Familie und soziales Miteinander sind "Ankerpunkte" für junge Menschen auf dem Land
- Familiäre und soziale Bindungen spielen eine zentrale Rolle bei der Entscheidung junger Menschen, in ländlichen Regionen zu bleiben oder zurückzukehren.
- Berufliche Perspektiven und Familiengründung sind entscheidende Lebensphasen, in denen Rückkehr in die Heimatregion attraktiv werden kann – unterstützt durch gezielte kommunale Maßnahmen.
- Soziales Miteinander und politisches Klima beeinflussen die Lebensqualität stark; Offenheit, Gemeinschaft und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind wichtige "weiche" Standortfaktoren.
Familiäre Beziehungen und andere soziale Bindungen beeinflussen stark, ob junge Menschen in ländlich geprägten Gegenden wohnen bleiben oder dorthin zurückziehen. Das ist ein Ergebnis der Studie "Zwischen Aufbruch und Rückkehr", die von Abwanderung und Alterung betroffene Kommunen in Ostdeutschland in den Fokus nimmt.
Ostritz ist für mich Heimat. Weil man eben die Leute und das Drumherum schon kennt.
Die Forschenden des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung interviewten für ihre Studie neben Kommunalpolitikern und anderen lokalen Akteuren auch ein Dutzend Menschen im Alter von 18 bis 34 Jahren. Die Wissenschaftler zitieren etwa die 22-jährige Anna, die sich trotz Studiums in der Stadt weiter mit ihrem Herkunftsort in Ostsachsen identifiziert: "Ostritz ist für mich Heimat. Weil man eben die Leute und das Drumherum schon kennt."
Die 23-jährige Lisa, ebenfalls aus Ostritz, lobte im Gespräch mit den Sozialforschern den Zusammenhalt dort: "Ich finde es schön, dass es nicht so anonym ist. Dass viele ehrliche Anteilnahme an allem zeigen."
Trotz dieser Verbundenheit gehört es für viele junge Menschen heute dazu, mindestens vorübergehend in die (Groß-)Stadt zu ziehen. Anna sagt dazu: "Mit den meisten Freunden habe ich Abitur gemacht und davon gehen natürlich viele studieren. Ein, zwei sind vielleicht dageblieben, aber viele sind weg – und auch weit weg – zum Studieren."
Lebensentscheidungen rund um Job und Kinder
Berufseinstieg und Familiengründung sind nach Analyse der Studie entscheidende Phasen, in denen junge Menschen später unter Umständen in ihre Herkunftsorte zurückkehren – und dort die Bevölkerungsabnahme zumindest bremsen könnten. In diese Richtung zielen einige der Handlungsempfehlungen des Autorenteams.
Kommune und Unternehmen sollen junge Menschen demnach zum Beispiel schon während der Schulzeit die wirtschaftlichen Perspektiven vor Ort aufzeigen, etwa durch Beratungsangebote und andere Veranstaltungen. Sogenannte Rückkehragenturen könnten beispielweise über Feiertage, an denen junge Menschen auf Heimaturlaub sind, über Wohnungsmarkt oder Kita-Plätze informieren.
Miteinander und politisches Klima
Weitere Empfehlungen zielen darauf, die Rahmenbedigungen für das Entstehen von zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern, um darüber die Bindung junger Menschen an ihre Herkunftsorte langfristig zu stärken. Die Forscher sprechen von Ankerpunkten. So bräuchten Kinder und Jugendliche in den Dörfern und Kleinstädten Treffpunkte, um Freundschaften zu schließen. Auch sogenannte Dorf-Apps oder lokale Chatgruppen könnten helfen, Menschen vor Ort zusammenzubringen. Außerdem raten die Forschenden dazu, Vereine und ehrenamtliche Initiativen zu stärken sowie Heranwachsende über Jugendparlamente politisch mitgestalten zu lassen.
Mir ist schon wichtig, irgendwo zu leben, wo die Leute halbwegs offen sind.
Von Bedeutung ist aus Sicht der Wissenschaft auch das generelle politische Klima in einer Gemeinde. Junge Menschen, die eine Zeit lang in einer Universitätsstadt studiert haben, wünschten sich häufig eine offene und vielfältige Gesellschaft an ihrem Wohnort, heißt es in der Studie. Zitiert wird dazu Linda aus Ostritz: "Mir ist schon wichtig, irgendwo zu leben, wo die Leute halbwegs offen sind. Und wo man nicht jeden Tag gegen Rechtskonservative ankämpfen muss."
Bei alledem handelt es sich aus wissenschaftlicher Sicht um sogenannte "weiche" Standortfaktoren. "Harte" Faktoren wie Arbeits- und Wohnungsmarkt, Verkehrsanbindung oder vorhanden Dienstleistungen sprachen die befragten jungen Erwachsenen ebenfalls an. Ihre Bedeutung wird in der politischen Diskussion allerdings ohnehin häufig betont.
Ingesamt zieht die Studie ein zuversichtliches Fazit. Die befragten Verantwortlichen, Fachleute und jungen Menschen zeichneten ein positives Bild ihrer Wohn-, Arbeits- und Herkunftsorte. Sie engagierten sich aktiv dafür, den ländlichen Raum lebenswert zu gestalten, so die Forschenden.
MDR (ala)
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke