Deutschland ist ein wasserreiches Land – dieses Selbstbild hält sich hartnäckig. Doch es gerät zunehmend ins Wanken. Denn in immer mehr Regionen wird mehr Grundwasser entnommen, als sich nachbilden kann. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat dazu gemeinsam mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) eine neue Studie veröffentlicht. Sie bietet erstmals eine flächendeckende Analyse von strukturellem und akutem Grundwasserstress auf Ebene der Landkreise.

Was ist Grundwasserstress?

Die Forscher unterscheiden zwei Formen von Stress. "Struktureller Grundwasserstress" entsteht dort, wo über viele Jahre hinweg mehr als 20 Prozent der jährlich neu gebildeten Grundwassermenge entnommen werden – meist durch Trinkwassergewinnung, Landwirtschaft oder Industrie. Datengrundlage war hier der Zeitraum von 1991 bis 2020. "Akuter Grundwasserstress" wiederum zeigte sich in kurzfristigeren Datenerhebungen bis 2021 durch gemessenes signifikantes Sinken des Grundwasserspiegels.

Beide Phänomene sind eng miteinander verknüpft, aber nicht deckungsgleich. Während struktureller Stress auf langfristige Übernutzung hinweist, zeigt akuter Stress die aktuellen Auswirkungen – vor allem in Folge der Hitze- und Dürreperioden ab 2018.

Jeder zweite (Land-)Kreis betroffen

Die Analyse umfasste 401 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland. In 201 von ihnen lag struktureller oder akuter Grundwasserstress vor – oft sogar beides. Besonders betroffen: Regionen in Ostdeutschland und Nordwestdeutschland, Gebiete am Rhein und Teile Südwestdeutschlands.

Im MDR-Gebiet ist Sachsen-Anhalt laut Studie am stärksten vom Grundwasserstress betroffen. Aber auch in Sachsen und Thüringen gibt es mehrere Landkreise mit diesem Problem.

In Brandenburg und Berlin ist auf der Karte ebenfalls viel Rot zu sehen. Und diese Befunde werden auch durch neue Umfrageergebnisse gestützt: In einer repräsentativen BUND-Umfrage äußerten Bürgerinnen und Bürger aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich häufig "große Sorge" vor einer Wasserknappheit in der heimischen Region. Ein möglicher Grund: Während in Westdeutschland häufiger auf Talsperren und größere Rückhaltesysteme gesetzt werden kann, ist das Netz im Osten dünner – sowohl physisch als auch institutionell.

Mehr Ursachen als nur der Klimawandel

Der menschengemachte Klimawandel verstärkt bestehende Probleme – doch allein verantwortlich ist er nicht. Die Studie benennt mehrere zentrale Treiber des Wasserstresses: Hohe Entnahmemengen für Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft, Industrie und Energieerzeugung. Starke Versiegelung urbaner Räume, was die Grundwasserneubildung behindert. Fehlende Transparenz über nichtöffentliche Entnahmen, etwa durch Großbetriebe oder Rechenzentren. Ungleiche Entgeltregelungen: Einige Großverbraucher sind noch immer von Wasserentnahmegebühren befreit – ein Zustand, den der BUND kritisiert.

Eine Teilauswertung in der Studie unterscheidet die mehrheitlichen Grundwasserentnahmen je Landkreis nach öffentlichen, zum Beispiel für die Trinkwasserversorgung (auf der Karte eher orange) und nicht-öffentlichen, zum Beispiel in den Tagebau-Regionen (auf der Karte eher violett).Bildrechte: R. Lütkemeier / ISOE

Besonders kritisch wird die Rolle von Fernwassersystemen gesehen, die Wasser über große Entfernungen transportieren. Diese verschleiern lokale Belastungen und führen dazu, dass Regionen mit wenig Grundwasser auch weiterhin hohe Entnahmewerte aufweisen.

Datenlage ist unzureichend

Die Studienautoren nutzten die neuesten öffentlich zugänglichen Daten. Aber "die neuesten" bedeutet eben nicht automatisch, dass sie brandaktuell sind. "Datenschluss" war bei dieser Studie 2021, die etwas feuchteren Jahre danach konnten also nicht in die Auswertung einfließen. Außerdem sind Gesamtzahlen für Grundwasser-Entnahmen in einem (manchmal sehr großen) Landkreis nicht immer aussagekräftig.

"Wir wissen nicht genau, wo im Landkreis das stattfindet, und wir bekommen diese Informationen auch nur alle drei bis vier Jahre so aufbereitet dargelegt", sagt Robert Lütkemeier, Hauptautor der Studie. "Das heißt, da wäre schon der Wunsch nach einem stärkeren Turnus – die drei Jahre weiter runterzubrechen auf zwei oder auch nur ein Jahr." Eine systematische Datenerhebung mit zeitlich wie räumlich besser aufgelösten Entnahmedaten sei essenziell, um detailliertere Ergebnisse zum Grundwasserstress zu ermitteln, so Lütkemeier.

Und Moritz Böttcher vom BUND fragt sich, ob die nationale Wasserstrategie in Deutschland überhaupt noch im Mittelpunkt des politischen Interesses steht. In dieser Strategie war vorgesehen, ein Echtzeit-Monitoring für Grundwasser aufzubauen.

"Mir ist nicht so ganz klar, inwiefern das jetzt noch in der neuen Legislatur verfolgt wird", sagt Böttcher. "Aber das wäre natürlich eine superwichtige Datengrundlage, um dann Entscheidungen zu treffen oder zu priorisieren."

Handlungsempfehlungen

Außer der Verbesserung der Datenlage empfehlen die Studienautoren und der BUND:

  • Nutzungen priorisieren – Trinkwasserversorgung und Ökosystemschutz müssen Vorrang haben
  • Gebühren anpassen – gerechte Entgelte für alle Nutzer einführen
  • Wasserrückhalt stärken – durch Schwammstädte, Moore und naturnahe Auen
  • alternative Quellen fördern – zum Beispiel Regenwassernutzung und Kreislaufwirtschaft

Im Laufe der Woche will der BUND sich noch weiteren Themen widmen, die mit einer möglichen Wasserknappheit zu tun haben. Dabei rücken vor allem die Landwirtschaft und die Industrie in den Fokus: So geht es auch um die Frage, wer eigentlich für die wachsende Wasserknappheit zahlen sollte – und wie eine gerechtere Wasserpolitik aussehen könnte.

Links / Studien

BUND-Studie: R. Lütkemeier et al., 2025: "Grundwasserstress in Deutschland"

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke