• Bis zu 5 Prozent der Wirtschaftsleistung? Höhere Verteidigungsausgaben sind umstritten.
  • Auch Pistorius' Plan für einen neuen, weiter freiwilligen, Wehrdienst überzeugt nur bedingt.
  • Rückkehr zur Wehrpflicht käme besser an, außer bei den Betroffenen.

Europa sollte sich beim Thema Verteidigung aus Sicht vieler Menschen im MDR-Sendegebiet nicht nur auf die Nato verlassen. In einem aktuellen Stimmungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers MDRfragt war ein Großteil der Befragten der Ansicht, dass Europa die eigene Sicherheit selbst garantieren können muss.

Das waren viermal so viele wie es Befragte gab, die meinen, Deutschland und Europa könnten sich weiterhin auf die Hilfe aus dem Nato-Bündnis verlassen.

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Zur Frage, ob Europa seine Sicherheit allein verteidigen können oder sich auf die Nato verlassen können muss, kommentiert MDRfragt-Mitglied Martin (22) aus Jena: "Eigentlich beides. Wir sind Nato-Mitglied und wir müssen auch in der Lage zu sein, uns selbst verteidigen zu können."

Manuela (46) aus dem Landkreis Görlitz ist hingegen grundsätzlich skeptisch: sowohl wenn es darum geht, sich auf Nato-Partner zu verlassen als auch mit Blick auf Merz' Ankündigung, die stärkste konventionelle Armee in Europa aufzubauen. Sie schreibt: "Aufgrund unserer Vorgeschichte, denke ich, brauchen wir uns auf gar keinen zu verlassen. Und wenn jetzt so große Töne gespuckt werden, also: 'wir müssen wieder die stärkste Armee werden', dann erst recht nicht. Das ist vor 80 Jahren schon mal schiefgegangen."

Und nicht nur Uwe (44) aus Dresden findet, Europas Sicherheit ist nicht nur eine Frage von Verteidigungsfähigkeiten: "Natürlich muss sich Europa mit seinen Nachbarn verständigen und für ein friedliches Miteinander sorgen. Das kann man nicht Staaten überlassen, die weit weg sind."

Clemens (29) aus Chemnitz meint, Deutschland könne sich schon auf die meisten Nato-Partner verlassen: "Wir müssen die Verteidigung europäisch plus Kanada organisieren. Es bringt nichts, wenn jeder sein Ding macht, um sich selbst zu verteidigen. Zurzeit ist die USA der fragliche Partner."

Die USA spielen bei vielen Kommentaren zum Thema eine Rolle. Thomas (53) aus Erfurt schreibt: "Auf die europäische NATO würde man sich verlassen können und hier sollte eine enge Zusammenarbeit zum Beispiel mit Frankreich, Skandinavien, Polen, Baltikum und ähnlichen erfolgen. Auf die USA wird man sich aktuell wohl nicht unbedingt mehr verlassen können."

Markus (34) aus dem Vogtlandkreis hält die Fähigkeit, sich zu verteidigen, nicht nur für eine Frage der Sicherheit: "Es ist schlicht nicht fair, immer auf Kosten anderer zu leben. Und, wie man jetzt mit Trump sieht, auch nicht sicher." So ähnlich, nur drastischer, formuliert es Michael (55) aus dem Landkreis Zwickau: "Auf die USA ist seit Trump kein Verlass, das weiß auch Putin... und spielt mit ihm! Wenn wir nicht zum Spielball Russlands und der USA werden wollen, müssen wir dringend handeln!"

Apropos Trump: Der MDRfragt-Meinungstrend geht in eine ähnliche Richtung wie aktuelle Äußerungen des US-Präsidenten. Er kündigte zuletzt an, er könnte sich aus den Friedensbemühungen für die Ukraine zurückziehen und das sei eine europäische Angelegenheit. Die USA sind im Nato-Verteidigungsbündnis mit Blick auf Militärausgaben und Personal der größte Partner.

US-Präsident Trump forderte schon in seiner ersten Amtszeit, dass die Nato-Mitglieder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Dem ist unter anderem Deutschland zuletzt nachgekommen, auch mithilfe eines 100 Milliarden Euro großen Sondertopfes. Seit Kurzem sind Verteidigungsausgaben von den Regeln der Schuldenbremse ausgenommen.

Höhere Verteidigungsausgaben sind umstritten

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stößt die Aussicht auf weiter steigende Verteidigungsausgaben laut dem MDR-Meinungsbarometer eher auf gemischte Reaktionen. So findet rund die Hälfte der Befragten weiter steigende Verteidigungsausgaben richtig. Doch fast genauso groß ist der Anteil derjenigen im MDRfragt-Stimmungsbild, die gegen eine weitere Steigerung des Verteidigungsbudgets sind.

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Die Uneinigkeit der MDRfragt-Gemeinschaft mit Blick auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben zeigt sich seit zwei Jahren ziemlich stabil. Egal, was sicherheitspolitisch passiert, die Verteilung von befürwortenden und ablehnenden Teilen bleibt gleich. Genaueres dazu finden Sie im Report mit allen Ergebnissen am Ende dieses Artikels.

Argumente für höhere Verteidigungsausgaben

  • Tom (28) aus Dresden: "Die Wehrertüchtigung bringt nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Notfall-Infrastruktur voran. So geht aus dem Topf auch Geld in den Zivilschutz. Es bräuchte noch bedeutend mehr, um flächendeckend wieder ein Netz von Zivilschutzbunkern, Notversorgungsstellen und so weiter aufbauen zu können."
  • Maria (33) aus Erfurt: "Ich bin schon der Ansicht, dass Deutschland besser gerüstet sein sollte. Es soll abschreckend wirken, sodass man in der Lage wäre, einen Angriffskrieg zu überstehen und zu gewinnen."
  • Sebastian (26) aus Halle: "Die Truppe müsste grundsätzlich wieder aufgebaut werden, um effektiv handeln zu können. Hierfür sind wahrscheinlich höhere Kosten erforderlich, als in anderen Ländern mit einer bestehenden Truppe. Die 1,5 Prozent für Infrastruktur ist auch zu begrüßen. Einmal ist diese im Ernstfall von strategisch elementarer Bedeutung und zudem kommt eine bessere Infrastruktur auch der Allgemeinheit zugute."
  • Anja (48) aus Halle: "Weil wir, laut Aussagen der Medien, nur kaputtes Material haben. Alles, was man hätte zur Verteidigung nutzen können, ist in andere Länder abgegeben worden und in keinster Weise an das eigene Land gedacht worden."
  • Devin (21) aus Erfurt: "In Deutschland läuft vielleicht Vieles schlecht. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir es aber immer noch relativ gut: Schulen, Straßen, Gesundheitsversorgung für alle, freie Meinungsäußerung und so weiter. Da kann man doch nicht sagen: 'Ich will das schon alles nutzen, aber verteidigen würde ich es nicht.' Und man braucht sich auch nicht vorzumachen, dass niedrige Verteidigungsausgaben und eine verzwergte Armee Russland milde stimmen und von einem Angriff abhalten würden. Die russische Regierung sieht parlamentarische Demokratien als schwach und angreifbar an und das ist die einzige Kategorie, in der sie denkt: Stärke. Und zwar militärische Stärke, leider nicht moralische."
  • Katrin (55) aus dem Saale-Orla-Kreis: "Wir sind nicht auf dem neusten Stand in Sachen Landesverteidigung."

Argumente gegen höhere Verteidigungsausgaben

  • Luise (28) aus dem Landkreis Görlitz: "Mehr Ausgaben für Infrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen und Wirtschaft: ja. Deutschland ist nicht verteidigungsfähig. Das ändert man auch nicht dadurch, unendlich viel Geld in die Bundeswehr zu pumpen, das dringender woanders gebraucht wird."
  • Marvin (19) aus Jena: "Wir könnten ohne Probleme mit den jetzigen Geldern für unsere eigene Sicherheit sorgen. Es scheitert lediglich an der Verteilung von Geldern."
  • Ulrich (55) aus Erfurt: "Zwei Prozent sollten genügen. Man sollte lieber mit Russland ein Agreement finden, statt weiter die Spannungen zu verschärfen und massiv aufzurüsten."
  • Niklas (22) aus dem Landkreis Anhalt Bitterfeld: "Grundsätzlich begrüße ich immer eine gut aufgestellte und verteidigungsfähige Armee. Aber so viel Geld in die Verteidigung zu stecken, wird es an anderen Stellen noch mehr fehlen lassen. Zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung zu stecken, ist meiner Ansicht nach vernünftig und richtig. Wir stehen ja auch nicht alleine da in Europa. Weit mehr als zwei Prozent auszugeben über einen langen Zeitraum braucht nicht nur eine gute Rechtfertigung, sondern auch einen Plan, was mit dem Rest unseres Landes passieren soll, wo jetzt das Geld wieder fehlt."
  • Peter (32) aus Dresden: "Haben wir in dieser Bundesrepublik Deutschland gerade aktuell denn wirklich keine anderen, dringlicheren Probleme als aufzurüsten? Wie wäre es, wenn wir uns zunächst konsequent um unsere innere Sicherheit, unsere Wirtschaft oder Energieversorgung kümmerten?"
  • Dieter (64) aus dem Landkreis Meißen: "Es benötigt mehr Personal und nicht mehr Geld!"

Dazu passt: Auch zur neusten Diskussion um deutlich höhere Verteidigungsausgaben zeigt sich diese Uneinigkeit. Nachdem Außenminister Johann Wadephul (CDU) schon vor einigen Tagen erklärt hatte, Deutschland halte perspektivisch Verteidigungsausgaben in Höhe von 5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für sinnvoll, äußerte sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag bei einem Besuch in Litauen ähnlich.

