Das Wetter ist chaotisch – so chaotisch, dass schon kleinste Fehler in der Ausgangslage Prognosen in die Irre führen können. Diese Erkenntnis, bekannt als "Schmetterlingseffekt", führte zur bisherigen Annahme: Halbwegs verlässliche Wettervorhersagen sind nicht länger als zwei Wochen möglich. "Längerfristige Prognosen hängen ganz stark von der Wetterlage ab", sagt MDR-Diplom-Meteorologe Florian Rost. "Bei einer stabilen Hochdrucklage kann man tatsächlich mal einen ganz guten 14-Tage-Trend bekommen. Bei unbeständigen Wetterlagen, wie beispielsweise einem Höhentief, das unkontrolliert durch die Atmosphäre wabert, sind schon die nächsten 48 Stunden ein Glücksspiel."

Eine neue Studie zweier Atmosphärenforscher aus den USA zeigt nun, dass diese Limits womöglich bald veraltet sein könnten. Mit dem KI-Wettermodell GraphCast (von Google DeepMind) gelang es ihnen, die Vorhersagegüte für bestimmte Wetterlagen auf bis zu 30 Tage zu verlängern – und das mit deutlich reduzierter Fehlerquote.

Wodurch wird die Wettervorhersage genauer?

Knackpunkt der Studie ist nicht das verwendete Wettermodell – sondern, wie die Startbedingungen für die Vorhersage verbessert wurden. Wettermodelle starten mit einem möglichst genauen "Schnappschuss" der aktuellen Atmosphäre: Temperatur, Luftdruck, Wind, Feuchtigkeit und so weiter auf einem dreidimensionalen Gitter der Erde. Diese Daten stammen aus der Reanalyse ERA5. Doch selbst diese sehr hochwertigen Daten enthalten kleine Fehler und Unsicherheiten, weil das Messnetz nicht überall auf der Erde gleich dicht ist.

Idee der Studie war nun, diese Startdaten mit Hilfe von KI leicht zu verändern, um das Modell in die "richtige" Richtung zu lenken – und damit eine Prognose zu erzeugen, die dem realen Wetter näherkommt. Die gemachten Veränderungen waren dabei nur klein, typischerweise in der Größenordnung der natürlichen Unsicherheiten in Wetterbeobachtungen. Sie zeigten aber klare physikalische Muster: stärkere Aufwinde in der Innertropischen Konvergenzzone, trockenere Luft in den Subtropen oder kühlere Temperaturen über bestimmten Meeresregionen. Im Mittel entsprachen die Änderungen einer verstärkten Hadley-Zelle – einem Zirkulationsmuster innerhalb der Troposphäre zwischen dem subtropischen Hochdruckgürtel und dem Äquator –, was laut Studie plausibel und meteorologisch sinnvoll sei.

Die Forscher nutzten ein Verfahren aus dem KI-Bereich: den Gradientenabstieg. Dabei wurde geprüft, wie sich kleine Änderungen am Startzustand auf den Vorhersagefehler auswirken – und dieser Fehler wurde mittels maschinellen Lernens Schritt für Schritt minimiert. Das Ergebnis: leicht veränderte Anfangszustände, die bei 10-Tages-Vorhersagen im Durchschnitt 86 % weniger Fehler verursachten. Der Wettertrend blieb sogar bis zu 33 Tage statistisch signifikant, wenn man sogenannte Anomalie-Korrelationen berechnete – ein Maß dafür, wie gut sich Abweichungen vom Mittelwert vorhersagen lassen, das auch von führenden Wetterdiensten wie dem ECMWF verwendet wird. Praktisch brauchbare Vorhersagen (im Sinne von "der Trend stimmt") waren laut Studie im Schnitt bis zu 27,5 Tage, also nahezu vier Wochen, möglich.

Modellinterner Effekt oder echter Fortschritt?

Die Forscher führten die Optimierung für 732 verschiedene Zeitpunkte im Jahr 2020 durch (je zwei Uhrzeiten an 366 Tagen) und erreichten dabei ohne Ausnahme gute Ergebnisse. Aber das wirft natürlich Fragen auf: Wurden die Startbedingungen einfach so angepasst, dass das Modell gut zur damaligen "Zukunft" passte, die den Forschern ja bereits bekannt war? Und wer sagt, dass das auch für eine echte Zukunft funktioniert – die noch niemand kennt?

Auch die beiden Forscher können das nicht mit Sicherheit sagen, aber sie sind aus mehreren Gründen optimistisch: Die Methode funktionierte bei allen 732 unabhängigen Fällen aus dem Jahr 2020, die Ergebnisse sind physikalisch plausibel, und die verbesserten Startdaten verbesserten auch die Prognosen in einem völlig anderen KI-Wetter-Modell – Pangu-Weather von Huawei.

Aber: Tatsächlich kannte die KI in der Studie ihre "Zukunft" schon und optimierte gezielt darauf hin. In der Realität ist das nicht möglich, weil man die Zukunft ja nicht kennt. Die Forscher schlagen deshalb vor, solche optimalen Störungen künftig aus der Vergangenheit zu lernen – etwa durch neue KI-Trainingsmethoden oder Kombinationen mit klassischen Wettermodellen. "Optimale Störungen" sind gezielte, kleine Anpassungen am Startzustand des Wettermodells – also an Temperatur, Wind oder Luftdruck – die so gewählt werden, dass sie die spätere Vorhersage möglichst verbessern.

Praktische Relevanz könnte bald folgen

Auch wenn es sich um eine Rückschau-Studie handelt, sind die möglichen praktischen Folgen nicht zu unterschätzen. Denn die Studie zeigt, dass die Begrenzung der Zuverlässigkeit von Wettervorhersagen nicht nur durch das Chaos des Wetters (Schmetterlingseffekt) entsteht, sondern auch durch ungenaue Startdaten.

Wenn man diese Startbedingungen verbessert – sei es durch ein noch dichteres Messnetz, Reanalysen oder KI –, dann lässt sich der Vorhersagehorizont erheblich ausdehnen. Zu wissen, ob es in drei bis vier Wochen eher milde, stürmisch, trocken oder nass wird, mag für den Durchschnittsbürger nebensächlich sein.. "Entscheidend können langfristige Prognosen dagegen für die Energiewirtschaft oder auch für Winterdienste und Festivalveranstalter sein", sagt MDR-Diplom-Meteorologe Florian Rost. Und auch in der Landwirtschaft würde man natürlich immer gern wissen, was in den nächsten Wochen auf die Böden zukommt.

KI ersetzt keine Meteorologen – aber sie kann helfen

Trotz aller Euphorie sehen die Forscher ihre Arbeit nicht als Ersatz für klassische Wettermodelle – sondern als Ergänzung. Gerade weil maschinelle Lernmodelle wie GraphCast keine explizite Physik abbilden, sondern "nur" aus bisherigen Daten die zukünftige Atmosphäre simulieren, bleiben sie bei Extremwetter-Ereignissen oder langfristigen Klimaentwicklungen (noch) unzuverlässig. Die Zukunft könnte in der Kombination liegen, denn verbesserte Startbedingungen könnten auch klassischen Modellen zugutekommen.

Links / Studien

P.T. Vonich, G.J. Hakim, 2025: "Testing the Limit of a Atmospheric Predictability with a Machine Learning Weather Model" (PDF auf Preprint-Server arxiv.org)

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