Bürgermeister mit 19
In Berlin treffen sich junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus ganz Deutschland. Es geht um die Finanznot und Zukunft der Kommunen. Der Polit-Nachwuchs hat konkrete Erwartungen an die Bundesregierung.
Sechs Tage die Woche arbeitet Tim Sieper nachts in einer Bäckerei, verteilt am Wochenende im Ort Zeitungen und jobbt nebenher im Fitnessstudio. So will sich der Hip-Hop- und American-Football-Fan Ersparnisse für sein bevorstehendes Sportstudium zulegen.
"Da soll noch einer sagen, die Jugend habe keine Lust zu arbeiten", scherzt der 19-Jährige. Seit einem Monat ist der Rheinland-Pfälzer auch noch jüngster ehrenamtlicher Bürgermeister in Deutschland.
Für den Trip nach Berlin hat er sich frei genommen. Von dem Netzwerktreffen verspricht sich Sieper vor allem, viele junge Amtskollegen kennenzulernen. Ihn interessiert, was die neue Regierung für die finanziell klammen Kommunen tun will. Und er will Ideen sammeln, die er in seinem Heimatort Eckenroth umsetzen kann. Die 225-Einwohner-Ortsgemeinde liegt im Kreis Bad Kreuznach.
Gegenwind im Gemeinderat und im Netz
Mit vier zu zwei Stimmen hatte der Gemeinderat Sieper Anfang Mai zum neuen Ortschef gewählt. Damit ist er Nachfolger seines Vaters, der das Amt im März aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Da niemand aus dem Dorf übernehmen wollte, habe er sich einen Ruck gegeben, erzählt Tim Sieper. Er habe nicht gewollt, dass Eckenroth nur noch verwaltet werde und im Ort nichts mehr passiere.
Dass zwei der sechs Ratsmitglieder gegen ihn gestimmt haben, versteht der 19-Jährige als Motivation. Auch im Internet habe es negative Kommentare gegeben. Seine Kritiker will Sieper durch Arbeit überzeugen, sagt er selbstbewusst.
In seinem Freundeskreis interessiere sich kaum jemand für Kommunalpolitik, sagt er. Viele seien überrascht gewesen, dass er das Bürgermeisteramt übernimmt.
Junge Menschen sollen mitmischen
Tim Sieper will seinen Heimatort im Internet besser und jünger präsentieren. Viele in seinem Alter würden die ländlichen Regionen verlassen. Über die Social Media-Kanäle möchte er junge Leute nach Eckenroth locken. Es sei wichtig, dass sich junge Menschen politisch und gesellschaftlich engagierten, findet Sieper. Er selbst ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr.
Sieper ist nicht alleine: Bundesweit liegt der Anteil junger Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei knapp zehn Prozent. Dazu zählen Amtsträger, die jünger als 40 Jahre alt sind.
Die drei jüngsten ehrenamtlichen Ortschefs Deutschlands kommen alle aus Rheinland-Pfalz: Neben Sieper sind es Elias Metz, 22, aus Bornich im Rhein-Lahn-Kreis und Caroline Candels, 19, aus Roscheid in der Eifel. Sie war rund ein Jahr lang Deutschlands jüngste Ortschefin.
Dass Tim Sieper seine einen Monat ältere Kollegin nun ablöst, sei ihm nicht wichtig, sagt er. "Ich mache mir da wirklich nichts draus, das ist nur ein Titel."
Jahrestreffen mit Rede von Kanzleramtschef Frei
Viele junge Menschen würden oft abgeschreckt, sich für kommunale politische Ämter zu bewerben, so ein Sprecher vom "Netzwerk junge Bürgermeister*innen". Gründe seien die zunehmende Belastung, der Fachkräftemangel und Anfeindungen im Amt. Der Verein setze sich daher für bessere Rahmenbedingungen und Bürokratieabbau ein und fördere den Austausch durch Netzwerktreffen wie in Berlin.
2019 gegründet sind in dem Netzwerk-Verein heute bundesweit etwa 1.000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vernetzt. Beim Jahrestreffen in Berlin ist auch der Chef des Bundeskanzleramts, CDU-Politiker Torsten Frei, mit dabei.
Quereinsteigerin setzt auf Staatsmodernisierung
Den Impulsvortrag von Frei erwartet auch Maren Busch gespannt. Sie ist seit zwei Jahren Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Diez und kandidiert für den neuen Bundesvorstand des Netzwerks. Die 28-Jährige ist parteilos und jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin in Rheinland-Pfalz.
Das Amt sei für sie immer noch "der schönste Job der Welt", schwärmt Busch. Weil man gestalten könne. Allerdings "mahlen die Mühlen der Verwaltung immer noch sehr langsam", fügt sie hinzu. Sie hat vorher in der freien Wirtschaft gearbeitet und ist Quereinsteigerin. Für sie sei das Netzwerk eine große Hilfe gewesen, habe sie beraten und unterstützt. Es gebe regelmäßige Chat-Gruppen und Videokonferenzen.
Busch ist auch Erstunterzeichnerin eines öffentlichen Aufrufs für eine umfassende Staatsreform. Darin fordern mehr als 200 Bürgermeister und Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft von der Bundesregierung gezielte Reformen, um den Staat handlungsfähiger, digitaler und bürgernäher zu machen. Eine unübersichtliche Gesetzgebung mit immer neuen Vorschriften mache es den Kommunen zunehmend schwer. Auch finanziell müssten die Kommunen besser ausgestattet werden, fordert Busch.
Amtsvorgänger helfen dem jungen Bürgermeister
Auch Tim Sieper in Eckenroth hofft auf mehr Geld aus Berlin. In der Nachbargemeinde müsse der Kindergarten ausgebaut werden, das reiße ein Loch in den kommunalen Haushalt. Auch den Glasfaserausbau will er weiter vorantreiben.
Unterstützt wird der 19-Jährige in seinen ersten Amtswochen vom Ersten Beigeordneten im Ort und seinem Vater Michael Sieper. Tim sei bis vor ein paar Jahren eher zurückhaltend gewesen, erzählt der Vater. Inzwischen habe er sich aber gewandelt, sei selbstbewusst und "weiß, was er will".
Sieper möchte möglichst lange in Eckenroth bleiben. Er fühle sich hier wohl, erzählt er. Es sei sehr familiär im Dorf, ruhig und ganz entspannt. Vielleicht könne er damit auch Vorbild für andere junge Menschen sein, sagt er. Den Titel "jüngster Bürgermeister Deutschlands" gebe er gerne weiter: "Hoffentlich gibt es bald einen noch jüngeren."
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