Die Idee: In die Bundeswehr und ihre Ausrüstung sollen bis zu 3,5 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, fließen. Weitere 1,5 Prozent sind für Straßen, Schienen, Häfen und ähnliche Infrastruktur vorgesehen, die für Truppentransporte oder im Verteidigungsfall entscheidend wären.

Laut MDRfragt-Stimmungsbild überzeugt das etwa die Hälfte der Befragten aus dem MDR-Sendegebiet. Fast genauso groß ist der Anteil derjenigen, die eher die Gegenposition einnehmen. Dabei zeigt sich: Je älter die Befragten sind, desto größer der Anteil derjenigen, die nichts von der 5-Prozent-Idee halten.

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Pflichtfragebogen und freiwilliger Wehrdienst überzeugen bedingt

Neben der Frage nach dem Geld wird auch diskutiert, wie die Personaldecke der Bundeswehr wieder gestärkt werden kann. Das Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), also mit einem verpflichtenden Fragebogen für junge Männer mehr Freiwillige für den Grundwehrdienst zu gewinnen, überzeugt bei MDRfragt nur bedingt.

Rund die Hälfte der Befragten findet dieses Vorgehen gut. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht käme besser an: Rund sechs von zehn Befragten sind dafür, dass die Wehrpflicht wieder aktiviert wird.

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Jüngere lehnen Rückkehr der Wehrpflicht ab

Allerdings gibt es bei diesem Stimmungsbild eine Einschränkung: Mehrheitlichen Zuspruch findet eine Wehrpflicht-Rückkehr nur in den Altersgruppen über 30 Jahre. Bei den 16- bis 29-Jährigen lehnt eine deutliche Mehrheit hingegen ab, dass die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder aktiviert wird.

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Doch was stört die jüngeren Befragten an der Vorstellung, dass die bis 2011 geltende Regelung, dass alle Männer entweder zur Grundausbildung bei der Bundeswehr müssen oder ersatzweise Zivildienst in sozialen Einrichtungen leisten?

Einige halten das Konzept schlicht für unfair oder nicht zeitgemäß. Beispielhaft hier drei Meinungen gegen die Rückkehr der Wehrpflicht:

  • Tim (18) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: "Ich halte die Wehrpflicht für nicht sinnvoll. Ich bin 18, wäre betroffen. Ich mache eine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Heißt, ich müsste nach meiner Ausbildung Wehrdienst leisten. Das finde ich nicht fair, wenn man sich schon für die Gesellschaft einsetzt."
  • John (18) aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld: "Ziel von Deutschland sollte es sein, den Beruf Soldat so attraktiv zu gestalten, dass die Menschen freiwillig in die Bundeswehr gehen. Weiterhin ist mir die gewonnene Freiheit, die meine Generation mit der Aussetzung der Wehrpflicht bekam, verteidigungswürdig. Jeder sollte die Möglichkeit haben, hier die Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen. Das neue Wehrdienst-Modell ist in weitesten Sinne in Ordnung, solange das System auf die Freiwilligkeit setzt."
  • Sebastian (27) aus dem Landkreis Zwickau: "Es spricht nichts für die Wehrpflicht. Die moderne Welt braucht keine zwangsrekrutierten Massen-Heere mehr wie bei den alten Preußen. Wir brauchen Spezialisten. Und die bekommt man nicht, wenn man jungen Erwachsenen ein paar Lebensjahre stiehlt, sondern nur, wenn man fest eingestellte Leute langfristig ausbildet."

Doch einer von drei Befragten unter 30 hält eine Rückkehr zur Wehrpflicht ja doch auch sinnvoll. Unter ihnen haben einige begründet, warum sie für die Reaktivierung der Wehrpflicht sind:

  • Jannik (22) aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz: "Ich glaube, die Wehrpflicht an sich hat halt schon was Gutes, da einem auch viel Disziplin und Anstand mitgegeben wird. Und die körperliche Fitness tut dem einen oder anderen sicherlich auch ganz gut."
  • Jonas (24) aus dem Landkreis Görlitz: "Grundsätzlich finde ich die Idee, nach dem Schulabschluss ein Jahr im Dienst des Landes zu verbringen, sinnvoll. Ich selbst hätte vermutlich keinen Wehrdienst leisten wollen, obwohl ich Jäger bin. Ich habe dafür ein Freiwilliges Ökologisches Jahr gemacht und so eine berufliche Orientierung gefunden."
  • Timo (18) aus dem Landkreis Sömmerda: "Freiwilligkeit ist immer gut, da wenn man von der Sache überzeugt ist, man viel leistungsbereiter ist. Jeder potenzielle Soldat, der sich freiwillig meldet, ist besser als einer, der dazu verpflichtet wird. Dennoch, finde ich, sollte die Wehrpflicht mit Möglichkeit auf Zivildienst wieder eingeführt werden. Die Kasernen sind zwar nicht dafür gerüstet, jedoch ist jede Person, die nicht den Dienst an der Waffe leistet, sondern im Zivildienst, keine verschwendete Person. So könnten Lücken und einfache Aufgaben, zum Beispiel in der Pflege, übernommen und somit auch das Fachpersonal entlastet werden."

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