Ein "Manifest" mehrerer SPD-Mitglieder sorgt zwei Wochen vor dem Bundesparteitag für mächtig Unruhe in der Partei. Die Unterzeichner verteidigen sich - und verweisen auf die Schlappen bei den vergangenen Wahlen.

Trotz heftiger Kritik aus der eigenen Partei halten SPD-Politiker an dem Positionspapier für eine "Friedenssicherung in Europa" fest. Das sogenannte Manifest fordert eine Abkehr von der derzeitigen Aufrüstungspolitik der Bundesregierung sowie eine "Zusammenarbeit mit Russland".

Der Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Ralf Stegner verteidigte das umstrittene Papier im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die Strategie, den russischen Präsidenten Wladimir Putin militärisch an den Verhandlungstisch zu zwingen, sei gescheitert, so Stegner. "Alleine mit Aufrüstung scheint das nicht zu funktionieren."

Nicole Kohnert, ARD Berlin, Kritik an Forderungen vom linken Flügel der SPD mit "Manifest"

tagesschau, 12.06.2025 12:00 Uhr

Stegner forderte sowohl militärische Unterstützung der Ukraine als auch diplomatische Anstrengungen, mit Russland ins Gespräch zu kommen. "Militärisch besiegen kann man Russland nicht." Man müsse sich auch mit Ländern verständigen, deren "Werte man überhaupt nicht teilt".

SPD muss "Konsequenzen aus Wahlschlappe ziehen"

Auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Papiers - kurz vor dem Bundesparteitag der SPD Ende Juni - verteidigte Stegner mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Aufarbeitung der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl. Es gehe darum, "Konsequenzen aus der Wahlschlappe zu ziehen". Man habe "sowohl das Migrationsthema wie auch das Friedensthema quasi kampflos den Populisten überlassen". Die SPD sei die einzige Partei, die über friedenspolitische Konzepte diskutiere.

Ein weiterer Mitunterzeichner, Rolf Mützenich, sagte der Berliner Zeitung Tagesspiegel: "Unsere Überlegungen sollen eine breite, seit Jahren in der SPD und außerhalb geführte Diskussion ergänzen." Dass das Papier vor dem Parteitag fertiggestellt wurde, begründete der ehemalige Fraktionschef der SPD, damit, dass seine Partei sich "ein neues Grundsatzprogramm geben wolle".

Walter-Borjans warnt vor "unbegrenztem Rüstungsrausch"

Zuvor hatte ein weiterer Unterzeichner des Papiers, der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, die Forderungen des Papiers verteidigt: "Wir plädierten einfach nur für Gespräche mit Russland", sagte er dem Magazin Stern. Es gehe nicht darum, eine Wahrheit gegen eine andere zu stellen, sondern es gehe um das Eingeständnis, dass ein Menschenverächter wie Putin nicht kaputtzurüsten sei.

Der Westdeutschen Zeitung sagte er: "Was wir beklagen, ist der Glaube, dass man einem Ende des Blutvergießens näher kommt, wenn man Abrüstungsverhandlungen für nicht mehr zeitgemäß erklärt." Walter-Borjans warnte in dem Zusammenhang vor einem "unbegrenzten Rüstungsrausch" steigert.

Weitere parteiinterne Kritik am "Manifest"

Das am Mittwoch bekannt gewordene "Manifest" hatte innerhalb und außerhalb der SPD kontroverse Debatten ausgelöst. In dem Grundsatzpapier kritisieren die Unterzeichner um Stegner und Mützenich unter anderem eine "militärische Alarmrhetorik" und fordern diplomatische Gespräche mit Russland sowie den Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte zu dem Papier, sie teile dessen Vorschläge nicht. Im "Playbook-Podcast" des Portals Politico betonte sie allerdings auch: "Dass Ralf Stegner oder Rolf Mützenich diese Position vertreten, ist nicht wahnsinnig überraschend." Sie lehne zwar die Debatte darüber nicht ab, doch: "Zusammenarbeit mit (Kremlchef Wladimir) Putins Russland, das glaube ich, ist nicht das, was die Situation gerade hergibt."

Ähnlich äußerte sich Juso-Chef Philipp Türmer in der Zeit. Er habe zwar Verständnis für das Ziel der Abrüstungs- und Friedenspolitik. "An anderer Stelle erscheint mir die Linie, die dort skizziert wird, leider zu kurz gedacht und unausgegoren - insbesondere mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine." Da bleibe das Papier eine zentrale Antwort schuldig: "Wie geht man mit einem Russland um, das keine Gespräche führen will?"

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke