ihre Arbeit mit den Klienten dokumentieren. Siebert bezieht seine Klienten so gut es geht mit ein und will gemeinsam in Gesprächen Ziele festlegen.

Wir sind jetzt schon in einem chronisch unterfinanzierten System, wo uns zu wenig Zeit zur Verfügung steht für die Klienten.

Thomas Siebert, Berufsbetreuer

Generell werde die Betreuung komplexer, meint er. Auch weil die Klienten immer jünger werden und oftmals noch mitten im Leben stehen. "Wir sind jetzt schon in einem chronisch unterfinanzierten System, wo uns zu wenig Zeit zur Verfügung steht für die Klienten", meint Siebert. Eine knappe Stunde dauere so ein Besuch bei einem Klienten im Schnitt. Danach gibt es viel Büroarbeit, zum Beispiel muss Siebert die Post von Ämtern und Versorgern bearbeiten.

Thomas Siebert arbeitet als Berufsbetreuer in Leipzig. Dort zahlt das Amtsgericht die Vergütung zeitnah. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Thomas Siebert arbeitet ausschließlich für das Amtsgericht Leipzig. Seine Vergütungsanträge werden im Regelfall zeitnah bearbeitet und ausgezahlt. Zwischen Antragstellung und Zahlungseingang liegt in einem Fall nur eine Woche. MDR INVESTIGATIV fragt nach, was hier anders gemacht wird. "Die zügige Auszahlung liegt an unserem gut eingearbeiteten Team. Allen Mitarbeitern [...] ist die wirtschaftliche Verantwortung gegenüber den Betreuern […] bewusst", antwortet das Amtsgericht Leipzig.

Dauerüberweisung noch keine Pflicht

Ganz anders, als es Christian Kästner in Sachsen-Anhalt erlebt. Dabei gibt es für die Gerichte bereits eine Möglichkeit, schnell und unkompliziert zu zahlen: per Dauerüberweisung. Der Betreuer stellt für jeden Klienten nur einmalig einen Antrag, nach Prüfung wird gezahlt. "Das stand im Gesetz eigentlich schon drinnen", erklärt Kästner. "Dann müsste man nur einmal einen Antrag stellen und immer zum Ende des Quartals bekommen wir dann die Vergütung auf unser Konto. Aber ich kenne das von kaum einem Gericht in Sachsen-Anhalt, weil man sagt: die technischen Voraussetzungen sind nicht da."

[Mit einem Dauerauftrag] müsste man nur einmal einen Antrag stellen und zum Ende des Quartals bekommen wir dann die Vergütung.

Christian Kästner, Berufsbetreuer

Diese sogenannte Dauervergütung bietet nach Aussage des BdB-Vorsitzenden Thorsten Becker viele Vorteile. "Das würde natürlich zu einer erheblichen Arbeitsentlastung auch bei den Gerichten, im Übrigen auch bei den beruflichen Betreuern, führen." Mehr als die Hälfte derjenigen Amtsgerichte Sachsens und Thüringens, die auf Anfrage von MDR INVESTIGATIV antworten, nutzen die Dauervergütung nicht. Als Hauptgrund nennen Thüringer Amtsgerichte technische Probleme. Aus Sachsen-Anhalt: keine gesonderte Antwort.

"Ich fürchte, da hat man vielleicht eine Entwicklung einfach ein Stück weit verschlafen und muss jetzt dringend nacharbeiten, um auf den Stand der Zeit zu kommen", sagt Becker.

Christian Kästner wünscht sich, dass alle Gerichte die Dauervergütung zeitnah umsetzen. Diese soll jedoch erst 2028 bundesweit Pflicht werden.

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