Wie das Wurzener Demokratie-Netzwerk trotz fehlender Gelder weiter kämpft
- Der soziokulturelle Verein Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen bekommt durch einen Stadtratsbeschluss von Mitte April keine Zuschüsse mehr.
- Der Vorwurf lautet, der Verein sei linkslastig.
- Ein Besuch vor Ort zeigt: Hier gibt es ein kulturelles und gesellschaftliches Angebot für alle.
Der Wurzener Verein "Netzwerk für Demokratische Kultur" (NDK) hat sich gegen Vorwürfe gewehrt, linkslastig zu sein. Geschäftsführerin Martina Glass sagte MDR KULTUR, diese Unterstellung werde immer wieder von außen befeuert, "damit Menschen gleich Vorbehalte haben", sie sei aber nicht wahr. Diese Propaganda werde teilweise "von Leuten betrieben, die noch nie hier waren".
Der Stadtrat hatte dem Verein wegen der Vorwürfe am 15. April die finanzielle Unterstützung verweigert. Damals stimmte eine deutliche Mehrheit der Stadträte gegen die Fortführung des bisherigen städtischen Zuschusses in Höhe von 12.800 Euro, der Voraussetzung für eine Förderung durch den Kulturraum Leipziger Raum von 70.000 Euro ist. Nach einer intensiven Debatte hatten zwölf Stadträte geheim gegen die weitere Förderung gestimmt, fünf dafür, drei enthielten sich.
Wir haben es im Stadtrat immer knapp geschafft – diesmal nicht.
Nach heftigen Attacken der AfD dürften sechs Gegenstimmen von ihr gekommen sein. Ob die weiteren sechs von der CDU mit ebenfalls sechs Sitzen kamen oder auch von den Bürgern für Wurzen, bleibt ungewiss. Die CDU-Stadtratsfraktion reagierte nicht auf eine entsprechende Anfrage. SPD und Linke mit je zwei Stadträten dürften dafür gestimmt haben.

Der Stadtratsbeschluss stürzte das 2001 gegründete NDK in eine Finanzierungskrise. Beim NDK herrscht dennoch Zuversicht, das Netzwerk fortführen zu können. Geschäftsführerin Glass sagte MDR KULTUR, man sei die jährlichen Debatten um den geringen Wurzener Finanzierungsanteil eigentlich gewohnt. Denn der Verein erhält keine institutionelle Förderung, muss sich immer aufs Neue durch ein Projekt namens "Soziokultur für Wurzen" im Umfang von 160.000 Euro tragen. Die 70.000-Euro-Förderung durch den Kulturraum Leipziger Raum plus Stadtanteil machen davon schon mehr als die Hälfte aus. "Wir haben es im Stadtrat immer knapp geschafft – diesmal nicht", ärgert sich Glass.
Zufluchtsort vor Neonazis in Wurzen
Vor Glass' Zeit als Geschäftsführerin war das NDK 2001 tatsächlich gegründet worden, um vor allem nichtrechten jungen Menschen eine Zuflucht zu bieten. Die NPD und Neonazigruppen strebten damals im mittelsächsischen Raum "National befreite Zonen" an, die aus ihrer Sicht von Linken zu säubern waren und in denen eine hegemoniale rechte Kultur aufgebaut werden sollte.

Eine Spendensammlung für den Kauf des früheren Domherrenhauses wurde unter anderem vom Magazin "Stern" unterstützt und brachte umgerechnet 80.000 Euro. 2006 konnte nach eigenen Aus- und Umbauleistungen das NDK eröffnet werden.
Kultur und Unterhaltung: Von Spieleabend bis Kino
Ende Mai dieses Jahres eröffnete der Verein ein Gartencafé. Was dort zu beobachten war, lässt sich nicht annähernd mit Linksextremismus in Verbindung bringen: In einem Zelt auf der Wiese unmittelbar neben dem Wurzener Dom hat der Leipziger multikulturelle Verein "Grand Beauty" ein Zelt aufgebaut. Ungeachtet von Alter und Herkunft konnte man sich Schönheitspflege mit Gespräch angedeihen lassen.
Zwei Rentnerinnen reisten extra aus dem 30 Kilometer entfernten Bad Lausick an. Es seien verschiedene Kulturen dabei, und das interessiere sie generell, sagte eine. Andererseits erklärten die beiden Damen ihre Vorbehalte gegenüber grünen Ideen. Auch zur Regierung äußerten sie sich kritisch, als sie die Finanzsorgen des NDK kommentierten: "Wenn man alles in die Rüstung steckt, bleibt unten nicht viel übrig."

Das NDK betreibt ein offenes Haus mit Frauengruppen, Gedächtnistraining für Ältere, Spieleabend, Kneipenabend, 80er-Jahre-Party und Sporttreffs. Eine kulturelle Lücke schließt es zudem mit Veranstaltungen wie Theater, Kino, Lesungen oder Konzerten, denn Wurzen hat sonst nur das Ringelnatz-Haus für den berühmtesten Sohn der Stadt.
Mögliche Lösung für Finanzierung des Vereins
Die Unterstellung linksextremer Aktivitäten sei "völlig albern", schimpft Linken-Stadtrat Jens Kretzschmar, der bis vor kurzem auch Vorstandsmitglied im NDK war. Er und Geschäftsführerin Glass sind dennoch nicht ohne Hoffnung. Ein privater Spender, dessen Name noch nicht öffentlich genannt werden darf, will für den verweigerten städtischen Finanzierungsanteil einspringen – falls das juristisch möglich ist.

Aber auch Bedenken sind zu hören. So werde unter zunehmendem rechten Einfluss die öffentliche Förderpflicht unterlaufen. "Das wird uns nicht umbringen", gibt sich Kretzschmar zuversichtlich. Und Martina Glass betont optimistisch: "Wir lassen nicht sofort den Stift fallen, wir arbeiten hier aus Überzeugung!"
Quelle: MDR KULTUR (Michael Bartsch), Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. Wurzen
Redaktionelle Bearbeitung: op, hki, lig
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke