Warum der Täter-Opfer-Ausgleich immer weniger genutzt wird
- Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein bewährtes Mittel zur Beilegung von Konflikten – wird aber selten genutzt.
- In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die Methode wenig bekannt und kaum verbreitet.
- Der Rückgang des Täter-Opfer-Ausgleichs hat auch demografische Gründe, da die Jugendkriminalität zurückgeht.
Es ist ein mögliches Szenario: Ein junger Mann schlägt betrunken einen Bekannten auf einer Party zusammen – und bekommt eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Stimmen beide Seiten einem Täter-Opfer-Ausgleich zu, treffen sie sich noch einmal – zusammen mit einem Vermittler, der das Gespräch begleitet. Am Ende einigen sie sich auf eine Entschuldigung und 10 Stunden Anti-Gewalt-Training. Das Verfahren wird eingestellt. So oder so ähnlich läuft ein sogenannter TOA ab.
Täter-Opfer-Ausgleich ist bewährtes Mittel – wird aber selten genutzt
Für Ulrich Weinhold ist das eine große Chance. Er ist Rechtsanwalt bei Seehaus e. V. – einem Verein, der sich für Opferhilfe und Prävention einsetzt. Weinhold führt selbst Täter-Opfer-Ausgleiche durch und ist von der Methode überzeugt: "Mancher Täter versteht überhaupt erstmal bei solch einer Begegnung, was er eigentlich angerichtet hat. Was das beruflich oder familiär für Folgen hatte für das Opfer. Der denkt ja nur an seinen Wohnungseinbruch oder an die Körperverletzung, die er vielleicht auf dem Volksfest begangen hat. Dass da jemand wochenlang stationär war, dass der Erholungsurlaub im Sommer ausgefallen ist, das hat mancher Täter überhaupt nicht auf dem Schirm. "
Und auch Opfer könnten durch den Ausgleich besser verarbeiten, was ihnen passiert sei. Trotzdem sagt Weinhold: Bundesweit werde der TOA in weniger als fünf Prozent aller geeigneten Strafverfahren genutzt. Geeignet sind solche Fälle, in denen beide Seiten grundsätzlich bereit für einen Ausgleich sind - und eher mittelschwere Straftaten wie Diebstahl oder Sachbeschädigung.
Methode in mitteldeutschen Ländern wenig verbreitet
In Sachsen gebe es keine offiziellen Zahlen der Täter-Opfer-Ausgleiche, kritisiert der Rechtsanwalt. Der Freistaat sei zwischendurch sogar Schlusslicht gewesen. Für den Rückgang sieht Weinhold vor allem zwei Gründe: "Die Überlastung von Staatsanwaltschaften mag da eine Rolle spielen, aber vor allem ist der Täter-Opfer-Ausgleich hier in Sachsen noch viel zu unbekannt. Man kennt es einfach nicht."
Auch in Sachsen-Anhalt zeigt der neueste Jahresbericht vom Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung: Im vergangenen Jahr seien die Fälle von rund 900 auf knapp 590 gesunken.
Sprecherin Jennifer Schmidt vermutet, dass das auch am Generationenwechsel in den Staatsanwaltschaften liegt. Deshalb ist sie dafür, den Täter-Opfer-Ausgleich auch in die Ausbildungsgänge zu bringen: "Ins Studium beispielsweise genauso wie auch bei der Polizei, um das präsenter zu machen. Um auch die jungen Kolleginnen und Kollegen besser zu informieren, dass es das gibt und wie man das am besten anwenden kann."
Rückgang des Täter-Opfer-Ausgleichs hat auch demografische Gründe
Klaus Tewes sieht es ein bisschen anders. Er ist Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg und meint, der Täter-Opfer-Ausgleich werde in Sachsen-Anhalt gar nicht so selten genutzt. Aber es gebe eben insgesamt weniger Fälle, auch bei den allgemeinen Verfahren.
Der Rückgang der TOA habe für ihn deshalb auch demographische Gründe: "Das heißt, die Anzahl der Jugendlichen wird geringer, die Jugendkriminalität hat sich nach unserer Zählung in den letzten 20 Jahren halbiert und damit einhergehend gibt es auch immer weniger Fälle, die im Jugendbereich für einen Täter-Opfer-Ausgleich geeignet sind."
Und auch in Zukunft könnten sich bestimmte Fälle weniger eignen, sagt Klaus Tewes. Zum Beispiel im Bereich der Cyberkriminalität – da sei es schwierig, beide Seiten überhaupt zusammenzubringen.
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